Ingenieure sorgen für Revolution im Medizinlabor: Roboter sortieren Tausende Proben automatisch
Im Universitätsklinikum Aalborg in Dänemark arbeiten neuerdings Roboter aus Augsburg: Die Maschinen unterstützen die dortigen Labormitarbeiter – und konnten eine Fehlerquelle aufdecken.
Auch abseits der Coronakrise können Mitarbeiter medizinischer Labore bisweilen an die Grenzen des Leistbaren stoßen. Die Entwicklung spezialisierter Roboter kann da Abhilfe schaffen. Ein Beispiel dafür ist das Labor des Universitätsklinikums Aalborg in Dänemark.
Täglich kommen bis zu 3.000 Blutproben im größten Krankenhaus der Region Nordjütland an. Die Proben sind für die unterschiedlichsten Untersuchungen vorgesehen, müssen also zunächst vorsortiert werden.
Roboter sortiert Patientenproben
Bislang passierte das manuell: Die Labormitarbeiter öffneten die Transportboxen, entnahmen die einzelnen Röhrchen mit den Blutproben und sortierten sie für die weitere klinische Analyse. Eine Aufgabe, die besondere Sorgfalt erfordert – aber auch monoton, zeitraubend und kräftezehrend ist. Wegen der hohen Zahl an Proben klagten die Klinik-Mitarbeiter oft über Verletzungen der Sehnen und Muskeln, die durch die repetitive Tätigkeit unnatürlich beansprucht werden.
„Wir wollten diesen Prozess automatisieren, um unsere Angestellten zu entlasten“, so Annebirthe Bo Hansen, Abteilungsleiterin im Universitätsklinikum Aalborg. Zwei dänische Unternehmen haben nun eine Lösung entwickelt: Ein Robotersystem, das die Sortierung übernimmt – und noch einen weiteren Vorteil bietet.
Der Roboter-Spezialist LT Automation implementierte die Robotik-Lösung. Der Softwareentwickler Intelligent Systems bastelte eine Software, mit der die Maschinen automatisch die Temperatur der Blutproben während des Transports überwachen können.
In der neuen automatisierten Sortieranlage arbeiten Roboter aus deutscher Produktion, wie der Augsburger Maschinenbauers Kuka mitteilt: Demnach sind in Dänemark zwei Kuka-Roboter aus der KR-Agilus-Baureihe, einer vom Typ KR 3 und einer vom Typ KR 10 verbaut.
Intelligente Transportboxen mit RFID-Logger
„Dass die Wahl auf Roboter von Kuka fiel, hatte mehrere Gründe“, erklärt LT Automation-Chef Lasse Thomsen. „Einerseits erfüllen die Roboter die notwendigen technischen Voraussetzungen. Andererseits entsprechen sie mit ihrem weißen Äußeren der Optik, die man in einem sterilen Umfeld erwartet.“ Gesteuert werden die Roboter über das Steuerungssystem “mxAutomation”. Ein Förderband führt die Transportboxen zu den durch Plexiglaswände abgeschirmten Robotern.
Die Transportboxen wiederum sind “intelligent”: Sie haben einen integrierten RFID-Datenlogger. Über den kann nicht nur der Transportweg der einzelnen Box nachverfolgt werden. Der Logger speichert darüber hinaus auch, welche Temperatur zu welcher Zeit im Inneren der Box geherrscht hat. Aus Laborsicht ein entscheidender Faktor, so Annebirthe Bo Hansen: „Um die Qualität der Blutproben zu gewährleisten, muss die Temperatur konstant 21 Grad Celsius betragen – plus minus 1 Grad.“
Jetzt konnten die Klinikum-Mitarbeiter feststellen, dass das bisher nicht immer gewährleistet war. „Die neue Technik hat uns geholfen, Fehlerquellen zu entdecken und zu beheben“, so Annebirthe Bo Hansen.
Roboter-Scanner erkennt Farben
Kommt eine Box mit Proben im Klinikum an, platziert sie eine Labormitarbeiterin auf das Band der neuen Roboteranlage. Ein RFID-Scanner liest derweil den Datenlogger aus. „Wenn der Scanner erkennt, dass die Temperatur einer Box zu irgendeinem Zeitpunkt auf ihrer Reise von der vorgeschriebenen Temperatur abgewichen ist, sendet er automatisch eine Information an den Roboter“, erklärt Lasse Thomsen. „Der Roboter schleust die betreffende Box aus der Anlage aus, so dass sie auf dem Arbeitsplatz des Labormitarbeiters landet.“ Der wiederum analysiert die Daten noch einmal genau und entscheidet dann, ob die betroffenen Blutproben verwendbar sind oder nicht.
Idee entstand im Klinik-Team
Weist der Datenlogger keine falschen Temperaturen auf, arbeiten die Roboter im Team: Der erste Roboter öffnet die Box, entnimmt die Blutproben und stellt sie zur Sortierung ab. Anschließend legt er den Deckel wieder auf die Box und schleust sie aus, damit sie für weitere Transporte verwendet werden kann.
Der zweite Roboter sortiert die ausgepackten Glasröhrchen dann anhand der Farbe ihrer Deckel, die er mithilfe eines Scanners erkennt. Die vorsortierten Proben werden dann am die Labormitarbeiter gegeben, die die eigentliche Blutuntersuchung durchführen können. Pro Box brauche die Anlage 1,5 Minuten und schaffe so bis zu vierzig Boxen in einer Stunde, heißt es bei Kuka.
Der Roboter soll dabei nicht etwa Mitarbeiter ersetzen, sondern unterstützen, so ein Sprecher von Kuka gegenüber INGENIEUR.de: “Die Idee für die Automatisierung kam sogar vom Krankenhauspersonal selbst. Die Blutproben mussten früher von Hand sortiert werden. Die Mitarbeiter haben sich die Schichten geteilt. Das hat teilweise bis zu 12 Stunden gedauert, war belastend für Hände und Handgelenke und natürlich auch fehleranfällig.”
Im Rahmen einer internen Ideenkampagne hätten die Mitarbeiter die Idee der roboterunterstützten Blutprobensortierung entwickelt. “Ihnen bleibt nun mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben.”
Im März 2019 wurde das neue System erstmals getestet, im August ging es in den Vollbetrieb. Bislang sei man „sehr zufrieden mit dieser Lösung“, so Annebirthe Bo Hansen.
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