Energieautark im Einfamilienhaus: Für mehr als die Hälfte kein Traum
Karlsruher Forschende haben sich mit dem Potenzial für energieautarke Einfamilienhäuser in ganz Europa auseinandergesetzt. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte dieser Häuser Strom und Wärme komplett selbst erzeugen könnten. Diese Unabhängigkeit hat jedoch ihren Preis.
Laut einer Studie könnten aktuell mehr als die Hälfte der Einfamilienhäuser in Europa theoretisch ihre Energieversorgung selbstständig sicherstellen, wenn man die auf den Hausdächern verfügbare Solarkapazität in Betracht zieht. Die Forscher prognostizieren, dass bis zum Jahr 2050 der Anteil dieser autarken Häuser von 53 auf 75 Prozent ansteigen könnte. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Unabhängigkeit auch aus finanzieller Sicht sinnvoll ist. Seine Studie hat das Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in der Fachzeitschrift „Joule“ veröffentlicht.
Kein wirtschaftlicher Vorteil
Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass es für Eigenheime keinen wirtschaftlichen Vorteil bietet, sich vollständig selbst zu versorgen – weder unter den aktuellen noch unter den zukünftig erwarteten Bedingungen. „Selbst im Jahr 2050 wird die Abkopplung vom Stromnetz nicht die wirtschaftlich vorteilhafteste Entscheidung sein“, erläutert Energieökonom und Erstautor Max Kleinebrahm gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die Kosten für die Energie-Autarkie liegen in den meisten Fällen über denen der Versorgung durch das Stromnetz. Nur in Einzelfällen sind sie auf einem vergleichbaren Niveau. Die Investition in eine unabhängige Energieversorgung lohnt sich laut der Studie hauptsächlich für diejenigen, die bereit sind, einen höheren Preis für diese Form der Unabhängigkeit zu zahlen.
Laut der Studie könnten bis Mitte des Jahrhunderts rund 5 Prozent der aktuell etwa 41 Millionen untersuchten europäischen Einfamilienhäuser das Stromnetz verlassen. Diese zwei Millionen Hausbesitzer müssten jedoch mit Mehrkosten von bis zu 50 Prozent im Vergleich zur Netzversorgung kalkulieren. Bei einem Großteil der anderen Einfamilienhäuser wären die Mehrkosten sogar deutlich höher.
So wurde gerechnet
Das Forscherteam nutzte für seine Berechnungen eine umfassende Datenbank, die detaillierte geografische Informationen über den europäischen Gebäudebestand sowie die demografischen Daten der darin wohnenden Haushalte enthält. Diese Daten wurden sorgfältig mit lokalen klimatischen und ökonomischen Faktoren abgeglichen. Um die große Datenmenge effektiv zu bearbeiten, griffen sie auf fortschrittliche Methoden der Komplexitätsreduktion zurück und setzten diese auf Hochleistungsrechnern ein.
Dies ermöglichte es ihnen, für 4.000 repräsentative Einfamilienhäuser optimale und energieautarke Versorgungssysteme zu entwickeln, die nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch kosteneffizient sind. In einem zweiten Schritt wurden neuronale Netze verwendet, um die gewonnenen Erkenntnisse auf die gesamte Stichprobe von 41 Millionen untersuchten Einfamilienhäusern zu extrapolieren. Das Ergebnis ist eine breit angelegte, präzise Analyse, die aufzeigt, wie europäische Haushalte auf energiesparende und autarke Versorgungssysteme umstellen könnten.
In Südeuropa höheres Potenzial als im Norden
Um Regionen zu identifizieren, die sich besonders für eine autarke Energieversorgung eignen, wählten die Forscher 4000 Häuser aus, die repräsentativ für verschiedene europäische Gebiete sind. Sie berücksichtigten dabei Faktoren wie Architektur, Energiebedarf, klimatische Bedingungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Nach der Analyse dieser Daten kamen sie zu dem Schluss, dass Einfamilienhäuser in südeuropäischen Ländern ein größeres Potenzial für eine vollständige energetische Unabhängigkeit aufweisen. In Skandinavien hingegen steht ein hoher Energiebedarf im Winter einer geringen Sonneneinstrahlung gegenüber. Weitere wichtige Faktoren sind die Größe der Dachfläche und die Kosten für Netzstrom, die in einigen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, besonders hoch sind.
Wie autark sollten Eigenheime sein?
Das Team um Kleinebrahm betrachtete auch Szenarien für Hausbesitzer, die nicht vollständig, aber zumindest teilweise unabhängig von der Stromversorgung sein möchten. So wäre für ein Muster-Einfamilienhaus in Deutschland im Jahr 2020 eine Energie-Autarkie von 73 Prozent kosteneffizient gewesen; bis 2050 könnte dieser Wert auf 78 Prozent ansteigen.
Kleinebrahm betont jedoch, dass es aus volkswirtschaftlicher Sicht vorteilhafter ist, wenn auch potenziell autarke Einfamilienhäuser am Stromnetz bleiben. Dies liegt daran, dass die Energiesysteme der Gebäude, wie zum Beispiel Batteriespeicher, zur Stabilisierung des gesamten Netzsystems beitragen können. Daher sollten Politik und Netzbetreiber Hausbesitzer ermutigen, am Netz zu bleiben und gleichzeitig ihre Energieeffizienz zu steigern. (mit dpa)
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