Hochfester Spritzbeton schützt vor Terroranschlägen
Forscher aus Bochum haben einen Spritzbeton hergestellt, der als Ding der Unmöglichkeit galt. Er enthält mit 140 Kilogramm Stahlfasern pro Kubikmeter Beton das Doppelte des bisher erreichbaren Faseranteils. Mit diesem Schutzbeton können in Zukunft Tunnel und Brücken erheblich effektiver vor Bränden und Terroranschlägen geschützt werden.
Um Schäden an der Infrastruktur zu erzielen, müssen sich Terroristen künftig erheblich mehr ins Zeug legen. Ein an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelter Spritzbeton schützt Tunnel und Brücken in Zukunft besser vor Großbränden und Terroranschlägen.
„Als man die Tunnel von heute gebaut hat, hat niemand daran gedacht, dass eines Tages möglicherweise ein Wahnsinniger mit einer Bombe hineinlaufen könnte“, sagt Götz Vollmann vom Lehrstuhl für Tunnelbau, Leitungsbau und Baubetrieb der RUB, der sich seit Jahren mit Fragen der Tunnel-Sicherheit beschäftigt.
Alte Brücken mit Sollbruchstellen
„Skurrilerweise ist es in Europa sogar so, dass man in den 1950er- und 60er-Jahren, rückblickend auf den Zweiten Weltkrieg, Brücken zum Teil mit sogenannten Sprengkammern versehen hat. Es gibt also Sollbruchstellen in der Konstruktion, die es ermöglichen, die Brücken einfach zu sprengen, um dem Feind die Versorgungslinien abzuschneiden.“
Hochfester Beton kann bislang nicht durch Schlauch gepumpt werden
Heute liegt der Fokus hingegen auf höchster Stabilität. Der heute verfügbare Hochleistungsbeton, der Explosionen trotzen kann, lässt sich fast ausschließlich in Form von Platten fertigen. Runde Oberflächen lassen sich damit nicht schützen. Die Lösung bietet Spritzbeton. Denn dieser kann auf jede Oberfläche aufgebracht werden.
Der Zielkonflikt: Ein hochfester Beton muss möglichst viele Stahlfasern enthalten. Das allerdings macht ihn steif und verhindert, dass er durch einen Schlauch gepumpt werden kann.
Spritzbeton mit 140 Kilogramm Stahlfasern pro Kubikmeter
Götz Vollmann ist es gelungen, diesen Zielkonflikt zu lösen. Er hat mit seinem Team einen Spritzbeton entwickelt, der 140 Kilogramm Stahlfasern pro Kubikmeter und noch drei Kilogramm Kunststofffasern obendrauf enthält. „Eigentlich hieß es immer, bei rund 70 Kilogramm Stahlfasern pro Kubikmeter Beton ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Das ist die Grenze dessen, was noch verarbeitet werden kann“, erklärt Vollmann stolz.
„Eine Art Kugellagereffekt“
Vollmanns Team schäumte den Beton auf, bis das Gemisch etwa 20 Prozent Luftbläschen enthielt. „Wir gehen davon aus, dass dieses Vorgehen eine Art Kugellagereffekt erzeugt“, sagt Vollmann. „Die Fasern rollen vermutlich auf den Luftbläschen ab, dadurch wird das Ganze geschmeidiger.“ Das Ergebnis ist ein hochfester Beton mit hohem Stahlfaseranteil, der sich durch einen Schlauch leiten und über eine Spritzdüse auf jede beliebige Oberfläche verteilen lässt.
Entschäumer an der Spritzdüse beigemischt
An der Spritzdüse wird dem Beton standardmäßig eine Substanz zugefügt, die dafür sorgt, dass er sehr schnell erstarrt. „Beton wäre sonst viel zu flüssig und würde bei den benötigten Schichtdicken einfach wieder von der Wand rutschen“, weiß Vollmann.
Damit dieser schnell trocknende Beton seine hohe Festigkeit behält, müssen die Luftbläschen entfernt werden. „Wir haben dem Erstarrungsbeschleuniger einfach einen Entschäumer beigemischt“, erzählt Vollmann. Aus Laborversuchen wussten die Forscher, dass dieser Entschäumer schlagartig wirkt und dem Beton in Bruchteilen von Sekunden die vorher eingeschäumte Luft entzieht.
60 Prozent Resttragfähigkeit nach Sprengversuch
Ein Roboter, der normalerweise Autos zusammenschweißt, wurde umprogrammiert und überzog als Spritzbeton-Roboter Platten aus herkömmlichem Beton mit einigen Zentimeter des neuen hochfesten Schutzbetons. Solche präparierten Platten testen Wissenschaftler vom Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft in Freiburg in kontrollierten Sprengversuchen. Das Ergebnis: Der neue Schutzbeton behält nach der Sprengung bis zu 60 Prozent an Resttragfähigkeit der zu schützenden Konstruktion. Ungeschützt beträgt die Resttragfähigkeit bei gleichem Versuchsaufbau nur noch bis zu 20 Prozent.
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