„Eine 60 m2-Wohnung kann ich mit acht Teelichtern heizen“
Mehr als 2000 Menschen aus 42 Ländern der Welt besuchten das Nürnberger Messegelände, um über einen neuen Baustandard zu diskutieren. Die Energiesparalternative zu den bisher „konventionellen“ Bauweisen, die zu viel Wärme auffressen, wird scheinbar immer interessanter.
Spätestens 2030 gilt der Passivhausstandard auf der ganzen Welt.“ Jens Laustsen, Däne in Diensten der Internationalen Energieagentur IEA zweifelt wohl daran, dass die Spitzenpolitiker sich erinnern, „Die haben das beim letzten G8-Gipfel in Heiligendamm beschlossen.“ Deshalb klingt es wie eine Drohung, wenn der IEA-Mann für die G8-Folgegipfel konkrete Vorschläge hat: „Ein globales Netzwerk aus Fachleuten, die ihr Wissen um Passiv-, Null-Emissions- oder gar Plus-Energie-Häuser austauschen. In allen Ländern der Erde muss es solche Gebäude zu kaufen geben.“
Internationalisierung: ein bestimmendes Thema der Konferenz. Realisierte Bauten in warmem (in Italien nahe Pisa) bis sehr kaltem Klima (Sibirien) wurden vorgestellt. Denn die luftdichte Umhüllung des Passivhauses hält nicht nur die Wärme zurück, die nach außen dringt: Sie schützt auch vor übermäßiger Hitze, die von außen ins Gebäude hinein will. China warte nur auf solche Häuser – die Riesennation habe enormen Hunger nach Energie und Wohnungen, hieß es.
Die Zuhörer waren „von Kanada bis Korea, von Norwegen bis Südafrika“ nach Nordbayern gereist: Auch das ein Zeichen für das große weltweite Interesse an solchen Bauten. In Österreich sind Minimalenergiehäuser bereits Baustandard. Ein Vorbild für Deutschland? Es gebe auf jeden Fall einen Nachholbedarf der öffentlichen Hand, so Prof. Wolfgang Feist vom Passivhaus-Institut (PHI) Darmstadt, dem Veranstalter.
Weniger als 1,5 l Öl, 1,5 m3 Erdgas oder 15 kWh Strom/a und m2 Wohnfläche – das sind die griffigen Werte, die den Passivhausstandard ausmachen. Ein anderer: 120 kWh Energie je m2/a – Wärme und Elektrizität zusammengezählt – dürfen im Gebäude insgesamt verbraucht werden. Doch es komme drauf an, woher die Energie stammt, sagen Kritiker: Nur ein Drittel der in deutschen Kraftwerken eingesetzten Primärenergie kommt tatsächlich an der Steckdose an in Österreich oder Skandinavien sei das anders.
Doch abgesehen von der Primärenergie: Für den Leiter des Passivhaus-Instituts (PHI) sei „die Theorie längst geklärt. Und es gibt überall entscheidende Impulse, zum Beispiel bei den Fenstern“, nannte Feist einen großen Innovationsbereich der Fachausstellung. „100 € mehr pro m2 Glas bedeutet doppelte Effizienz bei einem Drittel Mehrkosten“, rechnete er vor.
Und er hoffte, die Tagung werde Einfluss auf die Baupolitik in der Bundesrepublik nehmen: Nach dem letzten Termin in Bregenz in Österreich hat das dortige Bundesland Vorarlberg den Passivhausstandard als normale Bauvorschrift eingeführt.
In Deutschland stehen 24 Mio. Wohnungen zur Sanierung an. Jede kWh Energie, die gespart wird, müsse nicht importiert werden, so die einfache Rechnung des PHI. Das lasse auf viele Aufträge für örtliche Planer und Handwerker hoffen, auf Baumateriallieferungen durch die Industrie und weniger Energiekosten für die Nutzer: Regionale Wirtschaftskreisläufe, oder wie PHI-Chef Wolfgang Feist sagte: „Eine Win-Win-Situation.“
Die Europäische Union schreibt solche Zukunftsbauweisen in ihrem „Grünbuch“ ausdrücklich vor. EU-Energieagentur-Vertreter Vincent Berrutto kündigte gar an: „Wir wollen über das bisherige Ziel von Minus 20 % CO2-Einsparung bis 2020 noch hinausgehen.“
Der neue EU-Kommissar Andris Piebalgs „pusht die Energie“ – vor allem jene, „die weder produziert noch verbraucht wird: Viele Energieeffizienztechniken sind erhältlich“, doch noch immer „schauen die Leute nicht über die Drei-Jahre-Rückzahlzeit für Investitionen hinaus“, kritisierte Berrutto vor allem die Industriemanager: „Das muss sich ändern!“
Die EU jedenfalls habe „niedrige Energiestandards gesetzt für Neubauten und bestehende Gebäude über 1000 m2.“ Und die Kommission fördere auch den entsprechenden Technologietransfer: 50 Mio. € stünden zurzeit zur Verfügung die einzelnen Projekte würden mit 75 % unterstützt.
„Für Privatleute rechnet sich ein Passivhaus mit einem KfW-40-Kredit heute schon“, warb der PHI-Chef Feist für Niedrigstenergiehäuser. Es sei wegen besserer Materialqualität erst einmal teurer doch meist sei damit regionale Wertschöpfung wie bei Ziegeleien verbunden, ergänzte der Professor.
„Wir müssen die G8-Politiker erinnern, dass sie diesen Standard beschlossen haben“, nahm IEA-Mann Jens Laustsen seine Organisation in die Pflicht. Frei sind die Passivhausnutzer auf jeden Fall bei der individuellen Wahl des Heizsystems: „Eine 60 m2-Wohnung kann ich mit acht Teelichtern heizen“, hat Burkhard Schulze Darup, Architekt aus Nürnberg ausgerechnet. Mit Solarkollektoren und Photovoltaikmodulen wird sogar ein Energiegewinnhaus daraus. WRA
Ein Beitrag von: