Ein Milliarde Mehrkosten für 40 große Bauprojekte des Bundes
Der Bund als Bauherr kann offenbar nicht mit Geld umgehen: Die Kosten der aktuell 40 größten Bauprojekten des Bundes liegen rund eine Milliarde Euro über den Planung. Ein interner Bericht von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) an den Bauausschuss des Bundestages offenbart strukturelle Fehler im öffentlichen Vergabesystem.
Diese Summe ist gewaltig: Etwa eine Milliarde Euro teurer als veranschlagt werden die 40 größten Bauprojekte des Bundes. Nur 14 dieser 40 Bauvorhaben bewegen sich im Kostenrahmen. Das geht aus einem Spiegel-Bericht über ein internes Papier von Bundesbauministerin Barbara Hendricks hervor, den die Ministerin in der vergangenen Woche an den Bauausschuss des Bundestages verschickte.
Es sind keine kleineren Fehlplanungen, die dieser Bericht offenlegt. Vielmehr entpuppt sich die öffentliche Bauvergabe als strukturell fehlerhaft: Damit der Bundestag die Bauprojekte durchwinkt, werden die Kosten viel zu niedrig angesetzt. Im Anschluss sind dann ewige Nachbesserungen fällig.
Staatsbibliothek kostet gut ein Drittel mehr
Beispiel Staatsbibliothek Unter den Linden: 326 Millionen Euro wurde vor zehn Jahren für die Sanierung des stolzen Gebäudes aus der Kaiserzeit kalkuliert. In der Zwischenzeit sind die Baukosten um mehr als ein Drittel auf 442 Millionen Euro gestiegen.
Bauministerin Hendricks, die die Zuständigkeit für Bauprojekte des Bundes erst im vergangenen Dezember vom Verkehrsministerium übernommen hatte, warnt nun vor „weiteren Kostenrisiken“ sowie „erkennbaren weiteren Terminrisiken“. Die für Ende 2012 geplante Eröffnung stellt Hendricks nun für im Sommer 2016 in Aussicht.
Hochsicherheitslabor wird mehr als doppelt so teuer
Weitere Beispiele: Der Neubau des Robert-Koch-Instituts in der Nähe des Berliner Virchow-Klinikums sollte im ersten Bauabschnitt 100 Millionen Euro kosten. Jetzt, drei Nachträge später, sind es schon 170 Millionen Euro.
Es geht noch schlimmer: Ein neuer Hochsicherheitstrakt des Friedrich-Löffler-Instituts auf der Ostseeinsel Riems bei Greifswakd, in dem in Zukunft in speziell abgeschirmten Laboren Tierseuchen und Viren erforscht werden sollen, kostet gar 190 Millionen Euro mehr als geplant. Statt der ursprünglich angegebenen 150 Millionen Euro kosten die Labors jetzt 340 Millionen Euro. Das ist ein Plus von 126,7 Prozent, siebenmal musste der Deutsche Bundestag bereits Nachträge bewilligen.
Bauministerin Hendriks räumt „strukturelle Defizite“ ein
Barbara Hendricks räumt Probleme in der Bauverwaltung ein: „Bei einzelnen Bauverwaltungen tragen strukturelle Defizite und ein zu weit gehender Personalabbau inzwischen zu einer teilweise unzureichenden Aufgabenwahrnehmung bei.“
Lisa Pauls, die für die Grünen im Bundestag sitzt, schimpft: „Es nützt am Ende nichts, wenn die öffentliche Hand Personalstellen einspart, aber wegen schlechter Planung und Kontrolle bei Bauprojekten regelmäßig Millionen und Milliarden an Steuergeldern verschwendet.“
Die Sanierung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wird 18,8 Prozent teurer, als veranschlagt. Das Bildungsministerium in Bonn wartet mit einer Kostensteigerung um 29 Prozent auf. Das Berliner Bundesarchiv bietet Mehrkosten von 46 Prozent. Und die Bundesanstalt für Arbeit in Dortmund schafft sogar ein Kostenplus von 80,7 Prozent.
BND zieht erst vier Jahre später ein
Der Komplex der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes BND an der Berliner Chausseestraße verschlingt 45 Prozent mehr als geplant. Die Baukosten kletterten von 720 Millionen Euro auf 1044 Millionen Euro. Fertig ist der Bau noch nicht.
Und die SPD-Ministerin warnt vor zusätzlichen Problemen. „Weiter besondere Kostenrisiken“ bestünden jetzt schon, schreibt sie. „Kündigungen und Insolvenzen, ungenügende Planungsleistungen Dritter“ und „verbleibende Prozessrisiken“ können das Bauprojekt noch teurer machen. Einziehen wird der BND frühestens im Jahre 2016, statt 2012, so wie geplant.
Elbphilharmonie wird sagenhafte 590 Prozent teurer
Es scheint fast ein Naturgesetz zu sein, dass die einmal geplanten Kosten nicht eingehalten werden, wenn die öffentliche Hand der Bauträger ist. Das gilt nicht nur für den Bund, die Bundesländer können es auch nicht besser.
Beispiel Elbphilharmonie. Das Konzerthaus in der Hamburger HafenCity sollte 114,3 Millionen Euro kosten, als die Hamburger Bürgerschaft im Februar 2007 einstimmig grünes Licht dafür gab. Wenn dieses Jahrhundertbauwerk an der Elbe im Frühjahr 2017 eröffnet wird, hat der konzertane Spaß den Steuerzahler der Stadt Hamburg 789 Millionen Euro gekostet.
In einem öffentlich zugänglichen Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Elbphilharmonie werden als Hauptverantwortliche für das Desaster unter anderem der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt, Ole von Beust (CDU), die beratende Rechtsanwältin Ute Jasper und die Architekten von Herzog & di Meuron sowie Höhler + Partner sowie der Baukonzern Hochtief genannt.
Flughafen Berlin-Brandenburg wird 5,4 Milliarden Euro kosten
Oder der Pannenflughafen Berlin-Brandenburg: Zum Planungsbeginn im Jahre 2004 standen Kosten von 1,7 Milliarden Euro im Raum, beim ersten Spatenstich am 5. September 2006 waren es schon rund 2 Milliarden. Inzwischen sind die Kosten auf 5,4 Millionen Euro gestiegen. Allerdings ist das noch nicht das Ende. Für die Fertigstellung werden noch Nachschläge fällig, sodass der Flughafen noch teuerer wird.
Der Preis für Stuttgart 21 steigt auf 6,8 Milliarden Euro
Ebenfalls nur nach Oben sind die Baukosten des umstrittenen unterirdischen Bahnhofs Stuttgart 21 gegangen. Als die Bahn, der Bund, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart im November 1995 eine Rahmenvereinbarung zu diesem Projekt unterzeichnete, lagen die geplanten Baukosten, man rechnete damals noch in D-Mark, bei 5 Milliarden Mark, also rund 2,6 Milliarden Euro. Heute werden die offiziellen Gesamtkosten dieses Bahnhofs mit bis zu 6,8 Milliarden Euro angegeben.
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