Fraunhofer-Entwicklung 02.09.2021, 07:01 Uhr

Klimaanlagen adé – Smartes Fensterglas ist die Lösung!

Ein Fenster, das den Raum verdunkelt und damit die Sonnenstrahlung abschirmt – das gibt es schon? Das haben sich Fraunhofer-Forschende auch gedacht. Deswegen sind sie anders an das Thema herangegangen und haben ein System entwickelt, für das kein Spezialglas benötigt wird.

Glasgebäude

Es sieht modern aus und hält die Sonne ab: smartes Fensterglas.

Foto: Fraunhofer

Klimaanlagen sind große Stromfresser. Das ist bekannt. Doch gerade bei Gebäuden mit großen Glasflächen kommen sie oftmals sehr intensiv zum Einsatz. Denn im Sommer heizen sich die Zimmer sonst über die Fenster zu stark auf. Ein Sonnenschutz über Rollläden, Jalousien oder Vorhänge ist zwar möglich, aber meistens keine ideale Lösung, da er den Blick nach draußen versperrt. Zum Teil ist er auch unerwünscht, weil er die Optik des Gebäudes verändert. Eine gute Lösung ist elektrochromes oder thermochromes Glas, das sich über eine externe Schaltung oder bei Wärmestrahlung verfärbt und weniger Tageslicht hindurchlässt. Was perfekt klingt, ist in der Praxis jedoch eine Kostenfrage.

Fassadenbegrünung zur Gebäudeklimatisierung

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg und am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dresden haben daher eine Alternative entwickelt: eine transparente Beschichtung der Fenster oder Glasfassaden mit elektro- beziehungsweise thermochromen Materialien, unter dem Namen Switch2Save. Anders als Klebefolien zum Nachrüsten wird diese Beschichtung beispielsweise fest in Verbundfenster integriert. Für diese Entwicklung haben die Forschenden mit Universitäten und Industriepartnern aus sechs EU-Staaten zusammengearbeitet. Gefördert wurde das Projekt von der Europäischen Union – denn jede Klimaanlage, die nicht eingeschaltet wird, trägt dazu bei, CO2-Emissionen zu sparen.

Smart wird das Fensterglas nur durch eine Beschichtung

So funkionieren die smarten Fenster: „Die elektrochrome Beschichtung wird auf einer transparenten, stromleitfähigen Folie aufgebracht und ist aktiv schaltbar. Wird Spannung beziehungsweise Strom angelegt, findet ein Ladungs- und Ionenaustausch statt, und die Beschichtung dunkelt ein, was zu einer Verschattung im Fenster führt. Die thermochrome Variante hingegen arbeitet rein passiv und reflektiert ab einer bestimmten Umgebungstemperatur die Wärmestrahlung der Sonne“, erklärt Dr. Marco Schott, Gruppenleiter Elektrochrome Systeme am Fraunhofer ISC. Anders gesagt: Das Prinzip ist das Gleiche wie bei elektrochromen oder thermochromen Fenstern, nur dass der Effekt hier ausschließlich über die Folie erreicht wird und nicht über ein spezielles Glas.

Das System arbeitet über Sensoren. Sie messen Helligkeit oder Temperatur und schicken die Werte an die Steuerelektronik. Wenn nötig, gibt diese einen Spannungsimpuls an die leitfähige Folie weiter, damit diese sich verändert und das Fenster verdunkelt. Das ist stufenlos möglich.

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Dabei haben die Fraunhofer-Forschenden darauf geachtet, dass die Bewohnerinnen und Bewohner oder die Mitarbeitenden durch die Farbveränderungen möglichst wenig gestört werden. „Die Einfärbung vollzieht sich nicht schlagartig, sondern sanft innerhalb einiger Minuten“, sagt Schott. Auch die Energiebilanz sei sehr gut. Während die elektrochrome Variante nur für Schaltvorgänge wenige Volt an Spannung benötigt, kommen die thermochromen Folien ganz ohne Strom aus.

Illustration Verbundfenster
In Verbundfenstern können die Beschichtungen einzeln oder gemeinsam genutzt werden.

Foto: Fraunhofer

Fertigung Fenster
Dank der etablierten Herstellungsverfahren wäre eine Produktion kosteneffizient möglich.

Foto: Fraunhofer

Smartes Fensterglas kann kosteneffizient hergestellt werden

In der Fertigung wird die elektrochrome Beschichtung auf einem Foliensubstrat auf Polymer-Basis aufgebracht. Dünnglas-Substrat ist hingegen die Grundlage für die thermochromen Folien. Dabei kommen nasschemische Beschichtungsverfahren sowie Vakuumbeschichtungsverfahren zum Einsatz. Der Rolle-zu-Rolle-Betrieb hilft, Kosten zu sparen. Die schaltbaren Bauelemente werden anschließend im Vakuum auf ein vier Millimeter starkes Fensterglas laminiert, das als Teil des Verbundfensters dient. Wichtig ist dabei das Gewicht. Die Beschichtungen sind leicht, sodass es keine Probleme mit der Statik in Bestandsgebäuden gibt, wenn sie mit smartem Fensterglas nachgerüstet werden.

Im nächsten Schritt suchen die Forschenden nach einem Weg, elektro- und die thermochromen Elemente in einem Verbundfenster miteinander zu kombinieren. Außerdem wollen sie eine Technik entwickeln, um die Beschichtung auch auf geschwungenen Glasformen aufzubringen.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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