Einfache Engineering-Konzepte in der Automatisierungstechnik gefragt
Maschinenbauern und Mechatronikern ist bewusst, dass im Produkt-Engineering noch erhebliches Verbesserungspotenzial schlummert. Wie dieses zu erschließen ist und was Anwender von Lösungsanbietern erwarten, wurde auf dem „1. Benchmark-Forum Intelligentes Engineering“ Ende März deutlich. Auch auf der Hannover Messe vom 23. bis 27. April dürfte das ein zentrales Thema sein.
Um trotz des zunehmenden internationalen Wettbewerbs weiterhin die technische und wirtschaftliche Führungsposition zu behaupten, arbeitet die europäische Maschinenbaubranche daran, Entwicklungsprozesse künftig noch effizienter zu gestalten und zu steuern. Wie weit die Traditionsbranche Maschinenbau jedoch noch von einer reibungslosen interdisziplinären Projektsteuerung entfernt ist, zeigte sich auf dem „Benchmark-Forum Intelligentes Engineering“, auf welchem sich Ende März Anwender und Anbieter von Automatisierungslösungen trafen, um die Thematik zu diskutieren.
V-Modell ist für viele Branchen noch immer Standard für ein gutes Engineering
Als Goldstandard eines guten Engineerings gilt in vielen Branchen immer noch das V-Modell, das den Entwicklungsprozess in Phasen aufteilt, die sequenziell aufeinander folgen. Am Anfang dieses Modells steht die Analyse der Systemanforderungen, die dann zur Definition der Systemarchitektur führt und in weiteren Stufen in die eigentliche Implementierungsphase mündet. Anschließend folgen Tests, nacheinander auf immer höheren Stufen der Systembeschreibung.
Abschließend erfolgt eine Verifikation in Gestalt eines Vergleichs zwischen dem erreichten Ziel und den ursprünglichen Vorgaben. Hat sich ein Fehler in eine Konstruktion oder ein Stück Software eingeschlichen, so wird es immer schwieriger, teurer und zeitraubender, diesen Fehler wieder auszubügeln, je später im Entwicklungsprozess er bemerkt wird. Deswegen werden erfahrene Entwicklungsmanager nicht müde, die Bedeutung der initialen Schritte innerhalb des V-Modells zu betonen „Frontloading“ nennen sie das.
Gerade erfolgreiche Maschinenbauer verweisen darauf, wie wichtig eine strikte Einhaltung dieser Systematik ist. Mediseal beispielsweise stellt Verpackungsmaschinen für pharmazeutische Produkte her. Das ist ein Geschäft, in welchem die Einzelanfertigung sehr komplexer Maschinen die Regel sind. Stephan Plewa, Managing Director des mittelständischen Unternehmens, verweist jedoch darauf, dass die Beschreibung der jeweiligen Anforderungen nicht unbedingt eine triviale Aufgabe darstellt.
„Der Aufwand für die Spezifikation war höher als erwartet“, erklärte Plewa. Zudem sei gerade bei Projekten mit Einzelanfertigung die Einbindung der Kunden ein wichtiger Erfolgsfaktor, aber „die größte Herausforderung bestand darin, den Kunden zu überzeugen, an den Spezifikationen mitzuarbeiten“, sagte Plewa. Ein weiterer Stolperstein: Nicht selten werden die Anforderungen zu global und undifferenziert beschrieben. Plewa lieferte auch gleich einen möglichen Grund für die Probleme: Er liegt in mangelnder Kommunikationsfähigkeit mancher Beteiligten. „Kein Ingenieur schreibt gerne“, so der Manager.
Kommunikationsprobleme treten nicht nur zwischen Kunden und Auftraggeber zutage, sondern auch in den Unternehmen – besonders dort, wo im heutigen Maschinenbau die Software an Bedeutung gewinnt. In manchen Branchen würden bereits 70 % der Funktionalität einer Maschine in Software abgebildet, hieß es auf dem Forum.
An Schnittstelle zwischen Mechanik und Software herrscht „babylonische Sprachverwirrung“
Die klassische Aufteilung ist anfällig für Reibungsverluste. „Ein Grundthema ist die Schnittstelle zwischen Mechanik und Software“, erklärte Alfred Hutterer, Mitglied der Geschäftsführung beim Maschinenbauer Trumpf Austria. „Hier herrscht eine babylonische Sprachverwirrung. Und der Turm ist ziemlich hoch.“ Das Ergebnis beschrieb Rainer Stetter, Geschäftsführer der Münchener ITQ: Die Produkte würden weitgehend von der Mechanik her konzipiert erst in einer späten Phase werde die Software ins Konzept einbezogen – gewissermaßen als Add-on.
Die Kluft habe ihre Wurzeln in der Historie der Betriebe: „Maschinenbauer sind meist Traditionsbetriebe mit einer tiefen Verankerung in der Mechanik“, so Stetter. „Da tendiert man oft dazu, den Aufwand für die Software völlig zu unterschätzen.“ Halte man sich vor Augen, dass die Beherrschung der Softwareprozesse in der Zukunft immer wichtiger werde, um die Konkurrenzfähigkeit der Branche sicherzustellen, wird ein deutliches Defizit erkennbar, das es auszubügeln gelte.
Der Wunsch nach einer Softwareplattform nach Automobilvorbild wächst
Immerhin scheint den Verantwortlichen mittlerweile meist klar, welche Anforderungen sie an die Software in ihren Produkten stellen und was sie von ihr erwarten. Dazu gehört aus Anwendersicht eine gute Robustheit und Diagnosefähigkeit, verbunden mit leichter und schneller Einarbeitung der Benutzer.
Aus der Sicht des Maschinenbauers werden kurze Entwicklungszyklen, schnelle Inbetriebnahme des Produkts, einfache Testbarkeit, Erweiterbarkeit und Wiederverwendbarkeit genannt. „Wir müssen in der Software Plattformen schaffen, ähnlich wie in der Autoindustrie“, forderte Hutterer.
Wünschenswert, so zeigte sich auf dem Forum in München, wäre eine durchgängige Unterstützung der Engineering-Prozesse durch eine Reihe aufeinander abgestimmter Softwarewerkzeuge. Das scheint in der Branche jedoch noch nicht befriedigend gelöst zu sein. Insbesondere das Thema Requirements Management harrt für so manchen Anwender weiter einer Lösung. „Unsere Kunden wollen kein Stück Stahl und Eisen, sondern eine Applikation, eine Problemlösung“, resümierte Plewa. „Daher erwarte ich, dass ein Tool-Anbieter sich mit den Prozessen seiner Kunden ebenso auseinandersetzt wie wir mit unseren Kunden.“
Ein Beitrag von: