Verschobener Start: Warum China humanoide Roboter zum Halbmarathon schickt
Roboter rennen zu lassen, das klingt wie eine Spielerei. Doch dahinter steckt in China ein Plan. Roboterexperte Werner Kraus vom Fraunhofer IPA ordnet das ein.

Immer wieder sind bereits seit einiger Zeit humanoide Roboter beim Lauftraining in Chinas Hauptstadt Peking anzutreffen. Am Wochenende ist ein Halbmarathon mit den Maschinen geplant. Das Modell Tiangong ist eine Open-Source-Plattform.
Foto: picture alliance / Xinhua News Agency/Ju Huanzong
Ursprünglich sollten die humanoiden Roboter bereits am 13. April beim Halbmarathon in Chinas Hauptstadt Beijing (Peking) gegeneinander antreten. Doch das Wetter ließ es nicht zu. Am kommenden Sonntag sollen sie deshalb einen neuen Anlauf starten. Für Werner Kraus, Leiter des Forschungsbereichs „Automatisierung und Robotik“ am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), steht dahinter ein volkswirtschaftliches Kalkül.
Test der Dauerfestigkeit: Humanoide Roboter laufen Marathon
Unweigerlich stellt sich hier die Frage: Wofür sind Roboter gut, die vor allem schnell laufen können? Kraus hat dazu eine klare Antwort: „Zunächst einmal ist das tatsächlich viel Show. Aber solche Events sind für die Entwicklung humanoider Roboter sehr förderlich.“ Denn für die erfolgreiche Teilnahme müssten die Humanoiden technische Grundlagen wie Dauerfestigkeit der Antriebe, Energieeffizienz oder Batterietechnik unter Beweis stellen.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fünfjahresplans der chinesischen Regierung „Made in China 2025“ geht es dabei aber auch um Öffentlichkeitswirksamkeit. Denn: „Perspektivisch sollen Humanoide die wegfallenden Arbeitskräfte ersetzen“, weiß der Experte.
Humanoide Roboter profitieren von Entwicklungen aus der Militärforschung
„Ehrlicherweise sehe ich für schnelles, lang andauerndes Laufen nicht das primäre Anwendungsfeld für humanoide Roboter. Ich denke, der Wettkampf ist gut gewählt, um Humanoide öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen“, analysiert Kraus. Denn ein Halbmarathon ist für ihn eine Herausforderung, unter der sich auch viele Laien etwas vorstellen können. „Aber am Ende des Tages sollten uns Roboter ja von Aufgaben entlasten, damit wir selbst für einen Halbmarathon trainieren könnten, wenn wir es denn möchten.“
Wesentliche Entwicklungen für die rennenden Roboter kommen laut dem Wissenschaftler vom Fraunhofer IPA aus der Militärforschung. Als konkretes Beispiel nennt er Exoskelette, wo es auf energieeffiziente und leichte Antriebe ankommt.
Zum Grund der Verschiebung des ursprünglichen Termins erklärt er: „Es gab tatsächlich für das vergangene Wochenende in Peking eine Unwetterwarnung, unter anderem wegen Orkanböen bis zu 150 km/h. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten wurden geschlossen und auch Flüge gestrichen.“ Deshalb war die Verlegung des Rennens aus seiner Sicht eine Frage der Sicherheit und weniger ein Thema der Zuverlässigkeit der Technik.

Werner Kraus ist Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme sowie Leiter des KI-Fortschrittszentrums am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart.
Foto: Fraunhofer IPA
Schaffen die humanoiden Roboter den Halbmarathon mit einer Batterieladung?
Rund 42 km lang ist eine Marathondistanz. Beim Halbmarathon sind demnach 21 km zu überwinden. Für Kraus ist das kaum mit einer Batterieladung zu schaffen. „Technisch möglich wird es wohl perspektivisch sein, allerdings sicher nicht wirtschaftlich“, stellt er fest. Das liegt insbesondere an der humanoiden Bauform der Roboter. Seine Erklärung: „Für eine lange Laufzeit braucht es große Batterien. Diese wiederum erhöhen das Gewicht des Humanoiden und das wiederum bedeutet einen höheren Energieverbrauch.“ Beides hänge bei dieser Bauform ungünstig miteinander zusammen.
Was die Industrie von den rennenden Robotern lernen kann
Damit Roboter den Menschen tatsächlich Arbeit in Fabriken oder im Haushalt abnehmen können, sind vor allem Fingerfertigkeiten gefragt. Genau diese spielen beim Marathon aber keine Rolle. Einige Erkenntnisse der rennenden Maschinen sind aber laut Kraus dennoch übertragbar. „In Bezug auf die Mechatronik in den Antriebssträngen gibt es Übertragungseffekte vom Bein auf die Arme und Hände“, erklärt er.
Gleichzeitig sieht der Wissenschaftler aber auch deutliche Unterschiede. „Die notwendige Feinfühligkeit in den Fingern zusammen mit der Perzeption und Aktionsplanung ist aber noch mal eine ganz andere Hausnummer, die es zu lösen gilt“, hebt Kraus hervor. Dabei seien die Perzeption – also menschenähnliche Wahrnehmung über Sinne wie Sehen, Hören und Tasten – und Aktionsplanung keineswegs auf Humanoide beschränkt. Für ihn ist das ein generelles Thema in der Robotik. Und das „wurde bisher, wenn überhaupt, dann nur ansatzweise für sehr konkrete Fragestellungen gelöst“.
Humanoide Roboter profitieren von den Entwicklungen in der KI
Gerade Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) können laut Kraus aber dafür sorgen, dass Roboter immer intuitiver mit ihrer Umgebung interagieren können. „Die Kombination aus Fortschritten in der künstlichen Intelligenz und den immensen Investitionen in Humanoide macht Hoffnung, dass es hier auch signifikante Weiterentwicklungen geben wird“, sagt er. Das wäre auch hinsichtlich der gewünschten Anwendungsfälle aus der Industrie entscheidend. Denn in einer Studie zu humanoiden Robotern hat das Fraunhofer IPA über 100 Fachleute zu Potenzialen und Hemmnissen beim Einsatz Humanoider befragt. Die Flexibilität in der Aufgabenausführung wäre demnach für eine Mehrheit ein entscheidendes Kriterium. „Hierfür braucht es aber eben vor allem die genannten Handhabungsfähigkeiten. Denn die menschliche Hand ist bisher noch absolut unerreicht“, erklärt der Roboterexperte.
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