Produktion 13.01.2012, 12:02 Uhr

Roboter geben Rotorblättern den Feinschliff

Die Windindustrie schraubt die Dimensionen von Turbinen kontinuierlich in die Höhe. Vor allem offshore setzen die Betreiber auf Rotoren mit mehr als 60 m Blattlänge – Tendenz steigend. Mit der Leistung wachsen auch die Anforderungen an die Hersteller.

„Der Mensch kommt an seine physikalischen Grenzen.“ So beschrieb Jens Kulenkampff kürzlich auf der Konferenz „Wind Turbine Blade Manufacture“ in Düsseldorf den Status quo in der Produktion von Rotorblättern für die Windindustrie. Der Gruppenleiter Prozesstechnik in der Rotorblattentwicklung von Repower, Hamburg, konstatierte angesichts stetig wachsender Rotorlängen: „Früher konnte ein Arbeiter bequem über das Blatt greifen. Bei Tiefen von 5,5 m ist das nicht mehr möglich.“

Rotorblätter-Produktion per Hand wird zur körperlichen Belastung

Die Lösung des Problems in seinen Augen: die Automatisierung der Rotorfertigung. Bereits heute übernehmen laut Kulenkampff Roboter die Gurtablage sowie die Oberflächenbearbeitung der Rotorblätter. „Das Schleifen des Rotors im Finishing wird aufgrund von Vibrationen und ungünstigen ergonomischen Bedingungen zur körperlichen Belastung“, begründete der Experte für Prozesstechnik.

Zudem entstünden in einem händischen Prozess mit vielen Beteiligten – wie der Oberflächenbearbeitung – starke Schwankungen in den Arbeitsergebnissen. Eine Prozessautomatisierung empfehle sich deshalb an Stellen, die besonders kritisch sind und zugleich eine hohe Wiederholgenauigkeit erfordern.

Davon ist auch José Ángel Navarro, Chef des Entwicklers von Automatisierungstechnik Idpsa, Madrid, überzeugt. „Die Automatisierung der Rotorherstellung steigert die Qualität. Gleichzeitig sinken Produktionszeit und -kosten deutlich“, erklärte der Robotikexperte. Idspa habe für die Blattfertigung ein Robotiksystem entwickelt. Beispielhaft habe man damit für ein 40 m langes Blatt die Dauer der Oberflächenbearbeitung von 150 h auf 10 h reduzieren können – das entspricht 93 % Zeitersparnis.

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Automation der Rotorblätter-Produktion würde Herstellern Nachweis im Schadensfall erleichtern

Der Schlüssel zum Erfolg: Vielseitigkeit. „Automatisierungstechnik erlaubt die Integration mehrerer Fertigungsschritte in einen Prozess“, betonte Navarro. So sei es möglich, mit einem Roboter durch Wechseln des Werkzeugkopfes nacheinander zu schleifen, zu fräsen, zu bohren und zu vermessen. Über die Messergebnisse sei überdies eine vollständige Rückverfolgbarkeit der Produktionsdaten gewährleistet. Im Schadensfall ermögliche die Kenntnis des Blattzustands im Zeitverlauf den Herstellern nachzuweisen, dass das Rotorblatt in einwandfreiem Zustand übergeben wurde.

Das Unternehmen Idpsa verwendet nach eigenen Angaben eine Trommelschleifmaschine und einen dreiköpfigen Schwingschleifer. Mit diesen und einem eigens entwickelten Führungssystem lasse sich eine Genauigkeit von etwa 1 mm erreichen und damit eine wesentliche Forderung der Windindustrie erfüllen. „Exakte Maßhaltigkeit und geringe Rautiefen sind unabdingbar, damit Beschichtungen aufgebracht werden können. Oberflächenbearbeitung war daher nie wichtiger als heute“, sagte Navarro.

Die zentrale Bedeutung von Beschichtungen – den Coatings – unterstrich Repower, das hier zudem Potenziale für die Automatisierung sah. „Die Schichtdicke der Coatings ist wesentlich für die Qualität des Blattes und kann mithilfe automatisierter Systeme deutlich besser gesteuert werden als von Hand“, erklärte Kulenkampff in Düsseldorf.

Bei der Beschichtung sah auch Frank Weise, Geschäftsführer von Vestas Blades, Lauchhammer, den Einsatz vollautomatischer Technik gerechtfertigt – steigen doch die Anforderungen an die Oberflächenqualität mit zunehmender Blattlänge und -geschwindigkeit. „Klassische Gelcoats kommen an ihre Leistungsgrenze, sobald außergewöhnliche Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung und erhöhte Sand- und Säureanteile in der Luft hinzukommen“, sagte Weise.

Den Einsatz von Robotern zur mechanischen Bearbeitung der Blattkontur und -oberfläche beurteilte er hingegen kritisch, solange ein Hersteller nicht die formgebenden Prozesse vollständig beherrscht. „Der Einsatz eines Robotorsystems bedingt hohe Ansprüche hinsichtlich Form- und Lagetoleranzen des Blattes. Diese sind naturgemäß nur mit einigem Zeitaufwand zu erfüllen“, betonte Weise auf der Konferenz.

Experte: Rotorblätter-Fertigung lässt sich bislang nicht vollständig automatisieren

Die Grenzen robotergestützter Fertigung verdeutlichte auch Kulenkampff: „Trotz der wachsenden Zahl der Einsatzfelder für Robotertechnik kann man bislang nicht alle Schritte der Rotorfertigung automatisieren. Noch fehlen wichtige Bausteine,“ so der Experte für Prozesstechnik. Die Glasfaserablage in der Hauptform etwa erfolge noch händisch. Zwar bestehen nach Angaben von Repower Parallelen zu „tape laying“-Verfahren aus der Flugzeugproduktion. Die in der Windindustrie benötigten Durchsätze von mehreren Tonnen pro Tag könne man aber auf diesem Wege nicht erzielen – zu lang seien einige Rotorblätter.

Kulenkampffs Fazit: Die enormen Dimensionen von Windenergieanlagen stehen einer 1:1-Übertragung von Verfahren aus anderen Industriezweigen häufig im Weg. Die wachsende Größe der Bauteile ist der stärkste Treiber und die größte Herausforderung der Automatisierungstechnik zugleich – so formulierte er das Dilemma.

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Modulare Produktion von Rotorblättern haben ihren Preis

Abhilfe könne die komponentenweise Herstellung schaffen. „Die modulare Fertigung ist eine entscheidende Frage für die Windindustrie“, urteilte Kulenkampff.

In diese Richtung denkt auch Weise. „Sollten irgendwann Blätter modular aufgebaut sein, dann würde das den Transport der einzelnen Komponenten sehr erleichtern“, so der Geschäftsführer von Vestas Blades. Dies sei angesichts angestrebter Blattlängen im Offshorebereich von 80 m bis 90 m bedeutsam.

Doch der Zugewinn an Transportmöglichkeit und der mögliche Technologietransfer aus der Luftfahrtindustrie durch modulare Fertigung haben nach Ansicht von Kulenkampff ihren Preis. Denn die positiven Eigenschaften der im Rotorblatt verbauten faserverstärkten Kunststoffe – hohe Zugfestigkeit und Steifigkeit bei geringem Gewicht – entfalten sich nur, wenn die Faser in Lastrichtung nicht unterbrochen ist. „Nieten und Schrauben sind deshalb keine fasergerechten Lösungen für die Verbindung der Module“, erläuterte Kulenkampff.

Daher sei die modulare Fertigung bislang nicht realisiert worden. Kulenkampff: „Die komponentenweise Rotorblattfertigung bleibt ein großes Ziel der Windindustrie.“

Ein Beitrag von:

  • Iestyn Hartbrich

    Iestyn Hartbrich

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Werkstoffe, Metallurgie, Maschinenbau, Automation, Luft- & Raumfahrt, Reportagen

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