Längst überfällig: Roboter und 3D-Druck revolutionieren Baubranche
Jahrelang hat die Bauindustrie die Digitalisierung verschlafen. Jetzt sorgen neue Projekte mit revolutionären Ideen für Aufsehen: Ein Haus aus dem 3D-Drucker ist da erst der Anfang.
Alexander Türk trägt Hoodie. Natürlich: Er ist der mit dem Start-up in der Runde, und das Kapuzenshirt mit Firmenlogo ist längst zum Erkennungszeichen aller geworden, die irgendwas mit „Digital“ zu tun haben.
Das ist insofern etwas Besonderes, als es in diesem Gespräch am Mittwochnachmittag um das Baugewerbe geht – eine Branche, die nicht unbedingt als innovationsgetrieben und attraktiv für hippe Start-ups gilt. Doch das soll sich ändern, sagt Alexander Türk, CEO von Aeditive. Das Hamburger Unternehmen bietet robotische 3D-Drucklösungen für die schalungsfreie Fertigung von verbaufertigen Betonfertigteilen.
Türk verspricht schlüsselfertige Lösungen aus dem 3D-Drucker, das Verfahren mache eine „revolutionäre Effizienz im Betonbau“ möglich. Was ein Imagefilm von Aeditive zeigt, sieht tatsächlich beeindruckend aus: Ein gewaltiger Roboterarm sprüht Beton im RSP-Verfahren auf eine Stahlpalette, ein zweiter Roboter unterstützt den Prozess und platziert Einbauteile wie Bewehrungselemente.
Concrete Aeditor nennt Türk den riesigen 3D-Drucker. Er kann in Fertigteilwerken oder flexibel direkt auf Baustellen genutzt werden. Noch war das Modell auf keiner echten Baustelle, doch das soll kommen.
Papier, Fax und Wandkalender: In der Baubranche noch alles vorhanden
Es ist nicht der erste Vorstoß, Automatisierung und 3D-Druck auch in die Bauindustrie zu bringen. Gerade erst hat die Mitteilung der NRW-Landesregierung für viel Aufsehen gesorgt, dass in Beckum im Kreis Warendorf ein ganzes Haus aus dem 3D-Drucker entsteht – finanziert mit NRW-Fördergeldern. Für die Baubranche sind diese Ansätze eine Revolution. „In der Baubranche wurde das verschlafen, weil der Druck nicht so da war, wie in anderen Industrien“, sagt Alois Buchstab, Vice President Advanced Robotic Applications beim Automaisierungsspezialisten KUKA. Das Augsburger Unternehmen hat die Roboter für Türks Concrete Aeditor gebaut.
„Wir bauen zu 80 % noch genauso wie vor 30 Jahren“, so Buchstab.
Papier und Faxgeräte gehören zu den beliebtesten “Tools” der Bauherren. In Zeiten von Digitalisierung und Automatisierung kann man sich das nur schwer vorstellen. Doch die Sparte kann sich einfach nicht flächendeckend durchringen, eine Baustelle virtuell zu planen und Daten mit allen Beteiligten zu teilen. Das liegt laut Buchstab daran, dass es das Thema Generalunternehmerschaft in der Form nicht so gibt wie in anderen Industriezweigen. „In der Industrie baut eine Firma ein Produkt und bringt es auf den Markt. Doch im Bau gibt es zig Unterfirmen, die auf der Baustelle beteiligt sind. Es gibt nicht den Generalunternehmer, der für den gesamten Bau zuständig ist.“
BIM am Bau: Heilsbringer oder Hype?
Bauingenieure werden die drei Buchstaben kennen. BIM, sprich Building Information Modeling, gilt schon länger als die digitale Lösung in der Bauindustrie schlechthin. Doch warum hat sich der Durchbruch noch nicht eingestellt? Alois Buchstab erklärt die Hintergründe: „BIM funktioniert nur, wenn es schon eine bestehende Datenbank gibt.“ Und die ist einfach in zahlreichen Unternehmen nicht vorhanden. Wo wir wieder beim Papier und Faxgerät wären.
Durchgehendes Datenmodell sei entscheidend für die Wende auf dem Bau
Ein durchgehendes Datenmodell ist laut Buchstab der Schlüssel für den Bau der Zukunft. Damit Bauingenieure, Elektriker und Architekten auf ein und dieselbe Datenbasis zurückgreifen können, sei die Einführung von BIM essentiell. „Das fängt beim Kellerfenster an. Länge, Breite, Höhe müssen digital hinterlegt sein, damit die Durchgängigkeit gewährleistet wird.“
Doch was heißt das für den Bauherrn? Was habe ich davon, wenn mein Haus zunehmend von Robotern gebaut wird? „Aus Sicht des Anwenders ist es so, dass wir durchaus wirtschaftlich agieren“, sagt Alexander Türk. Zwar bedeute komplexe Robotertechnologie auch hohe Kosten. „Aber wir benötigen weniger teure manuelle Tätigkeiten. Dadurch kompensieren wir das.“ Die Not der potenziellen Nutzer seines Druckers sei zudem nicht, dass Preisdruck bestehe, sondern Produktivitätsdruck.
Das Potenzial der BIM-Methode wird unterschätzt
A wie Arbeitsplatzverlust: „In unserer Sparte ist das nicht so“
Auf das A-Wort – Automatisierung – reagieren manche allergisch, wenn es um das andere A-Wort – Arbeitsplätze – geht. Sind die im Bau nicht gefährdet, wenn immer mehr Maschinen die Arbeit übernehmen? „In unserer Sparte ist das nicht so“, sagt Alexander Türk. Vielmehr sei es so, dass die Zahl der Mitarbeiter, die entsprechende manuelle Tätigkeiten übernehmen kann, allmählich immer kleiner wird.
„Man findet diese Leute nicht mehr. Bei wachsender Produktivität muss man ausgleichen. Und da kann Automatisierung helfen.“
Ob Häuser mittelfristig standardmäßig komplett aus dem 3D-Drucker kommen, daran hat Türk indes gewisse Zweifel. Das Projekt in Beckum sei zwar in einer anderen aber immerhin ähnlichen Sparte angesiedelt. Seine Meinung: „Ich habe dazu gemischte Ansichten gehört. Das ist vielversprechend, aber es wird schwer, im Vergleich gegen Abläufe, bei denen manuelle Tätigkeiten eine Rolle spielen, zu gewinnen.“ Vielleicht macht es die Mischung.
Das Gespräch endet literarisch: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, zitiert Alois Buchstab von KUKA einen Satz, den man Franz Kafka zuschreibt. Anders ausgedrückt: Einfach mal machen.
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