Gefährlicher Abbruch
Fast alle vor 1996 verarbeiteten Glas- und Mineralwollen gelten als krebserregend. Doch nur Eigenheimbesitzer sorgen sich um ihre Gesundheit. Handwerker schützen sich bei Renovierungen und Abrissen kaum.
Die Hausbesitzer gehen sehr behutsam mit dem Thema um,“ sagt Isolde Elkan von der Gütegemeinschaft Mineralwolle. Denn bei den Häuslebauern habe sich herumgesprochen, dass nicht nur Asbest-Fasern krebsfördernd sind, sondern auch die künstlichen Mineralfasern (KMF). Zumindest solche Produkte, die bis 1996 produziert und in hunderttausenden Eigenheimen als Glas- und Mineralfasern verbaut wurden. Wer heute umbaut oder ein altes Eigenheim abreißt, müsse deshalb auf der Hut sein.
Die krebserzeugenden Fasern sind seit dem 1. Juni 2000 verboten. Doch schon seit 1996 haben die Mineralwolle-Hersteller ihre Produktion geändert, so dass bis auf alte Lagerbestände alle in Deutschland verkaufen Produkte das RAL-Gütesiegel für gesundheitliche Unbedenklichkeit tragen. Um mit dem Siegel werben zu dürfen, müssen Hersteller nachweisen, dass ihre Produkte bei mechanischer Beanspruchung keine kritischen Fasern freisetzen. Als kritisch gelten Fasern, die dünner als 3 µm und gleichzeitig länger als 5 µm sind. Zudem darf das Verhältnis von Durchmesser zu Länge 1:3 nicht überschreiten. Solche Fasern gelten als lungengängig. Sie gelangen mit der Atemluft ins Lungengewebe, setzen sich dort fest und sind umso schädlicher, je länger sie sich dort halten. Die Halbwertzeit der Fasern wird ermittelt, indem sie in das Lungengewebe von Ratten injiziert werden. Moderne KMF sind dort schon nach 80 Tagen nicht mehr nachweisbar. Im Vergleich: Asbestfasern bleiben über 100 Jahre im Körpergewebe.
Seit vergangenem Oktober muss die Halbwertzeit von KMF unter 40 Tagen liegen. Neben diesem Grenzwert ist vor allem der Kanzerogenitäts-Index (KI) für die Einstufung der Krebsbedrohung von KMF entscheidend. Der KI-Index wird durch eine Analyse der chemischen Zusammensetzung der Fasern ermittelt. Liegt der KI-Wert über 40, besteht kein Krebsrisiko, unter 30 ist höchste Vorsicht geboten.
„Viele fragen, ob sie alte Dämmung aus ihren Häusern entfernen müssen“, sagt Elkan. Sofern die alte Mineralwolle sachgemäß eingebaut ist, könne man sie unberührt lassen, rät Elkan. Nur wenn es bei Renovierung oder Umbau unumgänglich bliebe, die Dämmung freizulegen, sei es zu empfehlen, sich freiwillig an die gesetzlichen Arbeitsschutz-Bestimmungen zu halten, die beim professionellen Rückbau gelten, und zwar auch, wenn im Eigenheim dazu keine Pflicht bestehe.
Künstliche Mineralfasern aus heutiger Produktion gelten als ungefährlich, weil sie kaum lungengängig sind, und weil sie in kleine Partikel zerbrechen, die sich im Körper ähnlich verhalten, wie normaler Staub. Vor 1996 vermarktete Produkte setzen dagegen Fasern frei, die in die Lunge gelangen und sich dort in der Regel länger als ein Jahr halten. Ihr KI-Wert liegt meist unter 30.
In der Arbeitswelt schreiben die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS 521) Arbeitgebern aufwendige Schutzmaßnahmen vor, um das Krebsrisiko von Mitarbeitern zu minimieren, die mit alten KMF umgehen. Doch Elkan stellt fest: „Bei Handwerkern und Baubetrieben stößt das Thema auf geringes Interesse.“ Diesen Eindruck bestätigt auch Robert Rath, Sprecher des Berliner Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi): „Wir vermissen bei Handwerkern, Bauherren und Architekten oft das nötige Problembewusstsein.“
Die TRGS 521 verpflichtet Arbeitgeber, KMF-Produkte vor Baubeginn beurteilen zu lassen. Handelt es sich um „alte“ Mineralwolle und sollen mehr als 20 m2 davon demontiert werden, müssen sogenannte Schwarzbereiche eingerichtet werden: Sanierungsbereiche müssen abgetrennt und notfalls mit Folie ausgelegt werden, um eine gründliche Reinigung zu gewährleisten. Während der Arbeiten muss geregelt gelüftet werden – wenn nötig mit Unterdruckanlagen und Luftfiltern. Zudem sind zwei durch Duschen getrennte Umkleideräume einzurichten, um Faserverschleppungen zu vermeiden. Während der Arbeiten sind Atemschutzmasken, Schutzkleidung und Schutzbrillen Pflicht. Indes: Die Berliner Prüflaboratorien erhalten nur nur wenige Aufträge zur KMF-Analyse. Dabei sind die Kosten von 600 DM bis 800 DM pro Analyse im Verhältnis zu den Kosten der Schutzmaßnahmen gering.
Wenn bei Bausanierung Kontakt mit altem Dämmstoff droht
Die Gütegemeinschaft Mineralwolle hat in zwei kostenlosen Broschüren die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen aufgelistet, die zu beachten sind, falls es bei Renovierung oder Abriss zum Kontakt mit altem Dämmstoff kommt. Außerdem gibt es unter dieser Adresse eine Positivliste getesteter Produkte. Das Landesamt für Arbeits-, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) hat zu diesem Thema eine Hotline eingerichtet. Tel: 030/ 9021 5000. Die TRGS 521 kann beim Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingesehen werden.
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