Diese 7 Punkte machen die nachhaltige Megacity der Zukunft aus
Laut einer Statistik der Uno werden bis 2050 mehr als 70 % der Menschen in Städten leben. Ob Wasser, Energie oder Mobilität: Stadtentwickler stehen im Zuge weltweiter Trends wie Klimawandel, demografischem Wandel und zunehmender Ressourcenknappheit vor zahlreichen Herausforderungen. Wir haben uns Konzepte für nachhaltige Städte der Zukunft angesehen und was heute bereits im Sinne der Nachhaltigkeit umgesetzt wird. Begleiten Sie uns auf einen Rundgang durch die Giga-Stadt der Zukunft.
In Ballungszentren ist das Angebot an Arbeitsplätzen vielfältiger und größer als in Kleinstädten oder auf dem Land. Die Infrastruktur und kurze Wege machen das Leben in der Stadt außerdem bequemer. Derzeit leben etwa 55 % der Weltbevölkerung in Städten – Tendenz steigend. Schon heute gibt es „Megacities“ wie Tokio, New York und Berlin, in denen immer mehr Menschen wohnen wollen. Von einer Megacity spricht man, wenn rund 10 Millionen Einwohner in der Stadt leben.
Bislang ist das Leben in den 33 bereits bestehenden Megametropolen eine sehr kostenintensive Angelegenheit. Die hohe Bevölkerungsdichte und der knappe freie Wohnraum sorgen für stetig steigende Grundstücks- und Mietpreise. Nicht nur das geringe Platzangebot, sondern auch die breit gefächerten aber häufig veralteten Infrastrukturen werden durch steigende Bewohnerzahlen in Mitleidenschaft gezogen. Natürlich gibt es eine ganze Reihe weiterer Gründe, weshalb es sehr schwierig ist, eigentlich benötigte Verkehrswege und städtische Einrichtungen an die Anforderungen der wachsenden Bevölkerungszahlen anzupassen. Zum einen spielen erhaltungswürdige, historische Gebäude eine große Rolle, aber auch eine hohe Zahl an verschiedenen Eigentümern und damit verbundene Mietrechte. Zudem kommen noch exponentiell produzierter Müll und die Luftverschmutzung, Staus und die begrenzten Kanalisationseinrichtungen hinzu. Faktoren, die höchst schädlich für Gesundheit, Sicherheit und Klima sind. Erst kürzlich ist das Recycling von Plastikmüll durch Bakterien vorangekommen. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Wie sollen es Städte nun schaffen, gleichermaßen Wohnraum für Zuzügler zu stellen und die benötigte Infrastruktur auszubauen, um nicht nur jeden Bewohner adäquat versorgen zu können, sondern dies auch noch nachhaltig zu tun.
1. Optimierung und Sanierung bestehender Gebäude
Gebäude abzureißen erfordert Energie. Nicht nur die Abrissbirne und der dazugehörige Kran müssen mit Treibstoff angetrieben werden, auch der Energieaufwand der bereits beim Bau des Gebäudes verwendet wurde, geht verloren. Der Abriss ist also keine gute Alternative zur Erhaltung und Umnutzung bestehender Gebäude. Gerade, weil dabei neben einem Stück Geschichte auch der Charme des Areals verloren geht. Dabei sind es doch gerade die Lofts und großräumigen Anlagen, die das meiste Potential bieten. In Zeiten von Homeoffice und Work-Life-Balance sind lange Anreisezeiten zum Bürobunker längst überholt. Die Stadtplaner der Zukunft sehen die Trends und sind darauf bedacht, möglichst vielfältige Lebensräume in Bestandsgebäuden zu installieren. Das Projekt „Der Butz“ in Köln zeigt schon heute eindrucksvoll, wie Denkmalpflege mit Modernisierung verschmelzen kann. Leben, Arbeiten, Lernen und Einkaufen liegen hier auf 55 Hektar nahe zusammen. Der Butz, ein ehemaliger Flughafen, wird bis 2022 fertiggestellt sein. Knapp 1.000 Wohnungen und 144.000 m² Geschäftsfläche, ergänzt durch Gesundheits- und Bildungseinrichtungen entlasten den Wohnungs- und Arbeitsmarkt der Stadt. Die Nähe von Wohn- und Arbeitsraum die Verkehrssituation.
2. Intelligente All-in-One-Lösungen
Die eierlegende Wollmilchsau, so wird in Bayern ein Fabeltier genannt, das jedes menschliche Bedürfnis erfüllen kann. Für Stadtplaner dürften intelligente Infrastrukturen die Entsprechung zu dieser Analogie sein. In den Städten der Zukunft könnten Straßenlaternen mit Sensoren ausgestattet und vernetzt werden. LED-Licht wird wie bei einem Bewegungsmelder aus dem Energiesparmodus geholt, freie Parkplätze registriert und sogar zugeteilt. Außerdem können sie den Verkehr überwachen und bei hohem Verkehrsaufkommen per Leitsystem Fahrzeuge umleiten. Straßenlaternen der Zukunft bieten Ladestationen für Elektrofahrzeuge und sind mit Infobildschirmen ausgestattet. Selbst die Funktion als Notrufsäule ist denkbar. Das alles, auf nur wenigen Quadratzentimetern Flächenbedarf. Noch ist eine flächendeckende Lösung zu teuer, aber mit der Verbreitung und damit einhergehenden Massenfertigung werden die entstehenden Kosten auf ein erschwingliches Maß sinken.
3. Individualverkehr ja, privates Fahrzeug nein
Verkehrswege sind in Städten ebenso knapp bemessen wie Parkflächen. Dabei steht das Privatfahrzeug die meiste Zeit des Tages, durchschnittlich 97 %, ohnehin ungenutzt herum. Sharing-Programme bieten hier 2 Vorteile: Die Unterhaltungskosten des eigenen PKW werden geringer und weniger Fahrzeuge nutzen die knapp bemessenen Parkplätze. Der öffentliche Individualverkehr, gestützt durch ein smartes Freefloat-Buchungssystem zeigt schon heute, wie dieses Konzept in der Zukunft des autonomen Fahrens, das Privatfahrzeug komplett überflüssig machen wird. Das nächste verfügbare Fahrrad oder Auto kann direkt per Handy gebucht und am Zielort einfach abgestellt werden. Dort steht es dann für den nächsten Nutzer bereit. Mit den zuvor erwähnten Straßenlaternen mit Ladefunktion würde auch das Segment der Elektroautos und -roller in diesem Konzept praktikabler.
4. Demokratie 2.0 – Das soziale Netzwerk
Politik geht jeden Einzelnen etwas an, auch wenn gerade keine Wahl ansteht. Für die Städte der Zukunft bedeutet dies, dezentral organisierte Kampagnen zu starten, um beispielsweise eine Grünfläche zu gestalten oder eine Baugemeinschaft zu gründen. Die sozialen Netzwerke erlauben uns, eben genau jenes auf unkomplizierte Weise zu tun. Eine Website ermöglicht zum Beispiel, Verantwortung für die Bäume in Melbourne zu übernehmen. Bäume sind deshalb so wichtig für das Innenstadtklima, weil sie nicht nur CO2 binden, sondern durch ihre Blätterkronen und das Verdunsten von Wasser wie eine natürliche Klimaanlage funktionieren. In Melbourne wurden bis zu zwei Grad Celsius Unterschied erreicht. Bäume reduzieren durch ihr Wurzelwerk, welches den Boden lockert und immense Massen an Wasser aufnehmen kann, auch die Überschwemmungsgefahr bei starken Niederschlägen. Für die Zukunft wird die Organisation der Stadtbewohner maßgeblich von der harmonischen Zusammenarbeit und dem Zusammenleben geprägt sein. Foodsharing und Spottet-Programme in den sozialen Netzwerken sind nur ein Beispiel aus einem anderen Themengebiet. In diesen Kleinforen können sich Personen unkompliziert austauschen und Kontakte knüpfen, gemeinsame Projekte angehen und Ressourcen teilen. Die Smartphone-Generation geht hier in die richtige Richtung. Das lässt die Hoffnung zu, dass Planer und Verwaltungen bald nachziehen.
5. Urbane Landwirtschaft
In den USA werden 90 % der erzeugten Landwirtschaftsprodukte zu Fertigprodukten verarbeitet. Diese werden unter Einsatz von fossilen Brennstoffen in Monokulturen gezüchtet und zentral, in großen Fabriken, hergestellt. Ehe diese verarbeiteten und frischen Produkte in städtischen Supermärkten eintreffen, haben sie eine lange Reihe von umweltschädlichen Prozessen durchlaufen. Urban Farming ist eine Chance, die Biodiversität in Großstädten zu fördern und gleichzeitig die Bewohner mit erntefrischen Produkten zu versorgen. Gärten auf Flachdächern, Fassaden von Wolkenkratzern oder dem Brachland, Hydrokulturen an Innenwänden und Fischfarmen in riesigen Schaubecken, Kompost-, Regen- und Abwasserverwertung sind nur sehr konventionelle Arten, Nahrung in urbanem Gelände zu erzeugen. Eine Millionenbevölkerung kann damit aber kaum versorgt werden. Hierbei könnten ungenutzte Gebäude einen maßgeblichen Beitrag zur Entlastung der landwirtschaftlichen Gebiete leisten. Die größte Indoor-Vertikalfarm, die Newark AeroFarm der Bayer Tochterfirma im Bundesstaat New Jersey in den Vereinigten Staaten von Amerika, produziert in einer ehemaligen Stahlfabrik bereits 10.000 Kopfsalate – pro Tag.
6. Ressourcen sinnvoll verteilen und überwachen
Elektrizität, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung: Die wichtigsten Ecksteine einer gesunden Bevölkerung auf engstem Raum, sind die Hürden, die eine Megacity nehmen muss. Alte Zuleitungen und Kanalisationssysteme bereiten Stadtplanern oft große Schwierigkeiten. Eine smarte Lösung für die Zukunft: Managementsysteme, die direkt mit den Konsumenten kommunizieren. Mit dem persönlichen Verbrauch vor Augen ist es für den Einzelnen leichter, sein Konsumverhalten anzupassen. Für das System ist es außerdem einfacher, Engpässe rechtzeitig vorherzusagen und diesen entgegenzuwirken. Das Smart Water Innovation System im spanischen Burgos ist ein vielversprechender Modellversuch dazu, der sich bald auch schon im großen Stil auf die Energieversorgung in Megacities übertragen lassen könnte.
7. Recycling in allen Aspekten
Große Müllhalden und Verbrennungsanlagen vor den Toren der Stadt, Kläranlagen soweit das Auge reicht – das sind die Schattenseiten einer Großstadt, welche nicht am Ende des Ortseingangsschildes aufhören. Alles, was an Lebensmitteln und Gütern in die Stadt hineinfließt, muss an anderer Stelle auch wieder heraus. Energieaufwand, der sich mit geschickter Mehrfachverwendung reduzieren ließe. Bioabfälle in Dünger für die urbanen Gärten und Parkanlagen zu verwandeln, würde Düngekosten und tausende Tonnen Abfälle einsparen. Wären Supermärkte und Einzelhandelsketten dazu verpflichtet, ihre immensen Bioabfälle dafür gesondert zu sammeln, könnten diese direkt weiterverarbeitet werden. Frischwasser aus der Leitung, in verschiedenen Abstufungen, je nach Verwendungszweck, weiter zu verwenden, könnte durch Filterung erweitert werden. Diese würde im weiteren Verlauf auch die Abwasserkanalisation entlasten. Die in der Industrie per Kraft-Wärme-Kopplung oder per Geothermie erzeugte Energie lässt sich in Klimaanlagen, Heizungen oder zur Stromversorgung nutzen. Die Zahl der Insellösungen soll dadurch in absehbarer Zeit verringert werden. Das ist der erste Schritt, um von den fossilen Inselsystemen im Heizkeller weg zu kommen. Gestützt durch Smart-Home-Systeme, die den Energieverbrauch regeln und damit enorme Mengen an Energie einsparen, könnte der CO2-Fußabdruck der Großstädte in naher Zukunft sogar halbiert werden.
Best Practice: Rotterdam
Rotterdam verfolgt nachhaltige Ziele und gilt als ein Vorzeigebeispiel für andere Städte. Der niederländischen Stadt geht es vorrangig um die Reduzierung von Emissionen. Die Stadt beschäftigt sich mit möglichen Auswirkungen, indem Risiken identifiziert und bewertet werden. In einem Maßnahmenkatalog werden Strategien definiert, um vor allem den Hafen Rotterdam nachhaltig zu sichern. Diese Maßnahmen sollen die Resilienz gegenüber dem Klimawandel erhöhen.
Rotterdam setzt generell auf nachhaltige Stadtentwicklung. Zu den bereits umgesetzten Gebäuden zählt „De Rotterdam“ mit einer beeindruckenden Geschossfläche von 160.000 m² auf lediglich 5.500 m² Grundfläche. Der Bau trägt das niederländische GreenCalc+ A Label. Zu einen der innovativsten Projekte aus Rotterdam zählt der Plan Straßen aus Plastikmüll zu bauen.
Was die Zukunft bereit hält
Giga-Gebäude bis in die Umlaufbahn wird es wohl noch nicht so bald geben. Sicher ist jedoch, dass die Technologie im Städtebau nicht mehr aufzuhalten ist und sich stetig weiterentwickelt – zu Gunsten ihrer Bewohner. Die Lösungen der heutigen Zeit mögen in 50 Jahren vollkommen überholt erscheinen. Es ist aber wichtig, dass wir sie angehen. Stillstand würde unseren Großstädten nur weiteren Schaden zufügen. Ingenieure und Wissenschaftler, Klimaforscher und Verwaltungen sind auf einem guten Weg der Zusammenarbeit.
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