Tauchroboter gehen der Tiefsee auf den Grund
Tauchroboter erlauben Einblicke in Regionen der Erde, die weniger erforscht sind als Mars und Mond. Aktuell versucht BP mit ihrer Hilfe ein Bohrloch zu schließen. Künftig sollen sie sogar in Unterwassernetzwerken arbeiten und dreidimensionale Bilder liefern.
Manchmal scheint der Blick für wahre Sensationen etwas getrübt. „Bilder, die Roboter von der Marsoberfläche senden, gelten als Sensation“, sagt der Bremer Geologe Götz Ruhland, „doch Bilder aus der Tiefsee stoßen scheinbar nur bei Wissenschaftlern auf richtig großes Interesse.“ Dabei sind Fotos und Videos vom Boden der Ozeane nicht nur mindestens genauso selten wie Nahaufnahmen vom roten Planeten, sondern zeigen häufig Motive wie Tiere oder Pflanzen, die die Menschen noch nie gesehen haben. Ruhland gehört zu der Handvoll jener, die solche Bilder anfertigen. Er ist einer der Wissenschaftler am Bremer Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (Marum), die Tauchroboter durch die Tiefen der Meere steuern – ferngelenkt natürlich, deswegen heißen die Hightech-Geräte Remotely Operated Vehicles (ROV).
Beim Stichwort Tiefseeforschung denken viele immer noch an Tauchhelden wie Jacques Piccard, der mit seinem U-Boot „Trieste“ im Januar 1960 fast 11 000 m tief tauchte und damit den bis heute gültigen Tiefenrekord für bemannte Fahrzeuge aufstellte. Dass längst Maschinen den Menschen die gefahrvolle Arbeit im Rausch der Tiefe abnehmen, kam vielen erst durch die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ins Bewusstsein. Tauchroboter sollen dort mit dazu beitragen, die sprudelnde Ölquelle 1500 m unter der Wasseroberfläche abzudichten.
„Derartige Tauchroboter gehören in der Industrie längst zum Standard“, sagt Götz Ruhland. Vom Prinzip sind die Geräte technisch ausgereift: Sie sind mit Greifarmen, Kameras, einer Art Schubladen für „Fracht“ und jeder Menge anderer Werkzeuge ausgestattet und werden von Bord eines Begleitschiffes aus per Kabel ferngesteuert sowie mit Energie versorgt. Das Marum-ROV „Quest“ gehört in diese Kategorie der schweren Tauchwerkzeuge. Mit Ausmaßen eines Kleinwagens kann das 3,5 t schwere Gerät bis zu 4000 m tief tauchen.
Jeweils zwei Piloten steuern das Fahrzeug aus einem Kontrollcontainer an Bord des Begleitschiffes über das Versorgungskabel. Die rund 5000 m lange Verbindung enthält nicht nur Glasfaserleitungen für die Datenübertragung, sondern auch Kupferleitungen für die Stromversorgung: „Bei der Vorstellung, dass wir Spannungen von 3000 V und 600 Hz durchs Wasser leiten, würden sich jedem TÜV-Ingenieur die Nackenhaare sträuben“, meint Ruhland. Doch die Leitung ist speziell gesichert und mit Fehlerstromsensoren ausgerüstet.
Mit seinen multifunktionalen Fähigkeiten unter anderem durch Greifarme, Geräte zur Probenentnahme, Kameras und Lichtquellen repräsentiert Quest den Stand der Technik, wie er auch in der Offshore-Industrie gilt. Darüber hinaus entwickeln Wissenschaftler wie die Marum-Experten immer wieder neue Anwendungen, die den speziellen Forscherinteressen gelten. Die Erkunder der Tiefsee wollen dabei nicht nur optische Eindrücke, sondern auch Boden- und Wasserproben und unter Umständen auch lebende Tiere oder Pflanzen einsammeln.
Ausgefeilte Steuerungsprogramme unterstützen die ROV-Piloten dabei, die Tauchroboter genauestens zu positionieren der Abgleich mit den Schiffsdaten sorgt schließlich dafür, dass die exakte Position für alle Aufnahmen oder Proben festgehalten werden kann. Auf diese Weise gewinnen die Wissenschaftler immer mehr Einblick in eine Welt, die bislang fast unbekannt ist und können von Mal zu Mal immer gezielter technische Erkundungsysteme entwickeln, die auf dem ROV eingesetzt werden.
„Bei allen Anwendungen, die wir entwickeln, gibt es ein gemeinsames technisches Problem“, sagt Ruhland: „Der Druck.“ In 3000 m bis 4000 m Wassertiefe lastet die Wassersäule mit 300 bar bis 400 bar auf den Geräten: „Ungeschützte Hohlräume würden sofort dazu führen, dass die Geräte zerquetscht werden.“ Um die Technik druckstabil zu machen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: „Entweder verpackt man sie in entsprechend stabile Gehäuse oder man füllt sie mit Öl. Das ist nicht komprimierbar und die Gehäuse können nicht zerdrückt werden.“
Welche Fortschritte die Technologie in den vergangenen Jahren gemacht hat, ist am besten an den Bildern zu erkennen, die die ROVs aus der Tiefe liefern. Früher waren es zumeist etwas unscharfe und mehr schlecht als recht ausgeleuchtete Fotos und Filme. „Mittlerweile bekommen wir in Echtzeit Videobilder in HD-Qualität“, sagt Ruhland. In den Anfängen befinden sich derzeit Systeme, die dreidimensionale Aufnahmen liefern.
Das nächste technische Ziel ist laut Ruhland der Aufbau von Unterwassernetzwerken aus Sensorsystemen, die mit Glasfaserkabeln verbunden sind. Die gesammelten Daten dieser Systeme könnten von autonomen Unterwasserfahrzeugen (AUV) abgefragt werden, die in einem größeren Radius und schneller operieren als ROV. Ihre Daten lassen sich zur Erstellung von hoch auflösenden Meeresbodenkarten verwenden. Durch die begrenzte Nutzlast müssen die AUV zudem regelmäßig auftauchen, um die gesammelten Daten abzugeben und wieder mit Energie versorgt zu werden. Das Zusammenspiel von ROVs, AUVs und Unterwassernetzwerken „gibt der Erforschung der Tiefsee eine ganz neue Dimension „, ist der Geologe vom Marum überzeugt. WOLFGANG HEUMER
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