Autobahnbrücken halten dem gewachsenen Verkehr kaum noch stand
Wegen plötzlich entdeckter Alterungserscheinungen gerieten die Brücke des Leverkusener Kreuzes (A 1/A 3) und die nahe gelegene Rheinquerung der A 1 in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Die zum Teil bereits behobenen Schäden sind aber nur die Spitze des Eisbergs sanierungsbedürftiger Autobahnbrücken in Deutschland.
Ursprünglich für eine Nutzungsdauer von fast einem Jahrhundert ausgelegt, haben selbst alte hiesige Autobahnbrücken gerade mal die Hälfte ihres rechnerischen Brückendaseins hinter sich. Kein Problem, könnte man meinen. Indes: Vor 50 Jahren ahnte man noch nichts vom heutigen Verkehr. Und nicht nur, dass die Zahl der Fahrzeuge seitdem dramatisch gestiegen ist, auch das Gewicht der Fahrzeuge – vor allem das der Lkw – wurde immer höher. Das setzt jetzt den Brücken aus den 60er Jahren zu.
Um jetzt das mögliche vorschnelle Altern von Autobahnbrücken zu erfassen, überprüfen in den Bundesländern Experten der Straßenbauverwaltungen viele Tragwerke auf Schäden. Allein in Nordrhein-Westfalen stehen 375 Brücken auf dem Prüfstand. Eines ist hier jetzt schon klar: Die notdürftig reparierten Leverkusener Brücken werden in absehbarer Zeit durch neue ersetzt.
Dass der Autobahnbau dem Verkehrsaufkommen hinterherhinkt, ist seit Langem bekannt. Jetzt aber nimmt die Entwicklung dramatische Formen an. Eine der Ursachen: Bis kurz vor der deutschen Wiedervereinigung lautete bei Umweltschützern und Grünen-Politikern die Parole: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Das wirtschaftspolitisch zweifelhafte Argument zeigte dennoch Wirkung: Zunehmend wurden Neubauten medienwirksam ausgebremst. Wegen Bedenken hinsichtlich ihrer Standsicherheit gerieten Anfang des Jahres vor allem in Nordrhein-Westfalen Autobahnbrücken in die Schlagzeilen der Medien. Prüfingenieure hatten an einzelnen Bauwerken Risse festgestellt, die an einer bedenkenfreien Weiternutzung zweifeln ließen.
Lkw fahren nur noch 60 km/h und halten große Abstände
Während der Landesbetrieb Straßenbau NRW 375 Autobahnbrücken nachrechnete, stellte er fest: „Die A3-Brücke im Autobahnkreuz Leverkusen hält im jetzigen Zustand den Verkehrsbelastungen nicht mehr stand.“ So ist derzeit im Bereich dieses Autobahnkreuzes der Verkehr auf der sechsstreifigen Überführung der A1 beschränkt. Auf der A3-Brücke gibt es jetzt verengte Fahrstreifen und eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h. Kurz vorher sperrte man ebenfalls bei Leverkusen die sechsstreifige Rheinquerung der A1 für den schweren Lkw-Verkehr, und zwar drei Monate.
Auf der Brücke im Bereich des Leverkusener Kreuzes gilt neben dem Tempolimit von 60 km/h überdies ein Überholverbot für Lkw und für diese zudem die Vorschrift eines 25-m-Mindestabstands. Bei der verengten Streckenführung wird der Verkehr von den statisch problematischen Rändern weg zur Mitte der Bauwerke verschoben. Lkw von über 44 t Gewicht dürfen überhaupt nicht mehr auf die Brücke.
Bei der A-3-Brücke des Autobahnkreuzes, die im Jahr 1961 eingeweiht wurde, handelt es sich um einen Stahlüberbau, der als orthotrope Platte ausgeführt worden war. Die Nachrechnung des Brückenbauwerkes ergab, dass es hier vor der Verkehrsbeschränkung Spannungsüberschreitungen von 60 % bis 70 % gab.
Großes Aufsehen hatte auch die Meldung von Schäden an der 1965 fertig gestellten A-1-Rheinbrücke bei Leverkusen erregt. Das viel befahrene, insgesamt 1061 m lange Bauwerk – eine stählerne Schrägkabelbrücke mit einer linksrheinischen Vorlandbrücke aus Spannbeton (372 m lang) – musste vom 30. November 2012 bis zum 3. März 2013 für Fahrzeuge über 3,5 t Gewicht gesperrt werden. In den drei Monaten war der NRW-Landesbetrieb Straßenbau jedoch in der Lage, beschädigte Brückenträger reparieren und verstärken zu lassen.
Als Grund für die Notwendigkeit der Instandsetzungsmaßnahmen an der Rheinbrücke galten Risse im Bereich des stählernen Tragwerks. Betroffen waren sieben Querträger im Anschlussbereich an den Hauptträgern. „Die Risse hatten sich bereits in einem ersten Ansatz im Hauptträger fortgesetzt“, betont der Landesbetrieb Straßenbau. Im Reparaturverlauf mussten bei den 30 schwerwiegendsten Schäden ganze Bleche ausgetauscht werden. Bei weiteren rund 350 betroffenen Querträgern erfolgte die Instandsetzung durch Ausfugen und erneutes Verschweißen.
Leverkusener Brücke wird jetzt ständig überwacht
Um hinsichtlich der Standfestigkeit sicher zu sein, wurden an fünf Stellen der A-1-Rheinquerung Monitorsysteme angebracht, die jetzt „kleinste Veränderungen der Brücke erfassen können“, so der Landesbetrieb Straßenbau.
Laut einer Veröffentlichung des Leverkusener Anzeigers wolle die Bauverwaltung schon 2017 mit einem Neubau beginnen, wobei die Brücke insgesamt zehn Fahrstreifen aufnehmen soll. Das sei nötig, weil der Landesbetrieb Straßenbau auf der A 1 bis 2025 mit einer Zunahme des Verkehrs um 25 % rechnet.
Doch nicht nur in Nordrhein-Westfalen gibt es wegen des wachsenden Schwerlastverkehrs Handlungsbedarf an Autobahnbrücken. Die Straßenbauverwaltungen der Bundesrepublik müssen aufgeständerte Autobahnbereiche überprüfen. Das geschehe – so die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bergisch-Gladbach – wie in Nordrhein-Westfalen per Nachrechnung.
Die BASt hat zusammen mit den Ländern einen Kriterienkatalog entwickelt, um die Brücken zu bewerten. Hinsichtlich des Alters oder der festgestellten Verkehrsbelastung hat man für die Bauwerke Kennziffern ermittelt, die sie in eine Reihenfolge der Dringlichkeit stellen. Erleichtert wird die Bewertung der Brückensicherheit durch eine schon früher erhobene Vorschrift, bei solchen Bauten jeden Schaden oder Mangel in einem „Brückenbuch“ elektronisch zu dokumentieren. Das Brückenbuch mit den wichtigsten Daten über die Konstruktion, über Schäden und deren Instandsetzung werde bereits beim Bau der Brücke angelegt und begleite sie bis zu ihrem Ende.
Ein Beitrag von: