Hängende Gärten – gefertigt mit KI und vier Robotern
Berühmtes Vorbild sind die aus der Antike bekannten hängenden Gärten der Semiramis. Den Nachbau, eine 22,5 Meter hohe bepflanzte Skulptur, übernehmen Roboter. Eine Forschergruppe der ETH Zürich setzt dabei künstliche Intelligenz und vier miteinander vernetzte Roboter ein.
Die Aufgabe, die sich Forschende aus der Gruppe der ETH-Architekturprofessoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler gemeinsam mit den Unternehmen Müller Illien Landschaftsarchitekten, Timbatec und weiteren Partnern aus Industrie und Forschung gestellt haben, ist nicht einfach: Fünf geometrisch komplexe Holzschalen, insgesamt 22,5 Meter hoch, die leicht zueinander vernetzt angeordnet sind und von acht schlanken Stahlstützen getragen werden. Als Vorbild haben sie sich die aus der Antike bekannten hängenden Gärten der Semiramis ausgesucht.
Fast wie ein Mensch: Roboterhand packt zu!
Die mit innovativen, digitalen Methoden gefertigte architektonische Skulptur soll im Tech Cluster Zug Verwendung finden. Dahinter verbirgt sich die Idee, auf dem Areal des Unternehmens V-Zug AG in der Stadt Zug in der Schweiz ein Innovationsquartier zu schaffen. Das Projekt steht unter der Trägerschaft des Unternehmens Metall Zug AG.
Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten mit KI und vier Robotern
Geht es darum, die unterschiedlichen Anforderungen an ein Gebäude oder eine Struktur zu berücksichtigen, passen Architektinnen und Architekten im Rahmen eines klassischen Entwurfsprozesses diese so lange an, bis alle optimal erfüllt sind. Bei dem Projekt Semiramis entschied man sich bewusst für einen ganz anderen Weg: Ein maßgeschneiderter Machine-Learning-Algorithmus kam zum Einsatz – entwickelt in Kooperation mit dem Swiss Data Science Center. Der Vorteil: Er eröffnet den Forschenden vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten. „Das Computermodell ermöglicht es uns, den konventionellen Gestaltungsprozess umzukehren und den gesamten Gestaltungsspielraum für ein Projekt zu explorieren. Dadurch entstehen neue, oft überraschende Geometrien“, sagt Matthias Kohler, Professor für Architektur und digitale Fabrikation an der ETH Zürich.
Auf dem Campus Hönggerberg haben die Forschenden in dem sogenannten „Immersive Design Lab“, einem Labor für erweiterte Realität, die Entwürfe gemeinsam dreidimensional erkundet und in Echtzeit daran weitergearbeitet. Zusätzlich nahmen sie eine Software zu Hilfe, mit der sie die Entwürfe der Holzschalen relativ einfach anpassen konnten. Sobald die Forschenden einen einzelnen Punkt innerhalb der Geometrie einer Schale veränderten, passte die Software automatisch die gesamte Geometrie auf diese Veränderung hin an. Und die Schalen bestehen immerhin aus rund 70 Holzplatten. Zugleich kann die Software auch die relevanten Parameter der Fertigung berücksichtigen. Dazu zählen zum Beispiel das maximal mögliche Gewicht einer Platte. Auf diese Art und Weise erstellt sie immer die effizienteste und belastbarste Konfiguration. Entwickelt hat diese Software das Computational Robotics Lab der ETH.
KI lässt Roboterarme tanzen
Nachdem die Forschenden verschiedene Varianten ausprobiert haben, sind sie am Ende zu dem optimalen Entwurf gelangt. Dieser soll nun im robotischen Fertigungslabor der ETH Zürich umgesetzt werden. Schaut man in dieses Labor, könnte man denken, dass hier vier Roboterarme auf präzise Art und Weise miteinander tanzen. Sie bewegen sich im gleichen Takt, nehmen die Holzplatte an, die ihnen zugewiesen ist und platzieren diese schließlich so im Raum, wie der Computerentwurf es vorgibt. Damit es zu keinen Zusammenstößen der Roboterarme kommt, berechnet ein Algorithmus die genauen Bewegungen. Sobald die Maschinen vier Platten nebeneinander platziert haben, verbinden Handwerkerinnen und Handwerker sie provisorisch miteinander. Danach werden sie mit einem besonderen Gießharz verleimt. Die Roboterarme bauen zwischen 51 und 88 Holzplatten zu einer fertigen Holzschale zusammen.
Die robotische Fertigung hat mehrere Vorteile – vor allem gegenüber der herkömmlichen Bauweise mit Holz. Das Heben schwerer Teile übernimmt hier der Roboter. Er ist auch in der Lage, die Teile viel genauer zu positionieren. Normalerweise benötigt man zum Montageprozess spezielle Unterkonstruktionen. Auf diese kann verzichtet werden, was den Aufwand minimiert und weniger Ressourcen verbraucht. Das Projekt in Zug soll bis zum Frühjahr 2022 fertig sein. Die einzelnen Schalen werden deshalb aktuell per Lastwagen nach Zug gebracht. Nach der Fertigstellung folgt die Bepflanzung, damit im Sommer 2022 die hängenden Gärten Besucherinnen und Besucher begeistern können.
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