Wie viel Maschine verträgt die Gesellschaft?
Ist der Roboter im Seniorenheim akzeptiert, wenn er statt Menschen für die Pflege verantwortlich zeichnet? Mit der Akzeptanz von Robotern in einer zunehmend technikorientierten Gesellschaft beschäftigten sich die diesjährigen Herrenalber Gespräche. Und auch bei der 34. Auflage der vom VDI und der Evangelischen Akademie Baden initiierten Tagung stand die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema im Mittelpunkt.
„Wie Roboter künftig in die Gesellschaft integriert werden, ist sowohl für Ingenieure als auch für Geisteswissenschaftler eine spannende Frage“, weiß Mitorganisator Gunter Boßler vom Karlsruher Bezirksverein des VDI. Gerade in Deutschland gebe es noch gewisse gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber Robotern, so Boßler. Sein Fazit: „Die Japaner sind in dieser Hinsicht viel weiter. Dort genießt Roboterforschung in der Wirtschaft einen höheren Stellenwert.“
„Das mag zwar stimmen“, betonte auf der Tagung „Mensch:Robi“ Professor Wolfgang Burgard vom Institut für Informatik an der Universität Freiburg. Allerdings müssten sich die deutschen Wissenschaftler nicht hinter den japanischen Kollegen verstecken. Im Gegenteil, betonte Burgard, „in der Grundlagenforschung sind wir den Japanern sogar einen Schritt voraus“.
Ein humanoider Roboter wie der von Honda entwickelte Asimo sei zwar ein „guter Werbeträger“, hinter der Fassade einer Mensch-Maschine stecke allerdings keine revolutionäre Technik, so Burgard.
Der neue Obelix aus Freiburg
Da verhält es sich mit dem unter Federführung der Freiburger Universität entwickelten „Obelix“ anders.Der etwas klobig wirkende Roboter navigierte bei seiner Jungfernfahrt problemlos durch die Freiburger Innenstadt und meisterte dabei selbst knifflige Aufgaben wie dicht bevölkerte Bürgersteige.
Dass ein Roboter zum Einkaufen in die Stadt geschickt werde, sei zwar aus vielerlei Gründen noch pure Science-Fiction, schätzte Burgard die prestigeträchtige Ausfahrt realistisch ein, alleine die Sensortechnik sei auch in naher Zukunft noch viel zu kostspielig.
Wissenschaftler ziehen aus der Roboterforschung Erkenntnisse für andere Forschungsbereiche. Im Bereich der automatischen Navigation sind laut Burgard bereits regelrechte Revolutionen möglich. „Flugzeugabstürze passieren bereits heute fast ausschließlich durch menschliches Versagen“, so Burgard. Und nicht nur beim Flugverkehr könnten Autopiloten bald zum Standard werden, auch auf der Straße sei dies möglich. Allerdings müsse die Gesellschaft entscheiden, ob sie bereits bereit für autonom fahrende Fahrzeuge sei.
Roboter Armar räumt Spülmaschinen aus
Ähnlich wie mit Obelix verhält es sich mit Armar. Der humanoide Roboter aus den Forschungslaboren des KIT hat bereits einige viel beachtete Auftritte aufs Parkett gelegt und räumt problemlos eine Spülmaschine aus. Allerdings ist der Haushaltshelfer auch hier hübsche Fassade für die eigentlichen Forschungsziele.
„Es geht darum, die Lebensbedingungen der Menschen durch Robotik zu verbessern“, betonte Professor Tamim Asfour vom KIT-Institut für Anthropomatik. Mit den Erkenntnissen aus der Armar-Entwicklung seien die wissenschaftlichen Grundlagen zum Entwickeln von „Spezialanzügen“ für Katastrophenhelfer gelegt worden. Mit solchen Anzügen könnte die zum Heben von Lasten benötigte Kraft vervielfacht werden, in Atomkraftwerken oder Endlagern könnten ähnliche „Anzüge“ ebenfalls zum Einsatz kommen.
Auch in der Medizintechnik sieht der Wissenschaftler Asfour Anwendungsgebiete für Robotik. Programmierbare Orthesen könnten künftig die krankengymnastischen Übungen nach Operationen an Knie oder Knöchel vornehmen. „Das könnte eine Revolution fürs Gesundheitswesen bedeuten“, sagt Asfour.
Dem Gesundheitswesen steht möglicherweise eine Revolution der anderen Art bevor, denn wegen der steigenden Anzahl älterer Menschen sowie des prognostizierten Fachkräftemangels im Pflegebereich werden Entwicklung und Einsatz von Pflegerobotern derzeit eifrig diskutiert. Bis dahin ist noch ein weiter Weg, weiß Professor Michael Decker vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am KIT. „Allerdings muss bereits heute darüber nachgedacht werden, in welchen Bereichen einmal eine Nachfrage besteht“, so Decker, nur durch solch prinzipielle Überlegungen könnte auch der wirtschaftliche Erfolg des Roboterbaus garantiert werden.
Bei mit Pflegeaufgaben betreuten Maschinen gebe es noch Bedenken, mahnt Decker, selbst ein vollautomatisches Krankenbett oder ein Roboterrollstuhl würden heute noch kritisch beäugt. „Solche Maschinen erfüllen denselben Zweck wie ein Pfleger, sie bringen den Patienten sicher von A nach B. Das Einzige was fehlt, ist die Möglichkeit zu einem kurzen Plausch“, so Decker. Der könne zwar auch durch Lautsprecher und Mikrofon garantiert werden, doch überall, wo Roboter den Menschen als Partner und Ansprechpartner ersetzen könnten, gebe es dieselben Vorbehalte. Deckers Fazit: In der Tiefseeforschung oder bei Weltraumexpeditionen könnten Roboter bedenkenlos eingesetzt werden, in der Pflege jedoch noch nicht.
Um Hemmschwellen zu senken, bedürfe es des einen oder anderen Tricks, rät Psychologieprofessorin Friederike Eyssel von der Universität Bielefeld. „Bei der Anthropomorphisierung stehen die optische und technische Vermenschlichung der Maschine im Vordergrund. Die Psychologie geht über das Visuelle hinaus und beschäftigt sich noch mit der Wahrnehmung“, so Eyssel.
Menschen beurteilen auch Roboter nach ihrem Aussehen
Und wie nehmen Menschen menschenähnliche Maschinen wahr? „Sie beurteilen die Fähigkeiten des Roboters nach seiner äußeren Erscheinung“, so eines von Eyssels Forschungsergebnissen. Sprich: Roboter mit weiblichen Gesichtszügen und Formen werden als warmherziger und einfühlsamer empfunden, solche mit männlich erscheinendem Antlitz als kompetenter bei technischen Hilfestellungen. Für Philosophen sei die Menschwerdung von Maschinen ein wahrer Quell für existenzielle Fragen, ließ Professor Karsten Weber von der brandenburgischen TU Cottbus durchblicken. Ist der Roboter eher Rivale oder Partner des Menschen? Und was passiert, wenn eine solche Maschine Schaden verursacht, wer muss dann haften? Die Antworten auf solche Fragen könne er noch nicht liefern, so Weber. Vermutlich benötige er sie auch in naher Zukunft nicht, schließlich sei die „Geschichte der künstlichen Intelligenz eine Geschichte der Enttäuschung großer Ankündigungen“.
„Wenn es um Dinge wie Doping oder Beinprothesen geht, wollen die Menschen eher den Robotern gleich sein“, meint Wolfgang Burgard. Doch so oder so, „Robotik ist kein Teufelszeug, sondern eine Technologie, die den Menschen helfen kann“, meint Burgard.
Und wer weiß, vielleicht sieht die nahe Zukunft so aus, wie sie Professor Hans Sillescu vom Institut für Physikalische Chemie von der Universität Mainz am Rande der Tagung in seinem „Loblied auf Roby“ beschrieb.
In einer „positiven Utopie“ macht sich ein älterer Mann im Jahr 2040 folgende Gedanken: „Es ist einfach wunderbar beruhigend, einen Roby zu haben, der immer Zeit hat, der sich von selbst auf meine Wünsche einstellen kann und vieles diskret erledigt, was ich doch nur vergessen würde. Vor allem aber kennt er meinen Gesundheitszustand.“
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