Ingenieurmangel bremst Sanierung von Straßen und Brücken
Sie müssten längst erneuert sein, die beiden Rheinbrücken in Mainz und Leverkusen. Doch die Straßenbauer kommen längst nicht mehr nach. Das Problem: Den Baubehörden fehlen Bauingenieure. Das Geld, das in den Verkehrsetats eingestellt wird, kann gar nicht schnell genug verbaut werden. Beste Aussichten für Bauingenieure.
Diese zwei Brücken in Deutschland sind ständig in den Schlagzeilen, weil sie eigentlich gar nicht mehr stehen dürften: Die Schiersteiner Brücke über den Rhein zwischen Mainz und Wiesbaden und die Rheinbrücke zwischen Leverkusen und Köln sind so marode, dass sie längst ersetzt sein müssten. Die Leverkusener Brücke ist für Fahrzeuge ab 3,5 t gesperrt, so kaputt ist das Bauwerk. Regelmäßig fahren deshalb schwere Lkw rückwärts, weil sie die Verbotsschilder übersehen haben. Das wird noch Jahre so gehen. Das Verrückte: Es fehlt weniger am Geld, um die beiden wichtigen Autobahnbrücken zu ersetzen. Den Baubehörden der Länder fehlen vielmehr Bauingenieure, um das vorhandene Geld zu verbauen.
Der Spiegel widmete dem Thema erst vor kurzem eine große Geschichte mit dem Titel „Ruine Deutschland“ und stellte fest, das seit über zehn Jahr die Nettoinvestitionen des Staates in die öffentliche Infrastruktur negativ sind. Das bedeutet: Die Infrastruktur verschleißt stärker als sie repariert wird.
Doch das Geld ist da. So hat der Bund für eine neue Leverkusener Autobahnbrücke 860 Millionen Euro eingestellt – das ist sogar etwas mehr als die gerade fertiggestellte Elbphilharmonie in Hamburg gekostet hat.
Bereits im nächsten Jahr soll es nach Planungen vom Landesbetrieb Straßenbau NRW, kurz Straßen NRW, losgehen mit dem Ersatzneubau.
Ingenieure für komplexe Bauwerke
Doch um ein solch komplexes Bauwerk zu realisieren, das auch noch mitten durch die größte Giftmülldeponie Europas führt, benötigt die Landesbehörde vor allem Ingenieure. Und die sind derzeit Mangelware. Es gibt in Deutschland mehr offene Stellen als arbeitssuchende Ingenieure.
Nach der aktuellen Erhebung Ingenieurmonitor des VDI und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kamen im dritten Quartal 2016 bundesweit nur 100 arbeitssuchende Ingenieure auf durchschnittlich 261 offene Stellen. Das sind 17 Prozent mehr freie Arbeitsplätze als im Vergleichszeitraum 2015.
Und am stärksten gesucht werden nicht etwa Maschinenbauer oder Ingenieure für die Automobilindustrie, sondern Ingenieure für Bau, Vermessung und Gebäudetechnik. 25.100 offene Stellen gab es für Ingenieure am Bau, das sind 23 % mehr als vor einem Jahr. Im Maschinen- und Automobilbau gibt es dagegen „nur“ 15.600 offene Stellen.
Öffentliche Hand sucht händeringend Ingenieure
„In der Privatwirtschaft herrscht schon eine Art Hauen und Stechen um die besten Köpfe“, sagte der IW-Arbeitsmarktexperte Oliver Koppel der Deutschen Presse-Agentur. Die Lage im öffentlichen Dienst ist noch wesentlich angespannter, weil dort nicht mit entsprechend erhöhten Gehältern gelockt werden kann. Bauingenieure würden „von der Baustelle weg abgeworben“, so Koppel.
Dabei hat die öffentliche Hand das Problem, dass es derzeit auch einen Bauboom gibt. So ist die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen in Wohnheimen, vor allem in Flüchtlingsheimen, um 142 % gestiegen. Zudem boomt der private Wohnungsbau aufgrund der niedrigen Zinsen. Umso schwerer ist es da für die staatlichen Bauämter, Top-Ingenieure für den Bau einer Autobahnbrücke zu bekommen.
Das bestätigt ein Blick in die aktuellen Stellenausschreibungen bei Straßen NRW. Die Landesbehörde sucht zahllose Ingenieure für Straßen- und Brückenbau. Doch das Problem ist zum großen Teil auch hausgemacht, denn die Behörde hat in den vergangenen 14 Jahren die Stellenzahl von 7075 auf 5600 reduziert. Viele Ingenieure wurden entlassen.
Das rächt sich nun. „Die Einstiegsgehälter bei Straßen NRW sind bis zu 10.000 Euro niedriger als in der Privatwirtschaft“, so IW-Experte Koppel. „In der Vergangenheit war es vor allem das Finanzierungsproblem, das den Straßenbau gebremst hat. Jetzt ist es eher der Personalmangel.“
NRW braucht 500 Ingenieure für Straßen- und Brückenbau
Eine Berechnung des Verkehrsministeriums lässt vermuten, dass die Not bei Straßen NRW noch weitaus größer ist, als die aktuellen Stellenausschreibungen zeigen. Nordrhein-Westfalen kann bis 2030 in Berlin 13,8 Milliarden Euro alleine für den Fernstraßenbau abrufen. Um dieses Geld fristgerecht zu verbauen, müsste NRW die Rekordzahl von 500 zusätzlichen Ingenieuren einstellen. Der Personaldruck ist riesig. Alleine auf der A45 müssen in den nächsten gut 15 Jahren 38 Talbrücken ausgebaut oder saniert werden.
„Wo können sie sonst mal eine Rheinbrücke bauen?“
Laut Bernd Löchter, Sprecher von Straßen NRW, werden schon seit vergangenem Jahr massiv Ingenieure eingestellt. „Wir kriegen aber nicht so viele Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen wie das früher war“, so Löchter. „In der Wettbewerbssituation müssen wir den Leuten sagen, warum wir der attraktivere Arbeitgeber sind.“
Seine Behörde könne nicht mehr Geld als Privatunternehmen, aber immerhin spannende Projekte bieten, siehe Leverkusen. „Wo können sie sonst mal eine Rheinbrücke bauen?“
Und wie viel verdienen Ingenieure eigentlich? Hier lesen Sie, was Ingenieure wirklich verdienen.
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