Beton des Holocaust-Mahnmals in Berlin schon nach neun Jahren marode
Das wirft ein schlimmes Bild auf deutsche Ingenieurskunst: Das Holocaust-Mahnmal in Berlin ist nur neun Jahre nach seiner Fertigstellung so marode, dass laut Expertenmeinung zwei Drittel der Betonstelen nicht mehr repariert werden können. Der Beton ist gerissen, die Stelen brechen auseinander. Ein Beweissicherungsverfahren läuft.
Bislang steht noch nicht fest, wo die Wahrheit genau liegt. Der zuständige Gerichtsgutachter und Baustofftechnologe Wolfgang Brameshuber hatte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus erklärt, die rissigen Betonstelen des Holocaust-Mahnmals könnten nicht repariert werden. „Etwa zwei Drittel der unbewehrten Stelen haben Risse“, sagte der Experte. „Diese Stelen sind nicht zu sanieren.“ In den Medien geistert sogar die Zahl 2200 umher. So viele Stelen, von insgesamt 2711, sollen schwer durch Risse beschädigt sein. Die Süddeutsche Zeitung befürchtet gar das Schlimmste – ein mögliches Auseinanderbrechen von einzelnen Stelen.
Stelen sind innen hohl und aus Betonplatten zusammengesetzt
Die „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, zu deren Aufgaben auch die Verkehrssicherungspflicht in dem Stelenfeld gehört, betont hingegen, dass der bauliche Zustand halbjährlich untersucht werde und kein akutes Sicherheitsrisiko bestehe. Über die Kosten werde man nicht spekulieren, so die Stiftung, denn es sei noch gar nicht klar, mit welcher Methode die Stelen repariert oder erneuert würden. Und auch Lea Rosh, die Initiatorin des Denkmals, findet die Berichterstattung über die Baumängel im Denkmal übertrieben. Es sei schließlich völlig natürlich, dass der Beton ein bisschen arbeite, sagte Rosh.
Diese Aussage gehört allerdings mit Sicherheit in die Abteilung Untertreibung, denn dass die Risse im Beton der Stelen allen Beteiligten große Sorgen machen, steht fest. Die Stelen von unterschiedlichen Höhen sind bis zu 4,70 Meter hoch und wiegen bis zu 16 Tonnen. Obwohl sie massiv wirken, sind sie innen hohl und aus 15 Zentimeter dicken Betonplatten zusammengesetzt.
Baufirma bei der Einweihung: Der Beton hält 1000 Jahre
Schon kurze Zeit nach der Fertigstellung des Mahnmals, das 2015 zehn Jahre alt wird, wurden erste Schäden festgestellt. Inzwischen werden 48 Stelen durch spezielle Manschetten zusammengehalten. Die Südddeutsche Zeitung hat herausgefunden, dass weitere 380 Manschetten bestellt worden seien.
Dabei hatte die Baufirma zum Zeitpunkt der Einweihung damit gerechnet, dass das Mahnmal eine Ewigkeit halten würde. Die Tageszeitung Die Welt erinnert an die Aussage der Firma, dass die Stelen aus „so gutem Beton“ gefertigt worden seien, dass sie „1000 Jahre“ halten würden. Der Chef der verantwortlichen Betonunternehmen habe die Haltbarkeit des Betons damals mit den Pyramiden von Gizeh verglichen, so die Welt.
Architekt befürchtet, dass Zahl der Armiereisen pro Stele nicht ausreicht
Um die Gründe für die Rissbildung in den Stelen herauszufinden, haben 2012 die Denkmalstiftung und die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Beweissicherungsverfahren gegen die Baufirma eröffnet. Darin soll geklärt werden, wer die Verantwortung für die Schäden am Mahnmal trägt. Der amerikanische Architekt Peter Eisenman (81), der das Mahnmal entworfen hat, sieht die Schuld beim Denkmal-Kuratorium.
In einem Interview mit dem Magazin Stern sagte Eisenman, das 22-köpfige Kuratorium habe die Kosten drücken wollen und deshalb auf Experten gehört, die die Zahl der Armiereisen pro Stele zu niedrig angesetzt hätten. Das reiche nun nicht aus, um die Spannungen im Beton auszugleichen. Eisenman selbst sieht sich nicht in der Verantwortung. Auch die Stahlbänder, mit denen die am schwersten beschädigten Stelen zusammengehalten werden, dürften keine Dauerlösung sein. Auf lange Sicht müssten die Stelen erneuert werden.
Die Rissbildung wird auf jeden Fall auch durch die starken Temperaturunterschiede gefördert, denen das Stelen-Feld ausgesetzt ist. Während eine Seite des Betons von der Sonne aufgeheizt wird, bleibt die andere Seite kalt. Auch die 40 Millionen Besucher, die seit 2005 das Mahnmal besucht und besichtigt haben, gehen nicht spurlos am Beton vorüber. Architekt Eisenman schlägt nun vor, die Stelen mit Beton aufzufüllen. „Wenn man die Risse damit verhindern könnte, habe ich kein Problem damit.“
Ein Beitrag von: