Klimaneutrale Städte: Mehr Tempo bei der Wärmewende
Mit serieller Sanierung, vorgefertigten Gebäudekomponenten und erneuerbaren Energien lassen sich Wohnblöcke aus den 1960er-Jahren effizient und kostengünstig modernisieren. Im Rahmen eines aktuellen Projekts konnten die Partner übertragbare Lösungen erarbeiten. So könnten ganze Stadtquartiere klimaneutral werden.

Beispiel Erlangen: Hier sanierten die Projektpartner mehrere Gebäude und stockten sogar Etagen auf. Das Ergebnis: mehr Klimaneutralität, mehr Wohnraum.
Foto: Schmitt Photodesign
Um die ambitionierten Klimaziele Deutschlands und der Europäischen Union zu erreichen, ist eine zügige Wärmewende im Gebäudesektor unerlässlich. Doch häufig mangelt es an umsetzbaren und auch wirtschaftlichen Ansätzen, um diese Ziele zu verwirklichen. Ein Forschungsprojekt des Unternehmens Target, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert wurde, liefert nun vielversprechende Lösungen. Im Rahmen der Studie soll es gelingen, fünf Stadtquartiere mit insgesamt 800 Wohneinheiten klimaneutral zu sanieren. Dabei kommen verschiedene innovative Technologien und Konzepte zum Einsatz, darunter serielle Sanierung, vorgefertigte Gebäudekomponenten, Fernwärme, Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen. Insgesamt fünf Quartiere in den Städten Erlangen, Hannover, Rostock und Sarstedt waren Teil der Studie. In zwei Quartieren in Erlangen haben die Sanierungsarbeiten bereits begonnen und zeigen, wie der Weg zu klimaneutralen Stadtvierteln gelingen kann.
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Die energetische Sanierung ganzer Wohnblöcke bietet gegenüber der Einzelgebäudebetrachtung erhebliche Vorteile in puncto Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Durch eine gemeinsame Wärmenutzung ließen sich finanzielle Investitionen verringern. Zudem beschleunige die serielle Fertigung von Fassadenelementen sowohl den Neubau als auch die Sanierung. Ein zusätzlicher Pluspunkt: „Das Aufstocken von Wohnungen auf ein bestehendes Gebäude schafft ohne zusätzlichen Flächenverlust mehr Wohnraum“, sagt Alexander Bonde, DBU-Generalsekretär.
Klimaneutrale Stadtviertel: Machbarkeit in der Praxis bewiesen
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts belegen aus seiner Sicht, dass klimaneutrale Quartiere keine Utopie sind, sondern technisch und wirtschaftlich realisierbar. „Klimaneutralität bei Gebäuden bedeutet: Der Heizwärmebedarf muss bilanziell null sein“, erklärt Tobias Timm, Projektleiter und Geschäftsführer von Target. Um das zu erreichen, spielt die Energieeffizienz eine Schlüsselrolle. Denn es geht auf der eine Seite darum, den Heizwärmebedarf des Gebäudes drastisch zu reduzieren und auf der anderen Seite das Gebäude zum Energieerzeuger umzugestalten. Als Testballon für die Machbarkeitsstudie dienten die Quartiere in den fünf Städten mit Gebäuden aus den 1960er-Jahren, die bisher mit fossilen Energieträgern wie Öl oder Gas beheizt wurden. „Um das Ziel einer Umstellung auf erneuerbare Wärmeversorgungssysteme zu erreichen, haben wir verschiedene Strategien untersucht“, sagt Timm. Weitere Projektpartner waren das Architekturbüro Dr. Schulze Darup und das Passivhaus Institut.
Hervorzuheben sind besonders zwei Siedlungen der Wohnungsbaugesellschaft Gewobau Erlangen. Im südlichen Teil der Stadt sanierte das Projektteam sechs Gebäude mit seriell vorgefertigten Komponenten. Dazu wurde das Quartier um 32 auf insgesamt 156 Wohneinheiten erweitert. „Mit dem innovativen Energiekonzept wird sogar eine Plusenergiebilanz erzielt“, betont Sabine Djahanschah, Leiterin des DBU-Referats Zukunftsfähiges Bauwesen. Das gelingt durch einen Fernwärmeanschluss und eine neue Photovoltaik-Anlage. In Erlangen-Bruck sanierte das Team sechs Wohnblocks mit 132 Wohneinheiten ebenfalls mit seriellen Komponenten. In diesem Fall wird es vor allem durch die Nutzung der Sonnenenergie wirtschaftlich attraktiv, denn mit den Erträgen der PV-Anlage lassen sich die Investitionen bewältigen. Mit dieser Herangehensweise war es sogar möglich, die Sanierungen im bewohnten Zustand vorzunehmen. Immer im Fokus stand dabei, die Beeinträchtigungen für Mieterinnen und Mieter möglichst gering zu halten.
Klimaneutrale Stadtviertel als Modell für die Zukunft
Für Projektpartner Burkhard Schulze Darup sind drei Veränderungen ausschlaggebend, um einen Null-Emissions-Standard zu erreichen: eine effiziente Gebäudedämmung, eine hauseigene regenerative Energiequelle wie Photovoltaik sowie eine intelligente Gebäudetechnik, beispielsweise auf Basis von Wärmepumpen. Als weiteren zentralen Erfolgsfaktor sieht der Architekt die serielle Sanierung mit vorgefertigten Elementen in Passivhausqualität: „Das senkt Sanierungskosten, verkürzt Bauzeiten und ermöglicht höchste Energieeffizienz.“ Die serielle Sanierung erweist sich somit als Schlüssel, um ganze Stadtviertel künftig klimaneutral zu gestalten.
Grundlage für künftig klimaneutrale Stadtviertel ist das im Januar 2024 in Kraft getretene Wärmeplanungsgesetz. Das ebnet den Weg für die kommunale Wärmeplanung. Sie gilt als wichtiger Baustein, um Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen. Daraus abgeleitet ist denkbar, dass künftig auch die Versorgungslandschaft effizienter aufgebaut ist. Beispiel: Klärwerke und Rechenzentren wären als kostengünstige Abwärmequellen für die Versorgung ganzer Quartiere denkbar. Einig sind sich die Projektpartner darin, dass die im Rahmen des DBU-geförderten Projekts entwickelten Lösungen modellhaft übertragbar seien. „Wir wissen, wie Klimaneutralität im Quartier verwirklicht werden kann“, betonen sie.
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