Erstmals tragende Lehmziegel im Dünnbettverfahren zugelassen
Der Lehmbau nimmt eine weitere Hürde im modernen Bauwesen: Erstmals dürfen tragende Lehmziegel im Dünnbettverfahren verbaut werden.

Künftig dürfen Lehmziegel für tragende Wände im Dünnbettverfahren verlegt werden.
Foto: GIMA
Der Lehmziegel feiert ein Comeback – diesmal als tragende Wandkonstruktion im modernen Hochbau. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) hat der Girnghuber GmbH (GIMA) eine allgemeine Bauartgenehmigung für tragendes Lehmsteinmauerwerk im Dünnbettverfahren erteilt. Zugleich erhält der GIMA-Lehmhochlochziegel eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung gemäß DIN 18945 mit der Nummer Z-17.6-1306.
Damit wird Lehm als Baustoff nicht nur für den Innenausbau, sondern auch für tragende Wände von Gebäuden der Gebäudeklasse 4 (bis vier Geschosse) zugelassen. In Kombination mit dem Lehm-Dünnbettmörtel von ClayTec ist eine wirtschaftliche und zeitsparende Verarbeitung möglich.
Inhaltsverzeichnis
DIN 1890 bildet die Grundlage
Mit der DIN 18940, die seit 2023 gilt, wurde erstmals eine normgerechte Grundlage für tragendes Mauerwerk aus Lehm geschaffen. Die Norm definiert Anforderungen an Herstellung, Bemessung und Ausführung von tragendem Lehmsteinmauerwerk. Vor der neuen Genehmigung war nur das zeitaufwendige Mauern mit kleinformatigen Lehmsteinen im Dickbettverfahren zugelassen.
Das Dünnbettverfahren, bei dem die Steine mit einem nur 2 Millimeter dünnen Mörtelbett vermauert werden, spart erheblich Zeit und Arbeitskosten. „Wir sparen dadurch mehr als ein Drittel der kostenintensiven Arbeitszeit gegenüber dem Mauern mit Lehmsteinen im Dickbettmörtelverfahren. Das macht Mauerwerk aus Lehm wirtschaftlich konkurrenzfähig“, erklärt Maximilian Breidenbach von ClayTec.

Die Verlegung im Dünnbettverfahren hat verschiedene Vorteile wie kürzere Trocknungszeit oder weniger Materialbedarf.
Foto: GIMA
Nachhaltiger Baustoff mit Potenzial
Lehm besteht hauptsächlich aus den natürlichen Bestandteilen Ton, Schluff, Sand und Kies. In Verbindung mit Wasser entsteht eine plastische Masse, die sich leicht formen lässt. Im Gegensatz zu gebrannten Ziegeln wird Lehm nicht thermisch behandelt, was den Energieeinsatz in der Herstellung erheblich reduziert.
Lehm wirkt feuchtigkeitsregulierend, weil er Wasserdampf aufnimmt und bei Bedarf wieder abgibt. Dadurch wird das Raumklima stabilisiert. Gleichzeitig bringt er gute Schallschutzeigenschaften mit und speichert Wärme. Schadstoffe gibt Lehm nicht ab. Das macht ihn zu einem der gesündesten Baustoffe für Wohngebäude.
CO2-neutrale Herstellung
Die Herstellung der Lehmhochlochziegel bei GIMA erfolgt mit minimalem Energieeinsatz. Die Rohlinge werden in bestehende Produktionsstraßen integriert und bei etwa 80 Grad Celsius in Trockenkammern getrocknet. Der energieintensive Brennvorgang, wie bei klassischen Ziegeln üblich, entfällt komplett.
Die für die Trocknung notwendige Energie stammt aus firmeneigenen Photovoltaikanlagen und einem System zur Wärmerückgewinnung. So gelingt GIMA die CO2-neutrale Fertigung von Lehmbausteinen, die industriell hergestellt, aber dennoch naturnah sind.

Möglicher Wandaufbau für das Mauerwerk aus Lehmziegeln.
Foto: GIMA
Flexibel einsetzbar: Formate und Druckfestigkeit
Die GIMA-Lehmhochlochziegel erreichen die Druckfestigkeitsklasse 5, was sie für tragende Wände qualifiziert. Sie stehen in verschiedenen Breiten zur Verfügung:
- für nichttragende Innenwände: 115 mm (LZ11) und 175 mm (LZ17)
- für tragende Innen- und Außenwände: 240 mm, 300 mm und 365 mm
Da die Formate an herkömmliche Mauerziegel angelehnt sind, können sie mit bestehenden Werkzeugen und Verarbeitungstechniken problemlos verbaut werden.
Der Lehm-Dünnbettmörtel von ClayTec
ClayTec hat einen speziellen Lehm-Dünnbettmörtel entwickelt, der aus Baulehm, mineralischen Zuschlägen und pflanzlichen Fasern besteht. Die Herstellung des Mörtels benötigt im Vergleich zu zementbasierten Mörteln nur einen Bruchteil an Energie.
Die Anwendung erfolgt analog zu konventionellen Dünnbettmörteln: Nach dem Anrühren mit Wasser wird der Mörtel mit Mörtelschlitten oder -rollen 2 mm dick aufgetragen. Die Steine werden aufgesetzt, und die Verbindung erhärtet durch Trocknung. Besonders vorteilhaft: Das Mauerwerk kann später wieder gelöst und ohne Materialverlust recycelt werden.
Aufbau zirkulärer Wandsysteme
Für Außenwände empfiehlt GIMA eine zweischalige Bauweise. Die tragende Wand besteht aus Lehmziegeln und Lehm-Dünnbettmörtel, innen wird Lehmputz aufgetragen, außen schützt eine vorgehängte Fassade die Wand. Dieses System ist komplett rückbaubar. Nach Nutzungsende lassen sich alle Materialien sortenrein trennen.
Die konsequente Wiederverwertbarkeit zeigt sich auch im Materialkreislauf: Aus alten Lehmwänden können neue Lehmziegel gefertigt werden. Auch Bruchmaterial wird direkt wiederverwertet. Ist eine Lehmgrube erschöpft oder qualitativ unzureichend, beginnt GIMA mit der Renaturierung des Areals.
Praxisbeispiel GreenConceptLehm
Ein erstes Projekt mit dem neuen System ist „GreenConceptLehm“ in Meißen. Bauunternehmer Daniel Neuer hebt die Vorteile hervor: „Für das ausführende Unternehmen ist die Arbeit mit naturbelassenen Materialien wie Lehmziegel, Lehmkleber und Lehmputz gesünder als die mit teilweise hochchemischen Baustoffen.“
Auch Prof. Dr. Wolfram Jäger, Initiator des Projekts und früherer Professor für Tragwerksplanung an der TU Dresden, zeigt sich überzeugt: „Sie wohnen gesund und das Klima wird natürlich geregelt. Es lebt sich in einem Lehmhaus besser als in einem anderen“
Tradition trifft moderne Bauindustrie
Mit dem GIMA-Lehmhochlochziegel steht nun ein Produkt zur Verfügung, das sich industriell herstellen und wirtschaftlich einsetzen lässt. Gleichzeitig erfüllt es hohe Anforderungen an Nachhaltigkeit, Gesundheit und Ressourcenschonung.
GIMA selbst ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das in vierter Generation am niederbayerischen Standort Marklkofen eine breite Palette von Ton- und Lehmprodukten fertigt. ClayTec, der Kooperationspartner beim Mörtel, gilt als Pionier für Lehmbauprodukte in Europa und unterstützt Architektinnen, Bauherren und Handwerker mit Schulungen und technischer Expertise.
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