Leidenschaft für einen Werkstoff in einen Beruf verwandeln
Holz erlebt in der Baubranche einen Boom. Es hat gute Dämmeigenschaften, ist günstiger als Stahl und Beton, isoliert besser, aber: Wer ein Haus oder eine Brücke aus Holz baut, will mehr als ein Dach über dem Kopf oder von einem Flussufer ans andere kommen. Doch Schönheit hat bekanntlich ihren Preis. In diesem Spannungsfeld arbeiten Ingenieure des Holzbaus. VDI nachrichten, Ellwangen, 15. 1. 10, cha
„Holz ist lebendig, es ist warm, schön und man kann mit dem Material wunderbare Bauten herstellen, etwa Häuser, Hallen, Brücken.“ Wenn Alexander Schröter von Holz spricht, dann ist es geradezu eine Liebeserklärung an diesen Werkstoff, der einen wahren Boom erlebt. In den 1990er-Jahren waren etwa 7 % aller in Deutschland gebauten Wohnhäuser aus Holz, heute sind es doppelt so viele, meldet der Bundesverband Deutscher Fertigbau. Mehr noch: Während der Eigenheimbau 2009 erneut zurückging, legten Holzhäuser entgegen dem Trend kräftig zu.
Das hat auch mit der energiesparenden Bauweise zu tun, die Holz zulässt. „Die hervorragenden Dämmeigenschaften führen dazu, dass die Bauweise in Kombination mit anderen Werkstoffen zwangsläufig zu einem Effizienzhaus führt“, weiß Schröter. Der 30-Jährige hat schon früh seine Liebe zu Holz entdeckt und sie zu seinem Beruf gemacht. Nach einer Schreinerlehre studierte er zum Holzbauingenieur an der Hochschule Rosenheim. Aus Überzeugung für das Material und die Menschen, die es verarbeiten und nutzen. „In einem Holzhaus wohnen Leute, die mehr wollen, als ein Dach über dem Kopf. Sie legen Wert auf Behaglichkeit und Wohlbefinden, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit.“ Schröter arbeitet bei dem Familienunternehmen Bauer Holzbau in Satteldorf-Gröningen in der Nähe von Schwäbisch Hall.
Doch was hat Klimaschutz mit einem Holzhaus zu tun, wo doch Bäume gebraucht werden, um das Klima zu schützen und für den Holzbau werden die Wälder abgeholzt? „Derzeit wird in Europa gleich viel Holz geschlagen wie nachwächst, das ist Nachhaltigkeit pur“, sagt Johann Pravida von der Hochschule Rosenheim nahe München. Pravida ist Professor für Statik und Studiendekan des Fachbereichs Holzbau und Ausbau. Holzhäuser werden überwiegend aus Fichte und Lärche gebaut. An der bayerischen Hochschule lernen die Studenten, wie Ein- und Mehrfamilienhäuser, Hallen oder Brücken aus Holz gebaut werden, im Ausbau geht es beispielsweise um Innenwände und Treppen. Es gibt in Deutschland zwei andere Hochschulen mit ähnlicher Ausrichtung, die sind in Hildesheim und Eberswalde.
Als der Studiengang 1996 in Rosenheim gegründet wurde, gab es noch nichts Vergleichbares. Er entstand auf Initiative der Zimmereiinnung: Die Meister brauchten für ihre Nachfolge eine Ausbildungsstätte, an der neben dem Handwerkszeug der Planung und Bauausführung Themen wie Betriebsführung und Unternehmensplanung vermittelt werden. Von den etwa 50 Absolventen jährlich kommt jeder Zehnte aus einem Familienunternehmen mit Holzbautradition.
Der Großvater entfachte die Liebe zum Material, der Enkel war mit 25 Jahren ausgebildet
Bei Alexander Schröter hat der Großvater die Liebe zum Material entfacht und schon mit 25 Jahren war der Enkel Holzbauingenieur. „Es war nicht schwierig, eine Stelle zu finden, ich konnte auswählen.“ Schließlich hat er sich für Bauer Holzbau entschieden, Dort hat er im Wesentlichen zwei Aufgaben: Zum einen die technische Leitung im Produktbereich Holzhäuser. Dazu gehören Bauleitung und Optimierung beispielsweise der Fertigung der Bauteile für die Wohnhäuser und die Führung der Mitarbeiter. Daneben ist er im gewerblichen Baubereich in der Beratung und Kalkulation tätig, zuletzt für den Neubau eines Kuhstalls, der komplett aus Holz gefertigt ist und in dem seit wenigen Wochen etwa 90 Stück Vieh unterkommen. Beim Wohnhausbau überzeugt vor allem ein Argument: „Die etwa 10 % mehr, die ein Holzhaus im Vergleich zu einem Haus aus Stein kostet, amortisieren sich rasch, weil der Energiebedarf in einem Holzhaus deutlich geringer ist, als wenn es mit anderen Materialien gebaut wird. Holz isoliert einfach besser als Stein oder Beton.“
Der Professor geht ins Detail: „Beim Ziegelhaus wird die Dämmung außen aufgeklebt, beim Holzhaus befindet sie sich zu einem großen Teil bereits innerhalb der Wandkonstruktion. Um die gleiche Effektivität der Wärmedämmung zu erreichen, benötigt eine Außenwand in Holzständerbauweise nur eine Dicke von 30 cm gegenüber einer gedämmten Kalksandsteinwand mit 44 cm.“ Die eingesparte Wanddicke erhöht entweder die nutzbare Wohnfläche oder verringert den umbauten Raum, den es zu unterhalten gilt. Pravida bescheinigt seinen Studenten beste Zukunftschancen.
Frank Miebach hat 2000 sein Diplom-Ingenieur-Zeugnis in Rosenheim erhalten und sich bereits im Studium vertieft mit dem Holzbrückenbau beschäftigt. Anschließend arbeitete er einige Jahre als Projektleiter auf diesem Gebiet, dann, vor fünf Jahren, gründete er sein eigenes Ingenieurbüro im Süden von Köln, das sich schwerpunktmäßig mit der Entwurfsplanung und Projektbetreuung von Holzbrücken beschäftigt. „Durch die Errungenschaften der Industrialisierung geriet diese Art, Brücken zu bauen, stark ins Hintertreffen, doch die Einsicht zur Nachhaltigkeit hat dem Werkstoff Holz eine Renaissance im Brückenbau beschert.“
Miebach plant und baut Holzbrücken in ganz Europa, vor allem für Fußgänger, weniger für Autos oder Züge. Holz hat für ihn eine große Ästhetik, aber auch Eigenschaften, die ein Ingenieur mag. „Stahl hält großem Zug stand, Beton Druck, und Holz ist eine Mischung aus beidem.“
Über eine mangelnde Auftragslage kann sich Miebach nicht beschweren. Seine Auftraggeber sind sein früherer Arbeitgeber und die öffentliche Hand. Für sie erarbeitet er Entwürfe an CAD-Programmen dreidimensional (CAD = Computer Aided Design) und berechnet die Statik. Bei den öffentlichen Aufträgen entscheidet in erster Line der Preis des Gewerks. Standard-Holzbrücken sind billiger als Standard-Stahlbrücken. Aber Kunden, die sich für Holz entscheiden, wollen nicht nur die Uferseite wechseln – sie wollen das Material sehen, es schön verarbeitet und gestaltet wissen. Das ist die Herausforderung, der Holzbauingenieure ausgesetzt sind. Denn Schönheit hat bekanntlich ihren Preis.
PETER ILG
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