Klimainnovationspreis für Bio-Superdämmstoff
Erstmalig ist es gelungen, einen Hochleistungsdämmstoff herzustellen, der vollständig biologischen Ursprungs ist. Für diese Entwicklung hat das Unternehmen den Klimainnovationspreis des Landes Niedersachsen erhalten.
Am günstigsten und umweltfreundlichsten ist die Energie, die überhaupt nicht benötigt wird. Dabei helfen soll ein neuer Superdämmstoff auf Biobasis, der mit einer rekordverdächtig niedrigen Wärmeleitfähigkeit aufhorchen lässt und somit besonders gut dämmt. Mit dem hocheffizienten und zudem aus biologischen Materialien bestehenden Aerogol-Dämmstoff möchte ein Startup aus Osnabrück zur Dekarbonisierung und Energieeffizienz im Gebäudesektor beitragen. Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.
Im November 2023 wurde bekannt, dass der Hersteller Aerogel-it für seine Entwicklung den Klimainnovationspreis erhält. Mit diesem Preis werden Betriebe gewürdigt, die innovativ und ressourcenschonend produzieren oder handeln. Es freue ihn besonders, „dass deutsche Unternehmen nicht nur nachhaltige Heiztechnologien wie die Wärmepumpe entwickeln, sondern auch bei der Gebäudehülle vorangehen“, sagte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne).
Die Wärmeleitfähigkeit entscheidet über die Dämmwirkung
Die Wärmeleitfähigkeit gibt die Wärmemenge an, die pro Sekunde durch einen Stoff fließt, der einen Meter dick und die Fläche von einem Quadratmeter hat. Dabei beträgt der Temperaturunterschied zwischen den beiden Oberflächen ein Grad Kelvin. Soweit die Definition. Das Formelzeichen für die Wärmeleitfähigkeit ist das λ (Lambda), die Einheit ist W/(m*K), also Watt geteilt durch Meter mal Kelvin.
Je kleiner der Lambda-Wert, desto weniger Wärme kann durch das Bauteil wandern. Gebräuchliche Dämmstoffe haben Lambda-Werte zwischen 0,025 bis 0,04 W/(m*K). So erreichen Mineralwolle und Kunststoffschäume wie EPS und XPS in der Regel Werte zwischen 0,030 und 0,040 W/(m*K), während Naturdämmstoffe eher im Bereich oberhalb von 0,040 W/(m*K) angesiedelt sind. Der von der aerogel-it GmbH entwickelte Superdämmstoff hat eine im Labor gemessene Wärmeleitfähigkeit von 0,017 W/(m*K). Und ist dazu 100 Prozent Bio.
Mit Hilfe des Lambda-Werts lässt sich der Wärmedurchgangswiderstand (R) berechnen und daraus wiederum der U-Wert. Dieser ist das entscheidende Maß, wenn es um den Wärmeverlust von Gebäuden geht. Die Formel für R lautet: R=d/λ, der Kehrwert von R ist dann U. Das führt zu folgender Erkenntnis: Je größer die Dicke (d) des Bauteils und je kleiner der Lambda-Wert, desto größer der Wärmedurchgangswiderstand und umso kleiner der U-Wert. Das ist genau das, was gewünscht ist, um die Energiewende voranzubringen. Je geringer die Wärmeverluste durch das Bauwerk, desto weniger Energie muss zum Heizen aufgewendet werden.
„Um Energieverbrauch und Emissionen dauerhaft zu senken und gleichzeitig die Abhängigkeit von Gasimporten zu reduzieren, brauchen wir dringend energieeffizientere Gebäude“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Alexander Bonde. Denn in unsanierten Häusern gehen nach Erkenntnissen der DBU-Initiative „Zukunft Zuhause – nachhaltig sanieren“ bis zu 20 Prozent der erzeugten Wärme über das Dach verloren, über ungedämmte Außenwände sogar bis zu 25 Prozent.
Biobasierter und hocheffizienter Aerogol-Dämmstoff aus Nebenprodukt
Nach unserem kleinen Ausflug in die Bauphysik, wenden wir uns nun wieder dem Superdämmstoff zu. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Aerogel. Der Name lässt es bereits vermuten, dass Luft hierbei eine entscheidende Rolle spielt. Und in der Tat handelt es sich bei Aerogelen um hochporöse Festkörper, bei denen bis zu 99,98 Prozent des Volumens aus Poren besteht. Bei dem aerogel-it entwickelten Dämmstoff soll die Porosität bei über 90 Prozent liegen.
Und warum ist es so gut, wenn der Dämmstoff fast nur aus Luft besteht? Luft ist ein sehr schlechter Wärmeleiter. Die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ist zum Beispiel rund 25-mal höher als die von Luft. Das ist auch mit ein Grund, warum eine Wärmedämmung niemals feucht werden sollte. Ein feuchter Dämmstoff bietet zudem Schimmelsporen beste Bedingungen, um sich dort auszubreiten.
Wie geschrieben, besteht der Bioaerogel-Dämmstoff zu über 90 Prozent aus Luft, beim Rest handelt es sich um Lignin. Das Holzbestandteil fällt zum Beispiel als Nebenprodukt bei der Papierherstellung an und wird bislang kaum sinnvoll verwertet. „Uns ist es erstmalig gelungen, einen Hochleistungsdämmstoff herzustellen, der vollständig biologischen Ursprungs ist“, sagt Dr. Marc Fricke, Geschäftsführer und Mitgründer von aerogel-it. Als Basis dient Lignin, „ein Pflanzenrohstoff und neben Zellulose der wichtigste Bestandteil von Holz, der unter anderem für die Stabilität von Bäumen sorgt“, so Fricke.
Die Gründer des Osnabrücker Startups aerogel-it haben eine ursprünglich vom Chemiekonzern BASF entwickelte Technologie weitergeführt. Zusammen mit der Kooperationspartnerin Prof. Dr. Irina Smirnova von der Technischen Universität Hamburg-Harburg sowie weiteren Partnern entwickelt das junge Unternehmen den Dämmstoff weiter. Es soll eine neue Generation kosteneffizienter und intelligenter Aerogel-Produktionstechnologie entstehen.
Die Vorteile des Lignin-Dämmstoffes
Die rekordverdächtige Wärmeleitfähigkeit haben wir bereits erwähnt, der Superdämmstoff hat aber noch weitere Vorteile. Mit dem Lignin-Dämmstoff will aerogel-it nicht nur den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen reduzieren, sondern zugleich (fossile) Ressourcen einsparen. Ein weiterer Vorteil: Durch die niedrige Wärmeleitfähigkeit und den hohen Luftanteil ist die Aerogel-Dämmung im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen leichter und dünner. „Das schafft neben der Energieeinsparung zugleich mehr Platz in Gebäuden, die auf dem Immobilienmarkt somit zusätzlich an Attraktivität gewinnen“, sagt Fricke. Darüber hinaus könne der biobasierte Dämmstoff nach der Nutzung wiederverwertet oder gar wiederverwendet werden.
Folgende Produkteigenschaften hat der Lignin-Dämmstoff:
- Partikelgröße 1-2 mm (Dichte 50-150 kg/m³ (einstellbar))
- Wärmeleitfähigkeit 0,021-0,023 W/(m*K) (bei 10°C, Partikelbett)
- Oberfläche 250-350 m²/g
- Porenvolumen (< 100 nm) 1,9 cm³/g
- Porosität >90%
- Hydrophil
Das Startup sieht für den neuen Superdämmstoff noch weitere Einsatzmöglichkeiten als zur Gebäudedämmung: Auch in Kühlgeräten und Funktionskleidung kann der Bio-Superdämmstoff aus Osnabrück nach Frickes Worten künftig eingesetzt werden. Je nach Anwendung könne das Startup dafür Pulver, Granulat oder Platten herstellen. Mit der DBU-Förderung möchte das fünfköpfige Team die Forschung voranbringen und Prototypen testen. „Wir wollen uns als weltweit erstes Bio-Aerogel-Unternehmen am Markt etablieren und so schnell wie möglich unsere Kundinnen und Kunden bedienen“, sagt Fricke.
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