Analyse 30.09.2024, 12:59 Uhr

Experten warnen: Zustand vieler Autobahnbrücken kritisch

Viele Autobahnbrücken in Deutschland sind stark beschädigt. Experten warnen vor Sicherheitsrisiken und fordern schnelles Handeln von der Politik.

Kochertalbrücke

Die Kochertalbrücke zählt zu den höchsten, aber auch marodesten Autobahnbrücken Deutschlands.

Foto: PantherMedia / August Forkel

Eine aktuelle Analyse zeigt, dass zahlreiche Autobahnbrücken in Deutschland in einem besorgniserregenden Zustand sind. Nach Angaben der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken (BGIB) erhielten 43 Brücken mit einer Länge über 50 Metern die Bewertung „ungenügend“. Dies bedeutet, dass entweder die Tragfähigkeit, die Verkehrssicherheit oder sogar beides stark beeinträchtigt ist.

Besonders viele marode Brücken in Nordrhein-Westfalen

Laut der Bundesgütegemeinschaft wurden von insgesamt 3.786 Autobahnbrücken, die mindestens 50 Meter lang sind, jene Bauwerke ermittelt, die deutschlandweit die schlechtesten Zustandsbewertungen aufweisen. Besonders betroffen ist Nordrhein-Westfalen. Hier stehen 20 der bundesweit marodesten Autobahnbrücken. Das ergab die Auswertung von Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt). Die BGIB stützte ihre Untersuchung auf diese regelmäßig veröffentlichte Brückenstatistik, die Auskunft über Schäden und Verschleißerscheinungen gibt.

Die marodeste Brücke Deutschlands steht ebenfalls in Nordrhein-Westfalen. Sie ist Teil des Autobahnkreuzes Meckenheim und weist mit einer Zustandsnote von 3,7 und einem sehr niedrigen Tragfähigkeitsindex alarmierende Werte auf. Täglich passieren mehr als 70.000 Fahrzeuge das Bauwerk, das nur noch eingeschränkt nutzbar ist. Ein Ersatzneubau ist geplant, ein genauer Zeitplan für die Umsetzung steht jedoch noch nicht fest.

Bedenklicher Zustand auch in anderen Bundesländern

Auch andere Regionen in Deutschland sind stark betroffen. Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gehören zu den Bundesländern mit den meisten sanierungsbedürftigen Brücken. In Hessen gehören beispielsweise 19 Brücken zu den am stärksten gefährdeten Bauwerken. Ein Beispiel ist die Brücke der Autobahn 45 bei Hammersbach-Marköbel, die ebenfalls durch schwere Schäden auffällt.

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Ähnlich sieht es in Baden-Württemberg aus. Besonders gefährdet sind die Kochertalbrücke und die Brettachtalbrücke im Norden des Landes sowie die Talbrücke Neckarburg bei Rottweil. Diese Brücken auf der A81 zwischen Würzburg und Singen gehören zu den am schlechtesten bewerteten Bauwerken in Deutschland.

Diese Brücken sind besonders marode

Nach verschiedenen Berichten der dpa sind folgende Autobahnbrücken in Deutschland besonders marode. Von den insgesamt 43 als „ungenügend“ eingestuften Brücken wurden 12 namentlich genannt:

Brücke Lage Besonderheit
Autobahnkreuz Meckenheim (NRW) NRW, Grenze zu Rheinland-Pfalz Teil des stark frequentierten Autobahnkreuzes, täglich über 70.000 Fahrzeuge.
Rahmede-Brücke (A45) (NRW) Sauerlandlinie A45 Gesperrt und gesprengt, Neubau ist geplant.
Kochertalbrücke (Baden-Württemberg) A81, zwischen Würzburg und Singen Eine der höchsten Brücken Deutschlands, stark beschädigt.
Brettachtalbrücke (Baden-Württemberg) A81, nördlich von Heilbronn Stark sanierungsbedürftig, wichtig für den Verkehr im Südwesten.
Talbrücke Neckarburg (Baden-Württemberg) A81, bei Rottweil Eines der ältesten Bauwerke im Südwesten, stark beschädigt.
Moselbrücke Ehrang (Rheinland-Pfalz) A1, Nähe Trier Schwer beschädigt, Ersatzbau geplant.
Ruwerbrücke (Rheinland-Pfalz) A1, Nähe Trier Stark sanierungsbedürftig.
Sauertalbrücke (Rheinland-Pfalz) A64, bei Langsur/Mesenich Eine der marodesten Brücken der Region.
Moseltalbrücke Winningen (Rheinland-Pfalz) A61 Stark beansprucht und dringend sanierungsbedürftig.
Wiedbachtalbrücke (Rheinland-Pfalz) A3 Stark beschädigt, Sanierung notwendig.
Talbrücke Fechingen (Saarland) A6 Schlechte Zustandsbewertung, wichtige Brücke für den Verkehr.
Kreisel St. Arnual (Saarland) A620 Stark beschädigt, Sanierungsbedarf hoch.

Tragfähigkeitsindex und Altersproblematik

Die Bewertung der Brücken basiert nicht nur auf sichtbaren Schäden, sondern auch auf dem so genannten Tragfähigkeitsindex. Dieser gibt die Resttragfähigkeit des Bauwerks in Abhängigkeit von Alter und Material an. Viele Brücken in Deutschland wurden in den 1960er und 1970er Jahren gebaut und sind für den heutigen Schwerlastverkehr nicht mehr ausgelegt. In den letzten Jahrzehnten haben die Belastungen durch den Verkehr, insbesondere durch den Schwerlastverkehr, stark zugenommen. Diese Überbeanspruchung hinterlässt deutliche Spuren.

Dringender Handlungsbedarf seitens der Politik

Marco Götze, Vorsitzender der Bundesgütegemeinschaft, fordert schnelles Handeln von der Politik. „Gerade bei Autobahnbrücken dürfen wir uns nicht darauf verlassen, dass das nächste Unglück so glimpflich verläuft wie der Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden“, betonte Götze. Zwar hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bereits im März 2022 ein Maßnahmenpaket zur schnelleren Sanierung von Brücken vorgestellt, jedoch geht der Prozess vielen Fachleuten zu langsam voran. Ziel ist es, jährlich 400 Brücken zu sanieren, um die Verkehrssicherheit aufrechtzuerhalten.

Zukunft der Brücken in Deutschland

Das Beispiel der gesperrten und inzwischen gesprengten Rahmede-Brücke an der Sauerlandlinie (A45) zeigt, dass Sanierungen oft nicht mehr ausreichen. Neubauten sind in vielen Fällen die einzige Lösung. Die Frage ist jedoch, ob der Zeitplan eingehalten werden kann. Angesichts der enormen Anzahl maroder Brücken stehen Bund und Länder vor großen Herausforderungen.

Für die kommenden Jahre ist eine klare Strategie erforderlich, die neben einer beschleunigten Sanierung auch die Planung und den Bau neuer Brücken umfasst. Ohne diese Maßnahmen drohen in den nächsten Jahren weitere Sperrungen und Einschränkungen im Verkehrsfluss. (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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