Der Gasometer in Oberhausen – hier haben Ingenieure Großes geleistet
Der Gasometer in Oberhausen hat nicht umsonst eine Auszeichnung für besondere Ingenieursbaukunst erhalten. Wir schauen uns das Bauwerk genauer an.
Wer den Gasometer in Oberhausen betritt, wird sofort durch eine Tafel darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier um ein historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland handelt. Aber allein beim Anblick des zylindrischen Kolosses wird dies jedem Besucher bewusst.
Mit einer Höhe von 117,5 Metern und einem Durchmesser von knapp 68 Metern ist der Gasometer Oberhausen ein Wahrzeichen des Ruhrgebiets. Ursprünglich als größter Scheibengasbehälter Europas erbaut, steht er heute als Symbol für den Wandel der Region. Das imposante Bauwerk erzählt eine Geschichte von technischer Innovation, industriellem Wandel und kultureller Erneuerung.
Inhaltsverzeichnis
- Ein Bauwerk der Superlative
- Die Gasdruckscheibe sorgte für konstanten Druck
- Der Zylinder: Eine Meisterleistung in Stahl
- Die hydraulische Abdichtung des Gasometers
- Wartungsarbeiten bei laufendem Betrieb möglich
- Korrosionsschutz als besondere Herausforderung
- Eine wechselvolle Geschichte
- Vom Gasspeicher zur Kulturikone
- Sanierung zwischen 2019 und 2021
Ein Bauwerk der Superlative
Der Gasometer Oberhausen wurde in den Jahren 1927 bis 1929 erbaut, als das Ruhrgebiet das Herz der deutschen Schwerindustrie war. Mit seinem gigantischen Speichervolumen von 347.000 Kubikmetern war er der größte seiner Art in Europa. Das Bauwerk wurde von der Gutehoffnungshütte (GHH) in Auftrag gegeben, um Gas aus den umliegenden Hochöfen zu speichern und es flexibel weiterzuverteilen.
Der Scheibengasbehälter war eine technische Meisterleistung. Er folgte einem von MAN Gustavsburg entwickelten Prinzip: Eine Gasdruckscheibe „schwamm“ auf dem Gas und hielt den Druck konstant. Die Speicherkapazität machte den Betrieb der Industrieanlagen effizienter und senkte Verluste. Schauen wir uns die Gasdruckscheibe einmal etwas genauer an.
Die Gasdruckscheibe sorgte für konstanten Druck
Das Herzstück des Gasometers war die schon genannte Gasdruckscheibe, eine gigantische Stahlkonstruktion, die auf dem gespeicherten Gas „schwamm“. Diese Scheibe konnte sich abhängig von der Gasmenge im Inneren des Behälters vertikal bewegen. Bei voller Befüllung erreichte sie eine Höhe von 95 Metern.
Die Gasdruckscheibe wurde mit einem speziellen Öl-Teer-Gemisch geschmiert, das entlang der Wände des Gasometers verlief und eine luftdichte Abdichtung sicherstellte. Dadurch konnte das Gas zuverlässig gespeichert werden, ohne zu entweichen. Das Öl-Teer-Gemisch wurde kontinuierlich gefiltert und erneut verwendet, um eine gleichmäßige Schmierung zu gewährleisten. Rückstände aus diesem Prozess sind bis heute an den Innenwänden des Gasometers sichtbar und schützen das Material vor Korrosion.
Um den erforderlichen Gasdruck von 300 Millimetern Wassersäule aufrechtzuerhalten, reichte das Eigengewicht der Gasdruckscheibe von etwa 600 Tonnen nicht aus. Deshalb wurden zusätzliche Betongewichte auf der Scheibe installiert, wodurch das Gesamtgewicht auf über 1200 Tonnen erhöht wurde. Diese Zusatzlast war entscheidend, um das Gas so zu komprimieren, dass es effizient genutzt werden konnte.
Der Zylinder: Eine Meisterleistung in Stahl
Der Gasometer besitzt eine zylindrische Form mit einem 24-eckigen Grundriss. Dieser wird durch 24 Doppel-T-Träger gebildet, die die vertikale Stabilität des Bauwerks gewährleisten. Zwischen diesen Trägern wurden Stahlplatten – sogenannte Mantelbleche – mit einer Länge von 8,80 Metern und einer Dicke von nur 5 Millimetern vernietet.
Diese Platten bilden die Außenhülle des Gasometers, die sowohl gasdicht als auch stabil ist. Trotz ihrer Dünne sind die Mantelbleche dank der Stahllegierung und der Niettechnik äußerst widerstandsfähig gegen Belastungen und Korrosion.
Die Außenhülle war so konzipiert, dass sie auch bei maximaler Befüllung den Druck von 300 Millimetern Wassersäule sicher aufnehmen konnte. Die gasdichte Verbindung zwischen den Platten wurde durch präzise Nieten und eine spezielle Abdichtung gewährleistet. Wir haben die Abdichtung bereits kurz beschrieben. Hier noch einmal etwas ausführlicher.
Die hydraulische Abdichtung des Gasometers
Die Abdichtung des Gasometers wurde durch eine hydraulische Dichtungstechnologie erreicht. Am unteren Rand des Gaszylinders befand sich ein Wasserbecken, das mit einem Öl-Teer-Gemisch gefüllt war. Dieses Gemisch bildete eine Barriere, die das Gas daran hinderte, nach unten zu entweichen. Gleichzeitig sorgte die Flüssigkeitsschicht dafür, dass die Gasdruckscheibe reibungslos auf- und abgleiten konnte.
Ein ausgeklügeltes Pumpsystem hielt das Öl-Teer-Gemisch kontinuierlich in Bewegung. Das Gemisch wurde am Boden des Behälters gesammelt, gereinigt und wieder nach oben gepumpt, um die Dichtung aufrechtzuerhalten. Diese innovative Lösung war nicht nur effizient, sondern auch wartungsfreundlich, da Verschleißteile leicht ausgetauscht werden konnten.
Wartungsarbeiten bei laufendem Betrieb möglich
Der Gasometer war so konstruiert, dass Wartungsarbeiten auch bei laufendem Betrieb möglich waren. Die Gasdruckscheibe konnte betreten werden, ohne dass Gas entwich, da der darunterliegende Raum vollständig luftdicht war. Dies erleichterte Inspektionen und Reparaturen erheblich.
Im Inneren des Gasometers befanden sich außerdem Steigleitern und Plattformen, die es den Technikern ermöglichten, alle Bereiche des Behälters zu erreichen. Die durchdachte Anordnung dieser Elemente zeugt von der Funktionalität und Ingenieurskunst, die in die Planung des Gasometers eingeflossen sind.
Korrosionsschutz als besondere Herausforderung
Eine der größten Herausforderungen bei der Konstruktion und dem Betrieb des Gasometers war der Schutz vor Korrosion. Die Außenhülle und die Gasdruckscheibe wurden regelmäßig gereinigt und mit speziellen Schutzschichten versehen. Insgesamt erhielt der Gasometer im Laufe seiner Betriebszeit 14 Farbschichten, die während der Sanierung 2019–2021 vollständig entfernt wurden.
Heute schützt eine mehrlagige Beschichtung aus Zinkstaub, Zwischen- und Deckschichten das Bauwerk vor Witterungseinflüssen. Der aktuelle Farbton, ein grauer Grundton mit oxydrötlicher Einfärbung, wurde nach historischen Vorbildern gewählt und erinnert an die ursprüngliche Optik des Gasometers nach seinem Wiederaufbau 1949.
Eine wechselvolle Geschichte
Der Gasometer diente zunächst zur Speicherung von Gichtgas, einem Nebenprodukt der Hochöfen. Später wurde auch das hochwertigere Koksgas der benachbarten Kokerei Osterfeld gespeichert. Der Gasometer versorgte die umliegenden Industrieanlagen, darunter Walzwerke und die Ruhrchemie, mit Energie.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Gasometer mehrfach bombardiert und schwer beschädigt. Ein Brand bei Reparaturarbeiten 1946 führte dazu, dass das Bauwerk bis auf das Fundament abgetragen werden musste. Der Wiederaufbau dauerte bis 1949 und nutzte teilweise Originalteile wie das Dach. Diese Phase zeigte die Bedeutung des Gasometers für die regionale Wirtschaft, da er trotz der Zerstörungen wieder in Betrieb genommen wurde.
Mit der Schließung der Kokerei Osterfeld und der zunehmenden Nutzung von Erdgas wurde der Gasometer überflüssig. 1988 wurde der Betrieb eingestellt, und das Bauwerk drohte zu verfallen. Abrisspläne wurden diskutiert, jedoch scheiterten sie an den hohen Kosten. Schließlich setzte sich die Idee durch, den Gasometer als kulturelle Einrichtung zu erhalten.
Vom Gasspeicher zur Kulturikone
Nach der Stilllegung erkannten Denkmalschützer und Stadtplaner das Potenzial des Gasometers. Mit Unterstützung der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park wurde das Bauwerk 1993/94 für 16 Millionen D-Mark zur höchsten Ausstellungshalle Europas umgebaut.
Die Gasdruckscheibe wurde in 4,20 Metern Höhe fixiert, und unter ihr entstand ein riesiger Ausstellungsraum. Mit über zehn Millionen Besuchern seit seiner Eröffnung hat sich der Gasometer als kulturelles Zentrum etabliert. Jährlich wechselnde Ausstellungen, Theateraufführungen und Konzerte locken Menschen aus aller Welt an. Die außergewöhnliche Akustik und das einzigartige Raumgefühl machen den Gasometer zu einem Ort, der Kunst und Technik miteinander verbindet.
Das Dach, das über 592 Stufen oder mit dem Aufzug erreichbar ist, bietet einen unvergleichlichen Panoramablick. Bei klarem Wetter reicht die Sicht bis zu 35 Kilometer – ein Erlebnis, das den Besuch unvergesslich macht.
Sanierung zwischen 2019 und 2021
Von 2019 bis 2021 wurde der Gasometer umfassend saniert, um ihn für kommende Generationen zu erhalten. Das Fundament wurde verstärkt, die Außenhülle von alten Farbschichten befreit und neu beschichtet.
Besondere Herausforderungen stellten die Arbeiten am Dach dar, das nur mit speziellen ferngesteuerten Robotern bearbeitet werden konnte. Insgesamt wurden, wie bereits erwähnt, 14 Farbschichten entfernt und durch eine neue Beschichtung ersetzt, die an das ursprüngliche Farbkonzept von 1949 angelehnt ist.
Mit Unterstützung von Bund, Land und Regionalverband Ruhr wurde die Sanierung für über 14 Millionen Euro finanziert. Diese Maßnahmen unterstreichen die Bedeutung des Gasometers als kulturelles und historisches Wahrzeichen.
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