ShadowCam analysiert Schatten, um Kollisionen zu verhindern
Amerikanische Forscher haben ein System entwickelt, mit dem autonome Fahrzeuge vor beweglichen Hindernissen gewarnt werden sollen, die in Kürze um die Ecke biegen könnten. Das System wertet Veränderungen von erkennbaren Schattenwürfen aus.
Eines ist klar: Autonome Fahrzeuge werden langfristig nur dann Akzeptanz in der Bevölkerung finden, wenn sie höchste Sicherheitsansprüche erfüllen. Das haben zahlreiche Studien gezeigt. Für die Ingenieure ist es daher eine wichtige Aufgabe, Unfälle unbedingt zu vermeiden. Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben jetzt eine Methode entwickelt, mit der sie Fahrzeuge im Grunde genommen um die Ecke gucken lassen können. Dafür werten sie Schatten aus, die beweglichen Hindernissen vorauseilen. Zusätzlich haben sie das Prinzip auf Roboter übertragen, die sich autonom bewegen.
Herkömmliche Bewegungssensoren haben Probleme an Kreuzungen
Sowohl in autonomen Fahrzeugen als auch in Robotern sind Sensoren verbaut, die beispielsweise permanent die Entfernung zu Hindernissen messen und Bewegungen wahrnehmen. Diese Daten werden in der integrierten Software analysiert. Das geschieht in Echtzeit, sodass die Systeme in Sekundenbruchteilen reagieren und den Weg gegebenenfalls anpassen oder bei Gefahr bremsen können. In manchen Situationen würde diese Technologie trotzdem nicht ausreichen. Ein Beispiel: Ein Roboter fährt einen Gang in einer Klinik entlang, und plötzlich biegt ein Mensch im Stechschritt direkt um die Ecke. Selbst die schnellste Sensortechnik könnte eine Kollision nicht mehr vermeiden. Viele Ingenieure arbeiten daher an Konzepten, die in einer Art Frühwarnsystem münden sollen. Unter anderem sind Röntgenstrahlen im Gespräch.
Die Wissenschaftler am MIT haben nun ein System entwickelt, das winzige Veränderungen bei den Schatten auf dem Boden erkennt. Da die Schatten bei richtigem Lichteinfall einem Objekt vorauseilen, könnte auf diese Weise wertvolle Zeit gewonnen werden, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
ShadowCam ist eine Kombination aus Bildregistrierung und Odometrie
Die Ingenieure haben ihr System ShadowCam genannt. Herzstück ist eine Kamera, die auf einen bestimmten Bereich ausgerichtet sind, etwa den Fußboden vor einer Ecke oder einer nicht einsehbaren Kreuzung. Das System wertet die Lichtintensität der einzelnen Videobilder aus und analysiert eventuelle Abweichungen. Für das bloße Auge wären einige dieser Unterschiede gar nicht erkennbar. Außerdem ist die Software in der Lage, verschiedene Eigenschaften des Objekts und der Umgebung in seine Berechnungen einzubeziehen. Auf diese Weise klassifiziert es jedes Objekt, das einen Schatten wirft, als stationär oder dynamisch. Dynamik heißt Bewegung – ShadowCam gibt diese Information unmittelbar an die Fahrzeugsteuerung weiter und löst damit ein Bremsmanöver aus.
Für ShadowCam mussten die Forscher einen Weg finden, zwei bereits bestehende Verfahren miteinander zu kombinieren: Bildregistrierung und die visuelle Odometrie. Bei der Bildregistrierung werden, vereinfacht gesagt, mehrere Bilder überlagert, um sie miteinander abgleichen zu können und Unterschiede zu identifizieren. Unter anderem in der Medizin dient diese Methode dazu, anatomische Veränderungen aufzuzeigen. Die visuelle Odometrie wiederum schätzt die Eigenbewegung einer Kamera, indem sie die eigene Position und die Umgebung der Bilder analysiert.
In der Kombination heißt das: Alle Bilder werden überlagert, die vom gleichen Standpunkt des autonomen Roboters oder Fahrzeugs aus aufgenommen wurden. Bewegt sich der Roboter, kann er trotzdem die Pixel identifizieren, die sich auf die vorherige Blickrichtung bezogen haben.
Praxistests: ShadowCam reagiert schnell
Die ersten Praxistests mit ShadowCam liefen gut. Die Wissenschaftler ließen im ersten Versuch ein autonomes Fahrzeug durch ein Parkhaus navigieren. In einem zweiten Test fuhr ein Rollstuhl selbstständig durch die Gänge. In beiden Fällen sorgten die Forscher natürlich für plötzliche Hindernisse, und ShadowCam schlug die herkömmlichen Systeme, die nur sichtbare Objekte erkennen, um mehr als eine halbe Sekunde – im Straßenverkehr kann dieser kurze Zeitraum entscheidend sein.
Allerdings hat das System noch einen Haken: Bislang wurde es nur in Innenräumen getestet. Dort ist nicht nur die Geschwindigkeit des autonomen Roboters beziehungsweise des Fahrzeugs geringer, auch die Lichtverhältnisse sind andere. Künstliche Beleuchtung ist meistens recht gleichmäßig und produziert einen Schattenwurf, der von ShadowCam leichter erfasst und analysiert werden kann. Weitere Arbeiten sind nötig, damit das neue System eines Tages auch auf der Straße bei bedecktem Himmel funktioniert.
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