Drohnen können mit Schallwellen Wände orten – theoretisch
Ein internationales Forscherteam hat einen Algorithmus entwickelt, der Drohnen bei der Orientierung helfen soll. Statt Kameras tragen Schallwellen dazu bei, die Lage von Wänden in einem Raum zu orten, beziehungsweise sie zu berechnen.
Die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen steigen. Sie können Aufklärungsflüge in gefährlichem Terrain übernehmen, Güter transportieren oder dazu beitragen, eine Fabrik auszumessen, indem sie Räume und darin befindliche Gegenstände aus der Luft detektieren. Für die Orientierung der Drohnen gibt es aktuell hauptsächlich zwei Möglichkeiten: Ein Drohnenführer lenkt das Fluggerät über Sichtkontakt. Der Mensch übernimmt also die Orientierung über seine Augen. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, kommt aufwendige Technik ins Spiel. Unter anderem Kameras, Laserscanner und GPS-Peilung helfen dabei, die Lage der Drohne zu bestimmen. Gerade in Innenräumen könnte eine weitere Methode hinzukommen: Forscher an der Technischen Universität München (TUM) wollen gemeinsam mit amerikanischen Kollegen Schallwellen einsetzen, damit eine Drohne die Lage von Wänden und weiteren ebenen Flächen im Raum genau erfassen kann.
Mikros können direkt auf der Drohne platziert werden
Schallwellen zu nutzen, um Flächen zu orten, ist ein nahe liegender Gedanke. Technisch ist das unproblematisch. Doch für eine genaue Bestimmung der Flächen muss die Drohne die Echos der jeweils richtigen Wand zuordnen können – und daraus die genaue Lage berechnen. Es handelt sich also eher um ein mathematisches Problem. Und genau das lässt sich lösen, sagen Gregor Kemper, Professor an der TUM, und Mireille Boutin, die an der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana lehrt. Zumindest mathematisch haben sie das bereits bewiesen.
Als Grundszenario haben die Wissenschaftler einen herkömmlichen Raum gewählt: flache Wände, Zimmerdecke und Fußboden. Dabei müsse die Form nicht zwingend rechteckig sei, auch eine Neigung der Wände sei unproblematisch. In früheren Arbeiten sah es so aus, dass vier Mikrofone im Raum verteilt wurden, die in Kombination mit einem Lautsprecher dazu dienten, die Wände zu lokalisieren. Wichtig war dabei eine mathematische Besonderheit: Die Mikros mussten unabhängig voneinander in zufällige Positionen im Raum gebracht werden, damit das System aus mathematischer Sicht funktionierte. Abgesehen von dem damit verbundenen Aufwand, den die meisten Anwender sicherlich scheuen würden, ließe sich diese Methode praktisch auch gar nicht immer umsetzen. Kemper und Boutin wollten daher herausfinden, ob ein klassisches Szenario funktionieren kann – sie platzierten die Technik vollständig auf dem Dach der Drohne.
Algorithmus ordnet Echos den Wänden zu
Mit einem Lautsprecher und vier Mikrofonen im Gepäck flog die Drohne los – allerdings nur auf dem Papier. Denn für die Mathematiker ging es zunächst darum, ihren Ansatz theoretisch zu beweisen. Diese Versuchsanordnung mit dicht beieinanderstehenden Mikrofonen brachte ein Problem mit sich: „Jedes Mikrofon nimmt sehr viele Echos auf. Wir müssen genau zuordnen können, welche Echos von welcher Wand stammen“, erklärt Kemper. Die Laufzeit, also die Zeitdifferenz von der Aussendung des Schallimpulses bis zum Empfangen des Echos, ist dank der Mikrofone im Prinzip gut messbar. Wesentlich ist dabei, dass alle Laufzeiten, die zu einer einzigen Wand gehören, in einer ganz bestimmten mathematischen Beziehung zueinander stehen. Genau darauf setzten die Forscher: Sie entwickelten einen Algorithmus, der diese Beziehung berücksichtigt und deswegen in der Lage ist, die einzelnen Echos der richtigen Wand zuzuordnen.
Anschließend war es leicht, die Positionen und Neigungen der einzelnen Wände zu berechnen. Die geometrischen Verfahren, die dabei verwendet werden, ähneln der Standortbestimmung, die für GPS verwendet wird.
Kein erhöhtes Risiko für Geisterwände
Ganz fehlerfrei sind solche Berechnungen allerdings selten. Denn es ist möglich, dass die Echos zufällig die mathematische Beziehung zueinander erfüllen, obwohl sie zu unterschiedlichen Wänden gehören. Dann werden, vereinfacht gesagt, sogenannte Geisterwände berechnet. Diese Problematik besteht allerdings auch, wenn die Mikrofone frei im Raum verteilt sind. „An sich wäre zu erwarten, dass die Wahrscheinlichkeit von Geisterwänden bei der Befestigung der Mikrofone auf einer Drohne höher ist“, erklärt Kemper. „Denn im Gegensatz zu den frei im Raum angebrachten Mikrofonen haben sie aufgrund der starren Anbringung auf der Drohne einen geringeren Bewegungsfreiraum. Statt zwölf besitzen sie nur sechs Freiheitsgrade.“ Die wichtigste Aussage dieser wissenschaftlichen Arbeit lautet daher, dass die Bewegungsfreiheit der Drohne ausreicht, um sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in eine Position zu bringen, bei der keine Geisterwände entstehen. Die einzige Bedingung: Die Mikrofone müssen auf unterschiedlichen Ebenen auf der Drohne angebracht sein.
Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler, ebenfalls auf mathematischen Weg, Messfehler eindämmen und parallel prüfen, wie sich Lautsprecher und Mikrofone auf einem bodengebundenen Fahrzeug am besten anbringen ließen.
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