Wie die Digitalisierung und das Internet of Things Unternehmen verändern
Ein Thema durchdringt derzeit alle Bereiche und Branchen: das Internet of Things (IoT) bzw. Industrial Internet of Things (IIoT). Was sind die größten Herausforderungen in der Praxis? Welche Rolle spielt IoT dabei? Und was sollten Unternehmen bei der Implementierung bedenken? Darüber hat Katharina Neumann vom VDI Wissensforum mit Anette Bronder,CEO Digital Division bei T-Systems International, gesprochen.
Die Digitalisierung der Industrie, aber auch unseres Alltags, schreitet mit schnellen Schritten voran und sorgt u. a. für veränderte Produktionsabläufe, Arbeitsweisen, Dienstleistungen und Kundenbindungsmöglichkeiten. Die zunehmende digitale Vernetzung verändert auch die Berufswelt der Ingenieure immer stärker. Doch was sind eigentlich die größten Herausforderungen in der Praxis? Welche Rolle spielt IoT dabei? Und was sollten Unternehmen bei der Implementierung bedenken? Darüber hat Katharina Neumann vom VDI Wissensforum mit Anette Bronder,CEO Digital Division bei T-Systems International, gesprochen.
1. Was sind gegenwärtig die größten und wichtigsten Herausforderungen, denen sich die Industrie in Zeiten der Digitalisierung stellen muss?
Industrieunternehmen spüren immer deutlicher, dass an der Digitalisierung kein Weg vorbei führt. Denn Kunden verlangen digitalen Service, in Echtzeit und 24/7 – vom Einkaufserlebnis bis zum Kundenservice. Wer die nicht bietet, hat per se schlechtere Karten. Wer dann noch teurer ist, weil seine Produktionsprozesse veraltet und kompliziert sind, darf sich nicht über Kundenschwund wundern. An Altbewährtem festzuhalten, ist heute keine Alternative. Nehmen Sie On-Premises-Software: Systemadministration, Wartung und Release-Pflege kosten unnötig Zeit und Geld. In der Cloud hingegen läuft das alles wesentlich unkomplizierter; Release-Wechsel finden problemlos und gleichzeitig für alle Anwender weltweit auf hochmodernen Servern in sicheren Rechenzentren statt. Die Zukunft liegt eindeutig in der Cloud. Digitalisieren bedeutet aber oft kompromissloses Umdenken des Geschäftsmodells. Neue Wege einzuschlagen und in das Ungewisse zu investieren, fällt den wenigsten leicht. Digitale Transformation erfordert daher ein gewisses Maß an Mut und Offenheit. Das ist eine der Herausforderungen. Die andere besteht darin, richtig zu digitalisieren – mit Strategie, den richtigen Partnern und IT-Lösungen.
2. Welche Rolle spielt IoT hierbei?
Eine große. Denn Digitalisierung hört ja nicht beim Laptop oder dem Smartphone auf: Alles, was sinnvoll vernetzt werden kann, wird vernetzt. IoT birgt enorme Vorteile für die Industrie; effizientere Abläufe und die ideale Auslastung der eigenen Ressourcen. Beispielsweise verringern vernetzte Förderbänder ihre Geschwindigkeit in Zeiten mit geringer Auslastung und senken so Energieverbrauch und Verschleiß. Werkstücke wissen genau, welcher Produktionsschritt als nächstes ansteht. Das Lager kennt aktuelle Produktionsabläufe und bestellt automatisch Nachschub, sobald das Rohmaterial zur Neige geht. Jedes Teil denkt mit. Und der Vernetzungsaufwand ist gering: RFID-Chips, Sensoren, Bluetooth, WLAN und die Cloud – mehr braucht man nicht. Die hohe Kunst ist die intelligente Vernetzung von
Mensch, Maschine und Produkt entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dazu braucht es die Einigung auf Standards und offene Plattformen – eine weitere Herausforderung für die Industrie.
3. Was denken Sie ist der interessanteste Anwendungsbereich für IoT-Lösungen?
In fast jedem Gesellschaftsbereich gibt es spannende technische Entwicklungen. Von der Smart City, wo schlaue Straßenlaternen nicht nur WLAN spenden, sondern zeitgleich CO2-Werte messen und als Notrufsäule fungieren, bis zu Tele-Operationen, mit denen Ärzte aus den USA chirurgische Eingriffe in Europa per ferngesteuertem Roboter vornehmen können. Virtual und Augmented Reality wandern vom Gaming in die Fertigungsindustrie aus: Datenbrillen geben Lagerarbeitern Instruktionen und wertvolle Informationen in Echtzeit – zum Beispiel in welchem Gang sich die benötigte Ware befindet. Vieles davon ist noch Zukunftsmusik, manches aber bereits greifbar oder sogar am Markt. Ein wichtiges digitales Geschäftsfeld, das enorm Fahrt aufnimmt, ist das vernetzte Auto. Jeder vierte Neuwagen, der vom Band rollt, ist bereits internetfähig. Das Auto kommuniziert mit dem Fahrer, mit dem Zuhause – indem es rechtzeitig das Garagentor öffnet oder die Heizung anstellt – und spricht sich mit anderen Verkehrsteilnehmern ab. Autos werden bald Echtzeitwarnungen zu Glatteis oder Staus untereinander austauschen. Hier geht es also nicht nur um Effizienz und Service, sondern um ein Plus an Sicherheit durch moderne Technik.
4. Was sind die größten Risiken im Zusammenhang mit dem Internet of Things?
Je mehr Dinge miteinander vernetzt sind, desto größer wird die digitale Angriffsfläche. Datenverlust, Datenklau oder gar unberechtigter Eingriff in die Steuerung von Maschinen sind das Horrorszenario eines jeden Herstellers und Unternehmens. Bei der Entwicklung von IoT-Lösungen muss Sicherheit also zwingend mitgedacht werden – Ende zu Ende. Der andere wichtige Punkt sind Netz- und Cloud-Infrastrukturen. Konzepte wie das autonome Fahren funktionieren nicht ohne leistungsfähige, hochsichere Netze und Plattformen. Für den jetzigen Bedarf sind wir gut gerüstet. Wenn aber bald eine Mobilfunkzelle nicht mehr wie bisher 200 Teilnehmer bedient, sondern 2.000 vernetzte Dinge dazukommen, brauchen wir mehr Kapazitäten, damit diese Services zuverlässig funktionieren. Und das europaweit. Die Telekom rüstet ihre Netze und Cloud-Rechenzentren deshalb mit Hochdruck für die Ansprüche der digitalen Welt. Weil die deutsche Cloud gerade enorm gefragt ist, erweitern wir beispielsweise die Kapazitäten unseres Hightech-Rechenzentrums in Biere nach nur zwei Jahren im Livebetrieb um 150 Prozent. Wir bauen auch unser LTE-Netz kontinuierlich aus und arbeiten an neuen Mobilfunkstandards wie 5G und Narrow Band IoT.
5. Viele Unternehmen haben Bedenken, IoT in ihrem Unternehmen zu implementieren. Welchen Ratschlag würden Sie Führungskräften geben, die sich für IoT interessieren?
Kurz und knapp: Think big, start small! Wir sind mitten in einer IoT-Pionierphase, wo Unternehmen wissen wollen, was ihnen IoT bringt – ohne viel investieren zu müssen. Die Telekom bietet dazu unter anderem ein IoT-Starter-Kit für das unverbindliche Herantasten an IoT, bestehend aus Sensoren zur Datenerfassung, einer SIM-Karte mit Datentarif und dem Zugang zur Telekom-Cloud. Ohne aufwändige Installation können Unternehmen Temperaturwerte oder Bewegungsdaten in Echtzeit überwachen. Die Vorteile des IoT werden sofort sichtbar.
Zum anderen – und das ist essentiell wichtig – sollte man sich gut beraten lassen, welche IoT-Strategie die richtige ist und nicht planlos digitalisieren. Es gibt viele Unternehmen, die unterschiedliche IT-Lösungen im Einsatz haben, die de facto nicht untereinander kompatibel sind. Damit verpassen sie die Chance, Mehrwert aus dem höchsten Gut der digitalen Welt, den Daten, zu ziehen. Ganz zu schweigen von dem Aufwand, die verschiedenen Systeme zu betreiben. CIOs sollten deshalb lieber gleich eine langfristige IT- und IoT-Strategie entwickeln und rechtzeitig prüfen, welche Lösungen am besten zueinander und zu ihnen passen.
6. Was ist Ihre Vision vom Internet of Things in der Zukunft?
Ein paar Beispiele habe ich schon genannt. Grundsätzlich wird es nicht mehr so sein, dass wir von einzelnen Lösungen für einzelne Branchen reden: Es geht vielmehr um vernetzte Prozessketten und „Customer Journeys“. Das vernetzte Auto fährt uns nicht nur von A nach B; es ist zeitgleich die neue Lieferadresse für Pakete, es reserviert uns freie Parkplätze bei der Shoppingmall unserer Wahl, so dass das leidige Thema Parkplatzsuche ein für alle Mal passé ist. Und den Parkplatz zahlt das Auto gleich mit. In der Shoppingmall wissen die Rolltreppen genau, wie viele Besucher gerade ankommen und passen ihre Fahrtrichtung nach Bedarf an. Aufzüge stehen entsprechend bereit und funken parallel technische Daten an den Hersteller, so dass dieser immer weiß, wann die nächste Wartung fällig ist und seine Techniker nicht mehr unnötig rausschicken muss. Nach dem Einkaufsbummel brauchen wir nur noch ins Auto einsteigen, das uns ohne Zutun sicher nach Hause fährt und rechtzeitig vor der Ankunft im Haus die Heizung anwirft und das Licht anmacht. Heute klingt das nach Zukunftsmusik. In Wirklichkeit sind es aber valide IT-Konzepte, an denen wir bereits mit Kunden und Partnern arbeiten. Das Internet der Dinge wird zum Bestandteil unseres Lebens – und irgendwann wird keiner mehr vom IoT reden, weil IoT so selbstverständlich wie das Internet ist.
7. Sie beteiligen sich an dem internationalen VDI Kongress CESIS zum Thema IoT und Industrial IoT im Dezember. Was erwarten Sie von dem Kongress?
Ich würde mir wünschen, dass wir ein gemeinsames Verständnis von IoT und Digitalisierung entwickeln. Und auch über digitale Verantwortung sprechen, die jeder Anbieter von digitalen Services trägt. Effizienz, Wirtschaftlichkeit und die technische Basis sind die eine Seite der Medaille. Auf der anderen, noch recht unbeschriebenen, geht es darum, Vertrauen in digitale Services aufzubauen. Wir sollten Wege diskutieren, um Unternehmen über digitale Hürden hinwegzuhelfen. Und das länderübergreifend, denn Digitalisierung kennt keine Grenzen.
Der internationale VDI Kongress CESIS findet am 13.-14. Dezember 2016 in Berlin statt.
Zur Person: Anette Bronder leitet als Mitglied der Geschäftsführung der T-Systems International GmbH die Digital Division. Diese unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategien. Der neu aufgebaute Bereich entwickelt hochskalierbare, plattformbasierte und standardisierte Produkte. Zuvor war Frau Bronder viele Jahre in leitender Position bei Hewlett-Packard und Vodafone tätig.
Hier finden Sie das Interview mit Fr. Bronder für VDI nachrichten.
Das Interview führte: Katharina Neumann, Produktmanagerin International Business Development in der VDI Wissensforum GmbH.
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