BalanceBoard light: Popcorn geht in den Bau
Göttinger Wissenschaftler haben einen neuen Verbundwerkstoff aus Popcorn entwickelt. Das neue Material ist vollständig recycelfähig. Es ist genauso fest wie eine Standard-Spanplatte, dabei aber wesentlich leichter. Der Popcorn-Verbundwerkstoff dürfte vor allem für die Möbel- und die Fahrzeugindustrie von Interesse sein.
Mais ist eine beliebte Kulturpflanze in Deutschland: Mit Energiemais lässt sich in Biogasanlagen hervorragend günstige erneuerbare Energie erzeugen. Futtermais sorgt dafür, dass die Rinder kräftig wachsen. Aus Mais erzeugtes Popcorn ist im Kino beim neuesten Blockbuster die erste Wahl. Und als Verpackungsmaterial umhüllt Popcorn sanft so manche wertvolle Frachtsendung. Jetzt macht Popcorn auch im Leichtbau Karriere.
Werkstoff ist vollständig aus Popcorn
Forscher am Büsgen-Institut der Universität Göttingen haben jetzt einen Verbundwerkstoff entwickelt, der vollständig aus Popcorn besteht. Dieser neue Werkstroff eignet sich sowohl für den Wärmeschutz als auch – in Verbindung mit zwei biegesteifen Decklagen – zur Herstellung extrem leichter, hochfester Sandwich-Platten. Auf der Fachmesse LIGNA 2015 in Hannover präsentieren die Wissenschaftler vom 11. bis zum 15. Mai 2015 ihre Erfindung im Niedersachsen Pavillon P32 am Stand A04.
„Grundlage für eine neue Generation von Holzwerkstoffen geschaffen“
Schon 2011 entwickelten die Göttinger Wissenschaftler einen recycelfähigen Werkstroff, der aus Holzspänen und Popcorngranulat besteht. Das Produkt „BalanceBoard“ erfüllt die technischen Anforderungen an vergleichbare Standard-Spanplatten, ist aber um 35 Prozent leichter. „Mit BalanceBoard haben wir die Grundlage für eine neue Generation von Holzwerkstoffen geschaffen“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Alireza Kharazipur von der Fakultät für Forstwissenschaft und Waldökologie der Universität Göttingen.
Patent am 8. April 2008 veröffentlicht
„Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf das Gebiet der Holz und/oder Verbundwerkstoffe, insbesondere der Spanplatten und Faserplatten, sowie Verbundwerkstoffe, welche Lignocellulose und Popcorn enthalten. Holz und/oder Verbundwerkstoffe, insbesondere Span- oder Faserplatten sind seit nunmehr mehr als hundert Jahren als Ersatz für Massivholz in der Möbelindustrie, Baugewerbe etc. bekannt“, schreibt Kharazipour in seiner Patentschrift, die am 8. April 2008 veröffentlicht wurde.
In dieser Patentschrift verrät Kharazipour auch das Popcorn-Rezept: „Zur Herstellung des Popcorns wurde Puffmais in eine Papiertüte gegeben und in einer Industriemikrowelle bei 200 Watt für zwei Minuten erhitzt. Das so gewonnene Popcorn wurde mit Hilfe einer Rätsch-Mühle in etwa fünf Millimeter große Stücke zerkleinert und anschließend zur Herstellung von Holzwerkstoffen genutzt.“
„Anwendungsfelder sind allgemein der Leichtbau“
Jetzt sind die Göttinger Wissenschaftler einen großen Schritt voran gegangen. Sie haben die Holzspäne weggelassen und den Werkstoff vollständig aus Popcorn hergestellt. Diese neue Platten sind nun bei gleicher Festigkeit mit 80 bis 300 Kilogramm je Kubikmeter noch einmal deutlich leichter als die BalanceBoard, die es auf 500 Kilogramm je Kubikmeter bringt. „Anwendungsfelder sind allgemein der Leichtbau, etwa für Möbel und insbesondere im Fahrzeugbau, wo jedes eingesparte Kilogramm des Fahrzeugs zusätzliche Nutzlast ermöglicht“, betont Kharazipour.
Auch zur Isolierung und Dämmung geeignet
Aufgrund des geringen Gewichts der neuen Werkstoffe lassen sich beim Transport und bei der weiteren Verarbeitung der Platten Energie und Kosten sparen. Es werden so nicht nur Ressourcen geschont, sondern auch das Klima: Denn die Maispflanzen speichern Kohlenstoffdioxid, das in der Spanplatte gebunden ist und erst beim Verroten wieder freigesetzt wird.
Wegen ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit sind die Popcorn-Verbundwerkstoffe auch hervorragend zur Isolierung und Dämmung im Bau geeignet. Die Vermarktung der neuen Erfindung hat die Patentverwertungsagentur MBM ScienceBridge GmbH übernommen, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stiftungsuniversität Göttingen. Eine Verwertungslizenz hat unter anderem die Pfleiderer Holzwerkstoffe GmbH erhalten.
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