Dieser Seilroboter wäre auch eine Attraktion auf dem Oktoberfest
Nein, auf dem Oktoberfest wird der neue Seilroboter Tübinger Max-Planck-Forscher nicht eingesetzt. Könnte er aber. Denn der Roboter kann Menschen wie auf einer Achterbahn oder einem Rennwagen auf dem Nürburgring bewegen. Streng wissenschaftlich. Denn der Roboter soll der Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung auf die Sprünge helfen.
An acht Drahtseilen ist eine Gondel in einer Halle in Tübingen am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik aufgehängt. Jedes der acht Seile wird von einem starken Motor angetrieben. Insgesamt kommen dabei beachtliche 473 PS zusammen.
Die verspannte Gondel besteht aus Kohlefaserstäben, verfügt über einen Sitz und kann darin sogar einen Menschen aufnehmen. Der allerdings sollte schwindelfrei sein. Denn die Gondel kann durch die Seilmotoren in beliebiger Richtung bewegt werden. Und das Tempo könnte den Passagier in Angst und Bange versetzen.
Denn die Gondel kann ebenso zu einer wilden Achterbahnfahrt ansetzen und den kompletten Raum von 5 x 8 x 5 m³ ausnutzen, oder aber Bewegungen vollführen, die der Passagier überhaupt nicht bemerkt.
Seilkonstruktion macht reale Simulationen möglich
Der Tübinger Seilroboter ist der weltweit erste, der Menschen in dieser Form bewegen kann. Dabei bietet die Seilkonstruktion die Möglichkeit, den Bewegungssimulator beliebig zu skalieren. Zudem können verschiedenartige Gondeln in den Simulator eingebaut werden, um unterschiedliche Bewegungsszenarien zu testen.
Die Konstruktion desRoboters ist nach Angaben der Entwickler weltweit einmalig. Als Simulator in der Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung würden damit neue Maßstäbe für die Beschleunigung, den Bewegungsraum sowie die Nutzlast bei Bewegungssimulationen erreicht. Entwickelt haben den Simulator die Max-Planck-Forscher gemeinsam mit der Firma Waagner Biro und demFraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart.
Erforschung von Gleichgewichtsstörungen
„Dieser Simulator bietet uns völlig neue Möglichkeiten, die Bewegungswahrnehmung und eine mögliche Anwendung in der neurologischen Forschung bei Gleichgewichtsstörungen zu untersuchen“, erklärt Heinrich Bülthoff, in dessen Abteilung Wahrnehmung, Kognition und Handlung der Roboter künftig eingesetzt wird.
Die komplizierte Seilkonstruktion, verbunden mit der am Institut entwickelten Software, sind die Basis dafür, selbst komplexen Bewegungsabläufe realistisch simulieren zu können. Als Beispiele nennen die Forscher einen virtuellen Flugzeugstart, hochdynamische Bewegungen bei Rennsimulationen, Helikopterflüge bis hin zu kaum spürbaren Bewegungen an der menschlichen Wahrnehmungsschwelle. Auch eine Autofahrt mit ihren unterschiedlichen Fahrsituationen lässt sich realistisch simulieren.
Sicherheitstechnik vermeidet Crash
Einen möglichen Crash schließen die Wissenschaftler aus. Sie konzipierten Hardware und Software so, dass selbst im Falle eines Programmfehlers ein Absturz vermieden werden kann. „Mit dem Seilsimulator haben die Wissenschaftler beider Institute gezeigt, wie die Kombination aus Grundlagenforschung und industrienaher Technologieentwicklung zu innovativen Produkten führen kann“, beschreibt Thomas Bauernhansl, Institutsleiter des Stuttgarter Fraunhofer IPA, die Entwicklung.
Derzeit fiebern die Max-Planck-Ingenieure der ersten öffentlichen Probefahrt des Simulators entgegen. Am Mittwoch, 16.9., soll der Prototyp anlässlich der Driving Simulation Conference & Exhibition (DSC2015) in Tübingen seine ersten Simulationen durchführen. Die DSC2015 ist eine der europaweit wichtigsten Konferenzen im Bereich der Fahrsimulation.
Ein Beitrag von: