Produktionsanlagen einfach auf neue Produkte umrüsten
Vereinfachungen bei der Systemintegration und Flexibilisierung von Produktionsanlagen stehen ganz oben auf der Wunschliste der Anwender an die Entwickler von Industrial-IT. Das spiegelte sich auch auf dem Jahreskolloquium „Kommunikation in der Automation“ in Lemgo wider, auf dem vorige Woche Forscher verschiedener Hochschulen und Industrieunternehmen über ihre neuesten Projekte berichteten.
Neben Themen wie „Welche Kommunikationstechniken eignen sich für welche Aufgaben?“ und „Wie kann man die Zuverlässigkeit der Anlagen deutlich verbessern?“ diskutierten die Teilnehmer des Jahreskolloquiums „Kommunikation in der Automation“ über Lösungen, die eine flexiblere Nutzung von Anlagen ermöglichen.
Dabei standen Plug-and-Play-Lösungen im Mittelpunkt, wie sie längst in der PC-Welt fürs Büro oder zu Hause Standard sind. „Ziel ist es, Anlagen wie über eine USB-Schnittstelle kommunikationstechnisch miteinander zu verknüpfen. Dabei werden ganz automatisch aus jeder Komponente die für die Steuerung notwendigen Informationen ausgelesen, sodass die Anlage in kurzer Zeit in Betrieb genommen werden kann“, erläuterte dazu Prof. Jürgen Jasperneite, Leiter des Instituts für industrielle Informationstechnik (inIT) an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo.
Produktionsanlagen müssen zukünftig mehrere Güter produzieren können
Das erleichtert nicht nur den Aufbau von neuen Produktionsanlagen, sondern ermöglicht auch eine flexiblere Nutzung. Wenn ein altes Produkt durch ein neues ersetzt werden soll, dann hat die bisherige Fertigungsanlage nicht ausgedient, sondern sie wird für das neue Produkt umgerüstet. „Da die Produktzyklen immer kürzer werden, rechnen sich Produktionsanlagen künftig nur, wenn auf ihnen mehrere verschiedene Güter hergestellt werden können“, verdeutlichte Jasperneite.
Dazu werden die Maschinen immer wieder neu zusammengestellt, miteinander verknüpft und durch fehlende Komponenten ergänzt. Damit die neu konfigurierte Anlage funktioniert, reicht es aber nicht, die Maschinen, die Hardware, physisch miteinander zu verknüpfen, sondern es muss auch ein neuer Informationsfluss aufgebaut werden, der eine durchgängige Steuerung des neuen Produktionssystems ermöglicht.
Bislang ist das aber nicht so einfach. Jasperneite: „Da fast jedes Gerät andere Kommunikationsschnittstellen besitzt, müssen aufwendig Anpassungen programmiert werden, bis ein durchgängiger Datenfluss vom Leitstand bis zu den Feldgeräten realisiert ist.“ Daher dauere der Umbau von Anlagen oft mehrere Tage und sei immer noch recht teuer.
inIT-Forscher entwickeln Kommunikationslösung für Produktionsanlagen
Das könnte sich bald ändern. Die Forscher am inIT haben eine Kommunikationslösung entwickelt, mit der ein durchgängiger Informationsfluss sicher gestellt werden kann, ohne dass aufwendige Anpassungen notwendig würden. Die Komponentenhersteller müssten dafür künftig nur ein kleines Softwareprogramm auf die Datenchips ihrer Produkte speichern, das ein Auslesen der gespeicherten Informationen über den OPC-UA-Standard ermöglicht.
Dieser offene Standard wird bereits erfolgreich für den Datenaustausch in der Automation genutzt – bislang aber nur in PC-basierten Systemen. Da die Software des sogenannten Kommunikations-Stacks, die von den Lemgoer Forschern entwickelt wurde, nur rund 10 Kbyte an Speicherplatz benötigt, können mit ihr sogar kleinere Feldgeräte und Mikrocontroller ausgestattet werden. Ein weiterer Vorteil des OPC-Standards: Er ist kompatibel mit verschiedenen Ethernet-Systemen und WLAN.
„Damit haben wir eine fast grenzenlose Flexibilität erreicht“, zeigte sich Jasperneite erfreut. Denn das bedeute, dass künftig ohne Programmieraufwand sowohl Anlagen sehr schnell umgebaut als auch bei der Wartung der Anlagen schnell und mit wenig Aufwand winzige Sensoren oder Microcontroller ergänzt bzw. erneuert werden könnten.
inIT präsentiert Kommunikationslösung für Produktionsanlagen auch auf der SPS/IPC/Drive
Um zu zeigen, dass dies funktioniert, haben die Lemgoer Entwickler eine App (Applikation) für Android-Smartphones entwickelt, mit der Servicetechniker bei der Instandsetzung defekte Bauteile identifizieren können, die zu einem Ausfall der Anlage geführt haben.
Hans-Jürgen Koch, Leiter der Geschäftseinheit Control Systems bei Phoenix Contact, ist sich sicher, dass die Lösung des inIT gute Chancen für eine schnelle Realisierung hat. „Der Ansatz ermöglicht erstmals den Aufbau flexibler Produktionsstrukturen, wie sich unsere Kunden das wünschen“, so Koch, der sich auf der Veranstaltung in Lemgo von der Praktikabilität des Ansatzes überzeugt hat.
Nach dem positiven Echo bei der Präsentation in der eigenen Modellfabrik wird das inIT die Kommunikationslösung nun auch auf der SPS/IPC/Drive in Nürnberg auf dem Stand der OPC-Foundation einem breiteren Publikum vorstellen.
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