Roboter und Bakterien stellen im 3D-Druck nachhaltige Kleidung her
Schuhe, T-Shirts, Hosen und Co. landen immer schneller auf dem Abstellgleis und produzieren riesige Müllberge. Forschende haben sich Gedanken über nachhaltige Mode gemacht. Das Ergebnis: Roboter und Bakterien fertigen dreidimensional Kleidung und reparieren sie kostengünstig.
Schuhe und Hosen entstehen dreidimensional aus Bakterien, ein Roboter repariert Löcher in Jacken und verleiht ihnen unter Anleitung einer Designerin oder eines Designers einen modernen Look – und das zu einem geringen Preis. Ein Forschungsteam aus Linz, bestehend aus Expertinnen und Experten für Mode und Technologie, kreative Robotik sowie Biomechatronik, will mit neuen Denkansätzen und innovativen Technologien eine nachhaltige Revolution in der Modeindustrie anstreben.
Änderungen in der ressourcenintensiven Textilbranche notwendig
Fair Fashion, Slow Fashion und lokale Produktion sind zentrale Konzepte im Kampf gegen die Textilmüllproblematik. Diese Ansätze fordern nicht nur Umweltschützer, sondern auch neue EU-Richtlinien, die auf eine nachhaltige Entwicklung der globalen Textilwertschöpfungskette abzielen. Zu Beginn der Fashion Week in Berlin am 5. Februar protestierte Greenpeace mit einem 3,5 Meter hohen und 12 Meter breiten Berg aus Textilmüll am Brandenburger Tor gegen die „Fast Fashion-Kleidung“, die zudem häufig noch Kunststoffanteile enthält, die sich zu Mikroplastik zersetzen.
Christiane Luible-Bär, eine erfahrene Modedesignerin, erinnert sich an ihre Forschungsarbeit in Genf 2007: Als junge Wissenschaftlerin versuchte sie, mit 35 Industrie- und Wissenschaftspartnern einen Anzug mithilfe eines Roboters zu nähen. Doch die Komplexität der Materialien und Schnitte, vor allem bei unterschiedlichen Körperformen, ließ das Projekt scheitern. Bis heute bleibt die Automatisierung auf die Herstellung einfacher Kleidungsstücke wie T-Shirts beschränkt. Komplexere Kleidungsstücke werden weiterhin in Billiglohnländern personalintensiv und mit herkömmlichen Nähmaschinen produziert.
Lösung gegen weniger Textilmüll ist dreidimensional
Johannes Braumann, Forscher im Bereich Creative Robotics an der Kunstuniversität Linz, sieht deutliche Parallelen zwischen Mode und Architektur. Er betont, dass in beiden Feldern Nachhaltigkeit, Automatisierung und individuelle Produktion in kleinen Serien zentral sind. Sein Forschungsteam geht dabei einen innovativen Weg: Statt vorhandene Prozesse lediglich zu automatisieren, will es diese von Grund auf neu gestalten.
Dieser Ansatz der kreativen Robotik war Herzstück des PEEK-Projekts „Fashion and Robotics“, finanziert durch den Wissenschaftsfonds FWF. Ziel des Projekts, das von Luible-Bär geleitet wird, ist es, die herkömmliche Textilherstellung zu revolutionieren. Anstelle der Optimierung bestehender Verfahren mit Textilien und zweidimensionalen Schnitten konzentriert man sich auf die Entwicklung von 3D-Prozessen und neuen Materialien für die Modebranche.
„Wir wollten damit eine neue Herangehensweise zeigen und vom alten Denken ,Ich brauche ein Textil, einen Schnitt und eine Nähmaschine‘ wegkommen“, erklärt Projektleiterin Luible-Bär. Im ersten Schritt startete das Team startete mit Robotern, die mittels 3D-Druck Kleidung herstellen können. Zudem wurden Roboterarme entwickelt, die dreidimensional schneiden und nähen können.
Neue Art des Löcherstopfens
Während der vierjährigen Projektlaufzeit gewann die Diskussion um nachhaltige Mode zunehmend an Bedeutung. Das interdisziplinäre Team suchte nach innovativen Ansätzen und entwickelte das Electro-Spinning-Verfahren für Textilreparaturen als Alternative zum herkömmlichen Flicken. Braumann erklärt das folgendermaßen: „In einem Hochspannungsfeld wird von einem Roboterarm ein Polymer auf die zerrissene Stelle eines Kleidungsstücks gesprüht, dieses bildet Nanofasern und die verbinden sich mit dem Textil.“
Ziel ist es, mit dieser Technologie die Reparaturkosten auf rund zwei Euro zu senken und damit die Reparatur attraktiver und leistbarer zu machen. Derzeit ist ein Neukauf oft günstiger. Braumann betont auch die logistischen Vorteile: Der Roboterarm kann sowohl in großen Fabriken für die Massenproduktion als auch in urbanen Mikro-Fabriken eingesetzt werden.
Zudem eröffnet die Technik neue Möglichkeiten für das 3D-Redesign: In Änderungsschneidereien könnten Designer gemeinsam mit dem Roboter Kleidungsstücke an aktuelle Modetrends anpassen. Das fördert die Langlebigkeit der Kleidung und trägt zur Entwicklung neuer Berufsfelder bei. Christiane Luible-Bär von der Kunstuniversität Linz unterstützt diesen Ansatz und möchte ihren Studierenden neue Perspektiven aufzeigen.
Schuhe und Hosen wachsen mithilfe einer Nährlösung
Über den 3D-Druck hinaus strebte das Kreativteam nach Nachhaltigkeit in der Mode. Gemeinsam mit Werner Baumgartner vom Institut für Medizin- und Biomechatronik der Johannes Kepler Universität Linz entwickelten sie eine innovative Methode: Erstmals wurden 3D-Hosen und -Schuhe nicht durch Zuschneiden und Nähen von Textilien, sondern durch Wachstum aus Bakterienkulturen hergestellt.
Diese Biomaterialien wachsen dreidimensional um Formen wie Schuhleisten, die so gestaltet sind, dass die fertigen Schuhe abgenommen werden können. Ein wichtiger Aspekt des Verfahrens ist der Einsatz eines Roboters, der als „Ernährer“ der Bakterien fungiert, indem er ihnen kontinuierlich eine Nährlösung zuführt – eine Aufgabe, die er laut Luible-Bär zuverlässiger als ein Mensch erledigen kann. Diese Innovation, die Teil des künstlerisch-wissenschaftlichen Projekts PEEK ist, wurde zum Patent angemeldet.
Wieviel Automatisierung braucht es?
Der kreative Blick auf Industrieprozesse möchte bestehende Perspektiven verändern, erklärt Braumann. Während die Industrie oft auf Vollautomatisierung ausgerichtet ist, hinterfragen Kreative den Grad der benötigten Automatisierung und betonen die Bedeutung des Handwerks. Zum Beispiel kann in großen Fabriken eine KI nützlich sein, um Kleidungsstücke zu scannen und Reparaturstellen zu identifizieren. In einer Änderungsschneiderei hingegen wäre eine KI überflüssig. Hier kann ein Mensch die beschädigte Stelle markieren, die dann von einem Roboterarm mittels Electro-Spinning kostengünstig repariert wird.
Luible-Bär ergänzt, dass neben der Nachhaltigkeit auch der kreative Aspekt im Projekt eine wichtige Rolle spielt. PhD-Studierende mit einem künstlerischen Schwerpunkt führten Experimente zur Interaktion zwischen Roboter, Textil und Raum durch. Dabei stellten sie Fragen wie: „Wer ist der Akteur?“ Solche Überlegungen sind zukunftsweisend, da sie die Rolle von Robotern ergründen: Sind sie Helfer oder Co-Kreateure? Was erwarten wir uns von Robotern und wie wollen wir Menschen in Zukunft mit Maschinen zusammenarbeiten?
C&A stellt Jeans mit dem Roboter her
Fair produzierte Jeans und Bekleidung in Europa gewinnen zunehmend an Bedeutung gegenüber Produkten aus Fernost mit zweifelhaften Arbeitsbedingungen. Dieser Trend zur Verlagerung der Produktion näher an die Absatzmärkte bringt Vorteile wie Zeit- und Kosteneinsparungen sowie einen positiven Beitrag zum Umweltschutz.
Ein Beispiel dafür ist das Modeunternehmen C&A, das in seiner „Factory for Innovation in Textiles“ (FIT) seit Ende 2022 mithilfe fortschrittlicher Technologien nachhaltige Mode fertigt. In Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen, plant C&A zunächst eine Jahresproduktion von 400.000 Jeans, mit dem Ziel, diese Zahl auf 800.000 zu steigern. Für die Realisierung dieses Projekts kooperiert C&A mit verschiedenen Partnern wie der Hochschule Niederrhein, der Textilakademie NRW, der RWTH Aachen und Start-Up-Unternehmen wie robotextile.
Ein Beitrag von: