In Echtzeit miteinander vernetzt
Mithilfe eines cyberphysischen Ansatzes verbinden Forscher Komponenten und Prüfstände in ganz Deutschland. Damit gelingt erstmals ein realitätsnahes, vernetztes Prüfen. Gleichzeitig können Entwicklungskosten und -zeit um bis zu 15 % reduziert werden.
Ein Elektroauto besteht aus zahlreichen einzelnen Teilen und Komponenten. Sie werden in ganz Deutschland sowie im Ausland gefertigt. Ihren Status sowie die dazugehörigen Prüfergebnisse benötigt man an vielen Orten – und zumeist auch zeitgleich. Es entstand die Idee, Komponenten und Prüfstände standortübergreifend in Echtzeit miteinander zu vernetzen. Damit sollen am Ende zeitliche, finanzielle und logistische Aufwände reduziert werden. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) arbeiteten gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft drei Jahre lang an diesem Projekt namens „TechReaL“, das auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wurde – konkret für einen elektrischen Pkw-Antriebsstrang inklusive Traktionsbatterie .
Lösung aus real existierendem System und virtueller Umgebung
Die Wissenschaftler bedienten sich bei der Lösung zwei verschiedener technischer Grundlagen: eines standortübergreifenden VPN-Netzwerks und der Hardware-in-the-Loop-Technologie (HiL). Mit dem Netzwerk gelang es, zwei Anforderungen zugleich zu erfüllen: Einerseits sollte es die multilaterale Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Punkten sicherstellen, andererseits musste das firmeneigene Hauptnetzwerk vor einem ungewollten Zugriff von außen geschützt sein. Die HiL-Technologie half dabei, ein real existierendes Teilsystem und dessen Prüfstand in eine virtuelle Umgebung einzubinden. „Eine realitätsnahe Prüfung kann auf diese Weise erfolgen, da das zu testende Teilsystem unter denselben Bedingungen wie im Gesamtsystem eingebunden ist. Die virtuelle Umgebung simuliert hierbei die restlichen fehlenden Teilsysteme des Gesamtsystems“, sagt Eva Stelter, die das Verbundprojekt „TechReaL“ am Fraunhofer LBF federführend betreut.
Mithilfe der klassischen HiL-Technologie wären die Forscher allerdings nicht weiter gekommen, da mehrere reale Komponenten geprüft werden, nicht nur eine einzige. Sie erarbeiteten deshalb eine innovative Erweiterung dieser Technologie, die genau das abbilden konnte. Der geschlossene Signalaustausch dazu findet über das Internet statt. Somit gelang es, die Prüfung der realen Komponenten virtuell zu ergänzen, so dass ein Gesamtsystem entstand. Es läuft in Echtzeit gleichzeitig an mehreren Standorten. Diese Lösung bezeichnet man als cyberphysisches System. Es verbindet elektromechanische Komponenten mit Software und dem Internet.
Mit digitalem Zwilling Fehlerquoten reduzieren
Bei einer Kommunikation über das Internet muss man mit schwankender Übertragungsqualität rechnen. Das kann in diesem konkreten Fall Signalverzögerungen verursachen. Innerhalb des Projektes zeigte sich, dass solche Latenzen deutlich länger sind, als die Datenaustauschrate, welche die Dynamik des gesamten HiL-Systems benötigt. „Latenzen beeinträchtigen die Ergebnisgüte und können bis zu einem Ausfall der Simulation und Prüfung führen. Zur Lösung dieser Herausforderung haben wir am Fraunhofer LBF eine Methodik entwickelt, die auf digitalen Zwillingen aufsetzt“, erklärt Eva Stelter.
Ein digitaler Zwilling enthält alle Informationen eines realen Gegenstandes – vereinfacht ausgedrückt. Dieser entsteht hier aus einem Simulationsmodell des Prüflings und einer Identifikationsstrategie der zugehörigen Modellparameter. Die Wissenschaftler ließen die Prüfung des Originalteils parallel zur Simulation des digitalen Zwillings ablaufen. Auf diese Art und Weise lassen sich Austauschsignale zwischen den Komponenten prognostizieren und einen kontinuierlichen Datenaustausch und Prüfablauf sicherstellen. Damit man die Qualität der Schätzung wieder herstellen kann, wird anschließend der digitale Zwilling mithilfe aktuell gemessener Signale an der realen Komponenten aktualisiert.
Vernetzte Prüfung der Hochvolt-Batterie war erfolgreich
Die Kombination, welche die Wissenschaftler in diesem konkreten Fall erarbeiteten, erprobten sie erfolgreich in vernetzten Prüfungen bei der Hochvolt-Batterie im Zusammenhang mit den Tests anderer Antriebsstrangkomponenten und der Gesamtfahrzeugsimulation. Als messbare Größe diente dabei das Spannungssignal aus der Batterie, das zuerst ausgewertet und dann an anderen Standorten als Eingangsgröße verwendet wurde. Bei der Messung der Latenzzeit in der Kommunikation stellten die Wissenschaftler vorher Fehler in Höhe von 15 Prozent fest. Mit der neu entwickelten Methode ließ er sich auf 0,1 Prozent reduzieren. Im Rahmen des Projektes „TechReaL“ gelange es, weitere echtzeitfähige partnerübergreifende Simulationsmodelle für das cyberphysische Prüfen zu entwickeln. Darüber hinaus arbeiten die Forscher in diesem Rahmen an weiteren zukunftsträchtigen Ideen.
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