Alternativer Brückenbau im Eilverfahren: Ressourcenschonend und nachhaltig
Brücken schneller und umweltfreundlicher zu bauen – das verspricht ein neues Verfahren, das aus Deutschland kommt. Wird die neue Bauweise im Eilverfahren zur Errichtung von Brücken die Zukunft des Brückenbaus verändern?
Überall in Deutschland gibt es Brücken, die in die Jahre gekommen sind. Viele sind marode und müssten dringend saniert oder gar ersetzt werden. Aber der konventionelle Brückenbau ist nicht nur aufwendig und langwierig, sondern vor allem mit erheblichen Verkehrsstörungen und hohen Kosten verbunden. Was wäre, wenn es einen besseren Weg gäbe?
Die Heitkamp Unternehmensgruppe aus Herne hat eine Bauweise entwickelt, die den Brückenbau revolutionieren könnte. Bei diesem Verfahren werden die Brückenwiderlager aus Geogittern und Erde (sog. geokunststoff-bewehrte Erde, kurz KBE) zu einer stabilen Konstruktion miteinander kombiniert. Auf den Widerlagern wird dann der Überbau aus (Halb-)Fertigteilen abgesetzt. Dadurch lässt sich die Konstruktionszeit von Brücken im Vergleich zu konventionellen Stahlbetonstrukturen erheblich verkürzen. Darüber hinaus betont das ausführende Bauunternehmen den nachhaltigen Aspekt dieser Methode, der sich in einer signifikanten Reduzierung der CO2-Emissionen widerspiegelt. Eines der Pilotprojekte befindet sich auf der A 3 nahe der niederländischen Grenze im Norden von Emmerich am Rhein auf der Stokkumer Straße. Dieses wurde kürzlich im Rahmen des Deutschen Brückenbaupreises ausgezeichnet.
Geogitter und Erde statt Stahl und Beton
Die Kernkomponente dieser alternativen Bauweise ist eine strukturelle Einheit, die aus einer Kombination von Geogittern und Erde besteht. Diese Einheit weist sowohl in Bezug auf Festigkeit als auch Funktionalität eine vergleichbare Leistung auf wie herkömmliche Stahlbetonstrukturen.
Geogitter bestehen aus speziell entwickelten Kunststoffmatten, die in Verbindung mit Erde einen Verbundwerkstoff bilden. Innerhalb dieser speziell konstruierten Struktur dient das Geogitter als Zugbewehrung, vergleichbar mit der Funktion des Bewehrungsstahls in einer konventionellen Stahlbetonkonstruktion. Demgegenüber ist die Erde verantwortlich für die Aufnahme von Druckkräften, äquivalent zur Rolle des Betons in Stahlbetonstrukturen.
Die KBE wird schichtweise in etwa 50 cm hohen Paketen aufgeschichtet und der Boden darin hochverdichtet. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die resultierende Struktur sofort belastbar ist, während traditioneller Beton eine längere Aushärtungszeit benötigt.
Beton wird bei dieser Methode im Vergleich zum konventionellen Brückenbau nur noch sparsam verwendet – hauptsächlich für den Überbau und die hochgesetzten Auflagerbalken. Darüber hinaus dient er als Verkleidung der einzelnen Elemente, um das Geogitter vor schädlicher UV-Strahlung zu schützen und die Langlebigkeit der Konstruktion zu gewährleisten.
Da die Unterkonstruktion hauptsächlich aus Erde und Geogittern besteht, können beträchtliche Mengen an CO2-Emissionen eingespart werden, die normalerweise bei der Herstellung von Stahlbeton anfallen.
Grenzen des Schnellbauverfahrens: Anforderungen und Einschränkungen
Die Bauweise stößt bisweilen jedoch an ihre Grenzen, wenn die Dimensionen und Anforderungen der zu errichtenden Brücke über das bisher Erprobte und Bewährte hinausgehen. Aufgrund des Tragverhaltens und daraus resultierenden Konstruktionsregeln eignet sich die Konstruktion vornehmlich für kleinere Brücken. Große XXL-Brücken, die höhere Lasten tragen müssen, erfordern nach aktuellem Stand weiterhin den Einsatz von Stahlbeton. Das Verfahren wurde bisher nur für die Errichtung von Einfeldbrücken eingesetzt, also für Brücken ohne Mittel- bzw. weitere Stützpfeiler. Daraus resultiert, dass aktuelle Pilotprojekte zeigen, dass die maximale Spannweite mit dieser Methode bei etwa 40 Metern liegt. Obwohl die Bauweise bisher Einschränkungen aufweist, ist zu bemerken, dass viele Brücken eben keine Bauwerke der Superlative sind. Daher könnte dieses Verfahren auf den weitaus größeren Teil kleinerer und mittlerer Brücken Anwendung finden.
Neben der Größe der Brücke ist eine präzise Planung und Vorbereitung für diese Methode von großer Bedeutung. Trotz der scheinbaren Komplexität der Konstruktion, besonders hinsichtlich der Anforderungen an die Geogitter und der Bedeutung einer sorgfältigen Verdichtung der Erdschichten, ist eines der Hauptvorteile dieser Methode, dass sie mit Standard-Erdbaugeräten umgesetzt werden kann und keine spezialisierte Ausrüstung erfordert.
Ein Praxisbeispiel: Die Brücke bei Emmerich am Rhein
Die Praxistauglichkeit einer Brücke durch dieses Verfahren wurde wie eingangs bereits erwähnt, erfolgreich in einem Pilotprojekt auf der A 3 bei Emmerich am Rhein demonstriert. Zum Nachweisen der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Konstruktion wurde das Pilotprojekt von der ELE Beratende Ingenieure GmbH, Essen, wissenschaftlich begleitet. Im Zuge dessen wurde u. a. umfangreiche Messtechnik eingesetzt, um das Verformungs- und Tragverhalten der Konstruktion zu dokumentieren und bewerten zu können.
Die Brücke wurde im Rahmen des Deutschen Brückenbaupreises 2023 von der Jury für nachhaltiges Bauen als wegweisend in Bezug auf Nachhaltigkeit und Baugeschwindigkeit betitelt und mit dem Sonderpreis für eine herausragende Lösung oder Entwicklung auf dem Weg zum klimaneutralen Bauen ausgezeichnet.
Zukunftsweisende Brückenkonstruktion: Chancen, Herausforderungen und Bürokratie
Obwohl das Verfahren neu im Kontext des Brückenbaus ist, ist der Einsatz von bewehrter Erde in anderen Bereichen des Bauwesens nicht unbekannt. Tatsächlich wird es genutzt, um beispielsweise Straßen zu stärken und zu stützen, insbesondere in Gebieten, in denen der Untergrund für traditionelle Bautechniken ungeeignet ist.
Die Anwendung der Technologie der bewehrten Erde auf den Brückenbau ist jedoch eine vielversprechende Alternative. Sie zeigt, wie einfache, überzeugende und robuste Brückenkonstruktionen schnell und nachhaltig realisiert werden können. Dennoch wird das Verfahren immer noch als „besondere und nicht geregelte Bauweise“ eingestuft. Das bedeutet, es bedarf einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).
Trotz dieser Herausforderungen bleibt es spannend zu beobachten, wie sich das Konzept in der Praxis weiterentwickelt und inwieweit es dazu beitragen kann, den Brückenbau zu revolutionieren.
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