Bauen wird sehr viel teurer und dauert länger: Was auf Bauherren zukommt
Rohstoffe wie Holz und Elektronikteile sind extrem knapp und Kunden müssen immer länger auf Handwerker warten. Experten warnen vor einer Bau-Krise.
Auf vielen Baustellen im Land ist es plötzlich ruhig. Zu ruhig. Nichts geht mehr im Hausbau, es fehlt an Baumaterial und Handwerkern. Und Bauherrn werden bald noch länger warten müssen, bis es endlich weitergeht.
Rohstoffe sind extrem knapp, besonders Holz – und das wenige, das da ist, wird immer teurer. Das alte Spielchen von Nachfrage und Angebot. Ein Grund liegt im Bauboom, der auf der ganzen Welt herrscht. Deutsche Sägewerke exportieren riesige Mengen ins Ausland. Die Hauptabnehmer sind derzeit die USA und China. Kunden von dort zahlen bessere Preise als hierzulande und selbst minderwertiges Holz, das wegen Sturmschäden oder Borkenkäferbefall notgefällt werden musste, geht weg wie sonst nur warme Semmeln. 20 Millionen Festmeter Holz wurden 2020 exportiert. Das sind über 80 Prozent mehr als im Jahr davor.
Preise für Rohstoffe und Baumaterial explodieren
Aber nicht nur Holz ist knapp. Auch die Nachfrage und damit die Preise für andere Baumaterialien wie Metalle, Dämmwolle, Farben und Silikone steigen stark an. Der Zentralverband des Baugewerbes (ZDB) hat bereits vor Wochen auf eine „sehr dynamische“ Preisentwicklung und Lieferschwierigkeiten hingewiesen. Die Preise für Mineralölerzeugnisse sind demnach um mindestens 15 Prozent und Betonstahl um 30 Prozent seit September 2020 angestiegen. Und der Bundesverband Farbe spricht von Preiserhöhungen um 50 Prozent bei Wärmedämmung und bei Trockenbauprofilen.
Containerschiff Ever Given: Extreme Lieferengpässe
„Hersteller kommen nun mit dem Wiederhochfahren der Produktion nicht nach“, sagt Handwerkskammer-Präsident Andreas Ehlert. Viele Produzenten hatten in der ersten Phase der Pandemie die Erzeugung gedrosselt. Jetzt sind die Lager leer. „Hält diese Mangelsituation an, könnten Baustopps und in der Folge auch Kurzarbeit die Folge sein – trotz voller Auftragsbücher“, so Ehlert.
15 Wochen Wartezeit, bis der Auftrag überhaupt bearbeitet werden kann
Er nennt die Situation „ein absolutes Brandthema“. Der Materialengpass könne sich zu „einem echten Hemmschuh für eine rasche konjunkturelle Erholung der gewerblichen Wirtschaft nach Ende der Pandemie auswachsen“, so Ehlert.
Neben Holz und anderen Baumaterialien werden auch elektronische Teile etwa für Kabel knapp. „Kunden müssen inzwischen wegen der Lieferengpässe noch länger auf einen Handwerker warten, auch wenn das natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich ist“, sagte jetzt Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Unsere Betriebe tun da gerade ihr Bestes, damit sich das nicht oder nur in Maßen auf Kundenseite auswirkt. Im Gesamthandwerk liegt die durchschnittliche Auftragsreichweite derzeit bei 8,8 Wochen.“ Die Auftragsreichweite gibt an, wie lange der Auftragsbestand noch ausreicht. „Im Bau- und Ausbaubereich jedoch ist es so, dass man aktuell mit mindestens zehn und manchmal sogar bis zu 15 Wochen rechnen muss, bis ein Auftrag begonnen und abgearbeitet wird“, so Wollseifer.
Halbleiter sind Mangelware
Der Bau- und Ausbaubereich drohe wegen der Materialknappheit und der Preisexplosion in eine Krise zu gerate. „Erhebliche Engpässe sehen wir nach wie vor bei bestimmten Metallen und Kunststoffen, zudem melden die Betriebe uns, dass auch Vorprodukte wie Schrauben langsam knapp werden.“ Auch in den nächsten Monaten werde die Versorgung mit den für die Elektrohandwerke wichtigen Halbleiterprodukten weiter problematisch bleiben. Zumal sie auch andere Branchen um die knappen Ressourcen konkurrieren: Halbleiter sind etwa auch in der Autoindustrie extreme Mangelware.
„Bauen wird teurer werden“, glaubt Wollseifer. Eine genaue Größenordnung könne er nicht benennen. Aber zumindest einen Anhaltspunkt kann er liefern: „Wir haben bei den verschiedenen Materialien in den letzten drei bis fünf Monaten Materialteuerungen von 20 bis 30 Prozent gehabt – bis hin zur Verdreifachung des Materialpreises bei einzelnen Gütern.“
Bei bereits bestehenden Verträgen mit privaten Auftraggebern ließen sich Preissteigerungen nicht komplett an die Kunden weitergeben, sagte Wollseifer. „Aber bei Neuverträgen muss das bei der Kalkulation berücksichtigt werden, wenn die Betriebe nicht von vorneherein ein Minusgeschäft machen wollen. Da unsere Betriebe die Materialien nur so teuer beschaffen können, wie sie angeboten werden, hat das zur Folge, dass die dann produzierten Waren und Leistungen für die Kunden künftig deutlich teurer werden.“
Data Mining hilft bei der Suche nach Halbleitern
Bau-Boom könnte in Bau-Krise münden
Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die angespannte Situation auf den privaten Wohnungsbau auswirkt, was wiederum Konjunktureinbrüche zur Folge hätte. Auch Modernisierungen im Sinne des Klimaschutzes könnten allmählich abflauen, weil Bauherren beziehungsweise Auftraggeber keine Risiken eingehen wollen.
Wollseifer nennt die momentane Situation absurd. „Unsere Betriebe haben volle Auftragsbücher, aber es lohnt sich in vielen Bereichen angesichts der derzeitigen Einkaufspreise für Material gar nicht, die Aufträge auszuführen. Denn die Betriebe wissen, dass sie dann ein Minus machen.“ (mit dpa)
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