Halbzeit: Unter dem Brenner entsteht der längste Eisenbahntunnel der Welt
Halbzeit beim Bau des Brenner Basistunnels: Seit 2008 bohren sich Österreicher und Italiener durch den Brenner, um die mit 64 km längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt zu bauen. 10 Jahre nach Baubeginn wurde jetzt das größte Baulos vergeben – für 37 km Haupttunnelröhre. Ein gewaltiger Auftrag. 2028 soll der gigantische Alpentunnel fertig sein. Die Kosten: fast 10 Milliarden Euro.
Es ist ein österreichisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt, das seit Baubeginn vor zehn Jahren im Felsmassiv der Alpen, unter dem Brenner-Hauptpass, Gestalt annimmt. Zwei 64 km lange Tunnelröhren werden künftig die Städte Innsbruck in Nordtirol und Franzensfeste in Südtirol miteinander verbinden – es wird der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. 2028, so die neuesten Schätzungen, soll das kühne Mammutprojekt in Betrieb gehen. Dann will die europäische Gesellschaft Brenner Basistunnel (BBT SE) mit 9,3 Milliarden Euro Gesamtkosten eine „Punktlandung“ hinlegen, Inflation inklusive.
Eines der größten Baulose mit einem Auftragsvolumen von rund 966 Millionen Euro wurde kürzlich an das österreichische Porr Konsortium vergeben. Zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht Wien über mehrere Einsprüche von zwei weiteren Bietergruppen entscheiden müssen, aber schließlich der Porr Arge den Zuschlag gegeben. Diese kann jetzt mit dem Bau von 37 km Haupttunnelröhren zwischen Pfons und dem Brenner, rund 9 km Erkundungsstollen und einer Nothaltestelle starten. Es ist das größte Baulos in der Geschichte Österreichs.
Was wird gebaut unter dem Brenner?
Die Idee für einen Tunnel unter dem Brennerpass ist schon beinahe 150 Jahre alt, Ende des 20. Jahrhunderts kam eine Machbarkeitsstudie und seit 2004 gibt es die BBT SE, mit Sitz in Innsbruck. Der Tunnel, der parallel zur heutigen Brennerautobahn den Alpenhauptkamm unterquert, soll Personen- und Güterverkehr aufnehmen. Die Scheitelhöhe des Tunnels liegt 580 m tiefer als der Brennerpass (1.371 m).
Der Brenner Basistunnel besteht aus zwei eingleisigen Haupttunnelröhren mit einem Durchmesser von je 8,1 m und einem etwas kleineren Erkundungsstollen, der 12 m darunter verläuft. Während der Bauphase wird durch den Erkundungsstollen die geologische Vorerkundung durchgeführt, später wird er als Service- und Entwässerungsstollen benutzt. Außerdem gibt es regelmäßig alle 333 m zwischen den großen Tunnelröhren Querstollen, die im Notfall als Fluchtweg dienen. Zusätzlich werden drei Nothaltestellen mit Evakuierungsmöglichkeiten gebaut. Die Tunnelbauwerke werden durch vier seitliche Zufahrtstunnel miteinander verbunden.
Was ist die Zielsetzung des Großprojektes?
Die Brennerautobahn ist eine der meistbefahrenen Strecken über die Alpen und der Verkehr nimmt ständig zu. Ein großer Teil des Güterverkehrs wird über diese Nord-Süd-Achse abgewickelt. Rund 2,2 Millionen Lkw quälen sich jährlich über den Pass. Die Eisenbahnstrecke zwischen Innsbruck und Bozen stammt aus dem 19. Jahrhundert. Mit ihren engen Kurven und starken Steigungen von bis zu 25 Prozent ist sie schwierig zu befahren und kann momentan kaum mehr als 250 Züge pro Tag aufnehmen.
Der neue Basistunnel soll für diese verkehrsgeplagte Strecke große Entlastung bringen. Im neuen Tunnel ist eine maximale Steigung von 6,7 Prozent geplant. Dadurch könnten bis zu 700 m lange Güterzüge eingesetzt werden, mit dreimal so viel Ladung wie momentan. Laut BBT SE kann der neue Tunnel den kompletten Schwerlastverkehr aufnehmen. Auch die Reisezeit für den Personenverkehr würde sich deutlich reduzieren. Die Fahrzeit von Innsbruck nach Franzensfeste würde 25 statt 80 Minuten betragen.
Hoffnung: Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene
Wie bei allen Großprojekten gibt es auch beim Brenner Basistunnel kritische und skeptische Stimmen, aus unterschiedlichen Gründen. So reklamierte der Europäische Rechnungshof in einem Bericht massive Kostenüberschreitungen. Der Bau des Erkundungstunnels und der beiden Haupttunnelröhren wird wesentlich von der Europäischen Union gefördert. Eine Studie der Uni Wien am Institut für Transportwirtschaft und Logistik kam überdies 2006 zu dem Ergebnis, dass der Tunnel niemals den Schwerlastverkehr, der heute über die Straße rollt, aufnehmen könne. Wenn die gewünschte Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene nicht zustande käme, wäre die Wirtschaftlichkeit des Projektes komplett in Frage gestellt.
Skepsis gibt es außerdem beim geplanten Mischbetrieb von Personen- und Güterzügen. Durch die großen Geschwindigkeitsunterschiede der Züge können wesentliche Teile der Streckenkapazität verloren gehen. Ein weiteres Thema sind die vielen Wasserquellen, die von der Tunneltrasse durchquert werden. Im schlimmsten Falle könnten Quellen versiegen oder weniger Wasser liefern. Hierfür wurde ein großflächiges System an Messstellen und ein Ersatzversorgungssystem eingerichtet. Ein Zurück gibt es jedenfalls nicht mehr für den größten Eisenbahntunnel der Welt. Augen auf und durch die Alpen heißt die Devise.
Inzwischen fertiggestellt und im Kostenrahmen geblieben ist der aktuell längste Eisenbahntunnel der Welt, der Gotthard Basistunnel. Hier lesen Sie mehr über das italienisch-schweizerische Meisterstück.
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