Industrieroboter: Hersteller nehmen neue Branchen ins Visier
Die Botschaft der Aussteller auf der Messe Automatica, vorige Woche in München, war deutlich. In einem Satz zusammengefasst lautete sie: Wir können viel mehr als Automobilproduktion. Anwendungsvielfalt wächst und Einstiegsbarrieren fallen. Allerdings wird auch zunehmend Wettbewerb aus China erwartet.
Unter dem Begriff „General Industry“ fassen Hersteller von Industrierobotern alle Anwendungen außerhalb der Automobilindustrie zusammen. Solche Anwendungen waren es, die die 5. Automatica vom 22. bis 25. Mai zur vielseitigsten Veranstaltung ihrer Historie machten. Damit setzten die Organisatoren, der Verein Deutsche Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und die Messe München inhaltlich ein Signal in Richtung derjenigen, die die Messe für überflüssig halten.
Bei einer Diskussionsrunde der IFR International Federation of Robotics machten Topmanager der größten Roboterhersteller auf der Automatica deutlich, dass die Automobilindustrie zwar weiter der größte Wachstumstreiber der Branche ist, man sich aber zunehmend anderen Branchen öffnet.
John Dulchinos, CEO von Adept, USA, stellte dazu fest: „Keine andere Branche bestellt Einheiten von 500 Stück auf einmal.“ In den USA, wo die IFR 2011 ein Absatzwachstum von 43 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnete, hätten insbesondere Investitionen aus der Automobilindustrie für den Erfolg gesorgt. Parallel zur Zunahme der Fabrikautomation sei in den USA zudem ein Trend zur Rückverlagerung von Produktion aus China zu erkennen, hob Dulchinos hervor, weil die Robotik Produktionskosten nivelliere.
Automobilbranche ist der größte Abnehmer für Industrieroboter
Auch der Blick auf die globalen Absatzzahlen der IFR macht das deutlich. Von den 165 000 weltweit im Jahr 2011 verkauften Industrierobotern ging der mit Abstand größte Anteil in die Automobilindustrie, gefolgt von der Elektro- und Elektronikbranche sowie mit weiterem Abstand von Chemie- und Kunststoffindustrie, Metallbearbeitung und Lebensmittelbranche. Das stellt die Hersteller vor neue Herausforderungen. „In keiner anderen Industrie gibt es so gute Infrastrukturen für den Einsatz von Robotern wie in der Automobilindustrie“, so Dulchinos. Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Roboter für neue Anwenderbranchen flexibler werden.
Ähnlich äußerte sich auch Per Vegard Nerseth, Leiter von ABB Robotics mit Sitz in der Schweiz: „Unsere zentrale Herausforderung ist es, die Roboter für solche Branchen einfacher zu machen und damit noch benutzerfreundlich.“ Einen weiteren Aspekt brachte dazu Yoshikatsu Minami, Geschäftsführer der Robotics Division bei Yaskawa aus Japan ins Gespräch: „Wir brauchen Ingenieure, die die Anforderungen der jeweiligen Anwenderbranchen beherrschen.“ Denn diese Branchen bräuchten gegenüber den gut ausgebildeten Anwendern in der Automobilindustrie noch zusätzliche Unterstützung bei der Realisierung von Roboterlösungen.
Zahl der General Industry-Kunden steigt
Olaf Gehrels, Präsident von Fanuc Europe aus Luxemburg und Vertreter des Weltmarktführers aus Japan, fügte hinzu: „Die Zahl der Kunden aus der General Industry steigt derzeit viel stärker, als es die Absatzzahlen wiedergeben, denn diese Kunden kaufen zunächst einen oder auch mal zwei Roboter.“ Die neuen Anwender seien aber als Multiplikatoren zu sehen. Für sein Unternehmen sieht Gehrels dabei derzeit das größte Wachstumspotenzial in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie.
Als weitere wichtige Absatzbranche wurde die Elektronikfertigung, aber auch der Werkzeugmaschinenbau genannt. Manfred Gundel, Geschäftsführer von Kuka Roboter in Augsburg, sagte dazu: „Wir haben immer mehr Roboter zum Be- und Entladen von Werkzeugmaschinen im Einsatz. Außerdem können unsere Roboter mit einem CNC-Programm auch direkt zur Bearbeitung von Bauteilen eingesetzt werden.“
Industrieroboter: Automatica 2012 thematisiert Wachstumsmarkt China
Thema in München waren auch der Wachstumsmarkt China und die mögliche Konkurrenz aus China. Mit 51 % hatte China 2011 nach IFR-Zahlen das weltweit größte Wachstum beim Roboterabsatz erzielt. Insgesamt wurden voriges Jahr 22 600 Industrieroboter nach China geliefert. Spätestens 2014, so rechnet die IFR, werde China der weltweit größte Robotermarkt sein. Adept-CEO Dulchinos rechnete dazu vor, dass es dort, abgeleitet aus den Mitarbeiterzahlen in chinesischen Produktionsstätten, einen Bedarf an insgesamt 4 Mio. Robotern gibt. Dass chinesische Unternehmen in die Entwicklung einsteigen, sei daher eine logische Konsequenz. Als Grund für die zunehmende Automatisierung in China nannte Dulchinos die steigenden Produktionskosten in dem Land.
Seitens ABB erklärte Nerseth: „Die chinesische Automobilindustrie ist im globalen Vergleich noch nicht so stark automatisiert. Sie holt das aber gerade auf.“ Hinsichtlich Roboteranwendungen in der General Industrie bemerkte er: „In China ist der Markt sehr dynamisch und wir sehen für diese Branche ein ähnlich großes Interesse wie in Europa.“ ABB sei daher mit eigenen Produktions- und Entwicklungsstätten vor Ort, um den Markt zu bedienen. Zu Konkurrenz aus China sagte Nerseth: „Wir rechnen damit, dass sie sich eher auf weniger komplizierte Anwendungen konzentrieren werden.“
Fanuc-Präsident Gehrels zeigte auf der Automatica Sportgeist: „Die Chinesen sind für uns wichtige und zuverlässige Kunden. Sie halten uns auf Trab – und das ist auch gut so.“ Hinsichtlich der Ankündigung von Auftragsfertiger Foxconn, groß in die Roboterproduktion einzusteigen, stellte er fest: „Foxconn will damit Montagetätigkeiten realisieren. Wir wissen alle hier, dass das die komplizierteste Anforderung für die Robotik ist.“ Zudem folge in der Elektronikfertigung nach Produktionszyklen von etwa drei Monaten oft bereits schon wieder eine neue Produktgeneration. Ohne Erfahrung sei das kaum zu realisieren.
Ähnlich äußerte sich Kuka-Geschäftsführer Gundel: „Foxconn ist mit uns im Gespräch. Wir sehen das daher als Riesenchance, weil Foxconn zwar selbst entwickelt, aber Komponenten hinzu kauft.“ Da Foxconn andere Preisvorstellungen habe, rechne er damit, dass der Elektronikfertiger einfachere Automatisierungslösungen realisieren wolle, die ohnehin nicht in Konkurrenz zu Kuka-Robotern stehen würden.
Ausblick: Zahl neuer Roboteranwendungen wird bis zur Automatica 2014 zunehmen
Wie leicht zu bedienende und preisgünstige Roboter neuen Branchen den Einstieg in die Robotik erleichtern, zeigte auf der Automatica allerdings kein chinesischer Anbieter, sondern Universal Robot aus Dänemark. Vor zwei Jahren hatte das Unternehmen in München erstmals seinen Leichtbauarm UR5 für bis zu 5 kg Traglast vorgestellt. Inzwischen ist eine zweite Variante bis 10 kg im Programm. Ab etwa 20 000 € gibt es damit einen funktionsfähigen Industrieroboter. Das macht die Technologie interessant für Anbieter von Automatisierungslösungen. So zeigte z. B. die Attentra aus Tübingen mit ihren Partnern ein Komplettsystem, bestehend aus ihrer Bildverarbeitungssoftware, einer Zuführlösung von Reglotec und dem Roboter UR 5 von Universal-Robot-Partner WMV Robotics.
Durch die sinkenden Einstiegsbarrieren dürfte die Zahl neuer Roboteranwendungen bis zur nächsten Automatica 2014 deutlich zunehmen. Dann wird sich auch zeigen, ob die Anforderungen der Anwender steigen und inwiefern die etablierten Hersteller davon bei Anwendern aus der General Industry profitieren.
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