Roboterbiene soll mit Pferdehaar und Gel Blüten bestäuben
Richtiger Blümchensex geht anders. Doch die stark bedrohten Bienen kommen mit dem Bestäuben nicht mehr hinterher. Jetzt naht Hilfe. In Form winziger Robotern. Nun also auch Natur 4.0?
Summt da eine echte Biene oder höre ich eine Minidrohne? Noch müssen wir uns diese Frage im Garten nicht stellen. Obwohl es sie schon gibt, die künstliche Biene, die bestäuben kann. Ein Forscher aus Japan hat sie entwickelt. Pferdehaare und ein klebriges Gel spielen eine wichtige Rolle.
Bestäuben ist ein Wirtschaftsfaktor
Die Sache mit dem Bienensterben ist nicht nur bei Tierschützern ein Thema. Auch die Wirtschaft treibt es um: Der Nutzen der Bestäubung ist enorm: Allein in Deutschland soll die Wertschöpfung der Bestäubung durch Bienen 1,6 bis 2 Milliarden Euro pro Jahr betragen – weltweit sind es 200 Milliarden Euro. Bienen bestäuben rund 80 % unserer Nutz- und Wildpflanzen. Ein Drittel unserer Nahrungsmittel hängt direkt von der Bestäubung durch Insekten an, vor allem von Bienen.
Im Labor Lilien bestäuben
Was jetzt gerade in einem japanischen Labor passiert, kann da nur ein Anfang sein. Dort werden Lilienblüten durch Bienendrohnen bestäubt. Im Durchmesser nur 4,2 cm groß und 14,8 g leicht summen die Drohnen am National Institute of Industrial Science and Technology (AIST) in Osaka. Angetrieben werden die kleinen Maschinen von vier Propellern. Chemiker Eijiro Miyako führte mit den Quadcoptern eine Machbarkeitsstudie durch. Die Idee zu den Roboterbienen kam ihm zufällig.
Gel zieht Pollen an
Als Miyako vor zwei Jahren aus seinem Labor ausziehen musste, fand er in einem Schrank eine unverschlossene Flasche. Darin eine klebrige Flüssigkeit. Acht Jahre alt und übrig geblieben aus einer Testreihe, bei der es um die elektrische Leitfähigkeit von Flüssigkeiten ging.
Das Produkt, entstanden aus einer Polymerisation von Imidazol durch Acryl, hatte sich als nicht leitfähig und damit für den damaligen Zweck als uninteressant erwiesen. Fortan geriet die Flasche samt Inhalt in Vergessenheit. Bis Miyako sie beim Aufräumen wieder in Händen hielt.
„Ich habe bemerkt, dass die Gele Staub gesammelt haben. Das brachte mich auf die Idee, dass sie vielleicht auch Pollen anziehen könnten.“ Der Rückgang der Bienenvölker und das damit verbundene Bestäubungsproblem im Hinterkopf sah er in dem wiederentdecken Gel einen Lösungsansatz. Das Besondere der Substanz: Auch nach acht Jahren war sie immer noch dickflüssig. Miyako: „Konventionelle Gele bestehen hauptsächlich aus Wasser und können nicht für eine lange Zeit genutzt werden.“ Doch dieses Gel war anders.
Zunächst wurde es an Ameisen getestet. Sie wurden damit eingeölt und in ein Glas mit Tulpen gesetzt. Und siehe da: Nach drei Tagen zeigte sich unter dem Elektronenmikroskop, dass die mit Gel präparierten Ameisen 1.000 Mal mehr Pollen eingesammelt hatten, als die unbehandelte Vergleichsgruppe. Noch dazu besitzt das Gel aufgrund seiner photochromen chemischen Bestandteile einen Tarneffekt. Miyako. „Ich bin mir sicher, dass diese Eigenschaft unsere künstlichen Bestäuber vor Feinden wie Vögeln oder größeren Insekten schützen könnte.“
Pferdehaar ersetzt haarige Bienen-Beine
Nach dem erfolgreichen Ameisentest wurden die Roboterbienen gebaut und mit dem klebrigen Gel eingepinselt. Als Ersatz für die haarigen Bienenbeine nutzte der Forscher Pferdehaare. „Der Durchmesser des Pferdehaares war ideal für die Beschichtung mit dem Gel und zum Sammeln der Pollen“, sagt Miyako.
Ein weiterer Vorteil von Pferdehaar: Es ist biologisch abbaubar und umweltfreundlich. Und es erfüllt seinen Zweck: Die fliegenden Roboter können mehr als 2 mg Pollen pro Flug tragen, die am vertikal ausgerichteten Pferdehaar kleben bleiben. Zu den Blumen werden sie über einen Radiowellen-Controller gesteuert.
Tatsächlich zeigte sich bei der Auswertung des Experiments, dass die Robo-Bienen Pflanzen wirklich bestäuben können. Forscher Eijiro Miyako ist vom Potenzial der Drohnen überzeugt: „Wir glauben, dass Roboter-Bestäuber trainiert werden könnten, um durch globale Positionierungssysteme und künstliche Intelligenz Bestäubungswege zu erlernen.“ Bis die künstlichen Bienen das Labor verlassen und autonom in echte Gärten geschickt werden können, gibt es also noch viel zu tun. Denn noch verfügen sie nicht über eine Künstliche Intelligenz, die ihnen den kürzesten und effizientesten Weg weist.
US-Ingenieure arbeiten an künstlichen Bienenaugen
Doch auch anderenorts beschäftigen sich Forscher mit künstlichen Bienen. So wurden an der Harvard-Universität bereits 2012 die Roboterbienen RoboBees entwickelt. Diese sollen nicht nur bei der Bestäubung helfen, sondern auch bei Katastrophenfällen als Aufklärer eingesetzt werden. Allerdings können die RoboBees noch nicht sehen.
Ingenieur-Kollegen der Universitäten Buffalo und Florida wollen dieses Problem lösen und die winzigen Flugkörper mit laser-basiertem Radar ausstatten. Die „Augen“ erhalten dafür die LiDAR-Technologie: Radarstrahlen tasten die Umgebungen ab, Algorithmen errechnen daraus ein Raumbild. Die Roboterbiene kann dann Hindernisse erkennen, Wände, Entfernungen, andere Flugobjekte.
Und zwei Australier haben einen Bienenstock entwickelt, der die bislang aufwendige Honigentnahme für Imker schnell und einfach machen soll. Dabei muss der Stock – anders als bislang – keinmal geöffnet werden. Für die Insekten dürfte das weniger Stress bedeuten. Das Geheimnis hinter dem System sind modifizierte künstliche Wabenzellen.
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