Lösung für die Bauindustrie: grüner Beton
Beton gilt inzwischen nicht nur als wichtigster, sondern als Hochleistungsbaustoff in der Branche. Allerdings gehört er auch zu denen, die sehr viel CO2-Emissionen verursachen. Forschende der ETH Zürich und der EPFL haben eine Lösung gefunden: Beton, der in der Herstellung deutlich weniger CO2 verursacht.
Wenn es um den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen geht, denkt man als erstes an den Verkehr, also Autos und Lkw. Auch Flugzeuge bringt man damit rasch in Verbindung. Die Bauindustrie hingehen bleibt dabei häufig gedanklich außen vor. Doch das ist ein Fehler. Denn allein die Betonindustrie ist für rund acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Und das ist mehr als Luft- und Schifffahrt zusammen verursachen. Der Grund: Bei der Herstellung von Beton wird deutlich mehr CO2 freigesetzt, als das Produkt später wieder binden kann. Und da Beton zu dem Baumaterial gehört, das auf der gesamten Welt am meisten eingesetzt wird, ist der Hebel an dieser Stelle entsprechend groß.
Forschende an der ETH Zürich haben sich deshalb damit beschäftigt, CO2-freien Beton herzustellen. Konkret geht es darum, mit dem sogenannten „Ultra Green Concrete“- Ansatz die Formulierung von Beton zu verändern. Es steht in direkter Verbindung zu dem Projekt „Limestone Calcined Clay Cements“ (LC3), bei dem ein neuer Standard in der Produktion von Zement entwickelt werden soll. Es wird von Forschenden an der EPFL vorangetrieben.
Forschende verbinden zwei Projekte für die Entwicklung grünen Betons
In seiner herkömmlichen Form besteht Beton aus Zement, Gesteinskörnern und Wasser. Zement beinhaltet Klinker (95 Prozent) und Gips (5 Prozent). Kalkstein und Ton werden in einem extrem heißen Ofen zu Klinker gebrannt. Bei der chemischen Zersetzung des Kalksteins entsteht automatisch CO2, das in die Atmosphäre entweicht. Hinzu kommt noch der sehr hohe Energiebedarf des Ofens. Auch dieser sorgt für eine schlechte Umweltbilanz.
Im Rahmen des LC3-Projekts an der EPFL sind die Forschenden dabei, Zement aus 50 Prozent Klinker sowie einer Kombination aus gebranntem Ton und Kalkstein herzustellen. Bei dieser Mischung sei es möglich, den Ausstoß von CO2 um etwa 40 Prozent zu verringern – im Vergleich zur Produktion von herkömmlichem Zement. Zugleich sind sich die Forschenden sicher, dass sich die Umweltvorteile noch weiter verbessern ließen, wenn sie die Mischung und Herstellung des Betons weiterentwickeln. An dieser Stelle verbinden sich die beiden Projekte miteinander.
Beim grünen Beton entstehen maximal ein Drittel der CO2-Emissionen
Franco Zunino vom Department Bau, Umwelt und Geomatik an der ETH Zürich setzt dabei auf eine Doppelstrategie. Er möchte einerseits den Anteil des Klinkers verringern und andererseits auch die Menge des gesamten Zements im Beton. „Ideal wäre es, beides gleichzeitig umzusetzen, die einzelnen Komponenten sind jedoch unabhängig voneinander. In einigen Märkten ist es möglicherweise schwierig, beide Aspekte der Doppelstrategie gleichzeitig umzusetzen, da Produktionskapazitäten und Infrastruktur aufgebaut werden müssen. Dennoch besteht die Möglichkeit, zumindest einen davon zu realisieren und trotzdem CO2 einzusparen“, erklärt Zunino. Er sieht den Vorteil seiner Strategie vor allem in der Flexibilität, denn auf die Art und Weise ließen sich kohlenstoffarme Zusammensetzungen des Betons an die verschiedenen Märkte individuell anpassen.
Zunino hat auch schon eine Bezeichnung für sein Endergebnis: „ultra-grüner Beton“. Seinen Berechnungen zur Folge könne der CO2-Ausstoß mit diesem Beton von 300 Kilogramm pro Kubikmeter auf rund 80 bis 100 Kilogramm pro Kubikmeter reduziert werden. Damit ließen sich bis zu zwei Drittel der CO2-Emissionen einsparen. Zugleich bliebe die Qualität des Materials auf gleichbleibend hohem Niveau. Ein komplett klimaneutraler Beton sei seiner Auffassung nach nicht umsetzbar, doch auf nachhaltigere Baumaterialien, die es bereits gibt, könne man heute schon umstellen.
Grüner Beton kann sogar günstiger sein
Warum es bislang keine Umstellung auf klimafreundlichere Materialien gab, liegt vermutlich daran, dass Beton in seiner herkömmlichen Form kosteneffizient herzustellen ist, als sicheres Material gilt und einfach zu nutzen ist. Der Forscher stellt allerdings in Aussicht, dass der „grüne Beton“ durchaus kostengünstiger sein könnte als konventioneller. Es gebe deshalb durchaus finanzielle Anreize, ihn einzusetzen.
„Alle, die ein Haus bauen, wünschen sich ein Material, das 100 Jahre hält. Aber wir müssen uns fragen, ob dies angesichts der erheblichen CO2-Emissionen wirklich sinnvoll ist. Könnten wir stattdessen ein Material verwenden, das den erforderlichen Lebenszyklus der Struktur erreicht, aber erheblich weniger CO2 ausstößt? In einem Szenario der Klimakrise ist eine heute eingesparte Tonne CO2 mehr wert als die gleiche Tonne, die in 50 Jahren eingespart wird“, erklärt Zunino. Aktuell gibt es sieben Zementwerke, die die umweltfreundliche Alternative nach Ansatz des Forschers herstellen. Geht es nach ihm, zählt LC3 in zehn Jahren zu der Zementart, die weltweit am meisten verbreitet sein wird.
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