Macht dieser klimafreundliche Verbundwerkstoff Stahlbeton überflüssig?
Die Baubranche sucht händeringend nach Alternativen, um ihre Aktivitäten klimafreundlicher zu gestalten. Ein neuer Verbundwerkstoff könnte eine davon sein. Er ermöglicht CO2-negatives Bauen und ist eine Alternative zu Stahlbeton.
Insbesondere die Herstellung von Zement ist ein echter Klimakiller, die Bauindustrie ist daher froh um jede Alternative, die den CO2-Ausstoß der Branche reduziert. Forschende von Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) in Denkendorf haben solch eine Alternative entwickelt. Der neue Verbundwerkstoff besteht aus Naturstein, Carbonfasern und Biokohle und könnte eine Alternative zu Stahlbeton werden. Er zeichnet sich durch eine besonders gute CO2-Bilanz aus.
Verbundprojekt DACCUSS-Pre
Die Nutzung von Pflanzenmaterialien wie Holz, Stroh oder anderen Pflanzenfasern als Baumaterialien ermöglicht eine effiziente Speicherung von Kohlenstoff. Doch für das Forschungsteam im Projekt DACCUSS-Pre ist eine kurzzeitige Speicherung nicht genug. Sie entwickeln einen neuen Baustoff, den sie CFS (CarbonFaserStein) nennen. Er besteht aus pflanzlichen Carbonfasern, Biokohle und Hartgestein. Dieser Baustoff soll nicht nur alle technischen Anforderungen erfüllen, sondern auch langfristig mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, als bei seiner Produktion freigesetzt wird.
CFS erreicht diese Kohlenstoffbindung auf dreifache Weise:
- Die Herstellung der Carbonfasern aus kohlenstoffreicher Biomasse, wie Algen, bindet Kohlenstoff dauerhaft im Baustoff.
- Hartgestein im CFS trägt zusätzlich zur CO₂-Bindung bei. Während der Produktion entsteht Steinstaub, der die Verwitterung des Gesteins fördert. Diese beschleunigte Verwitterung bindet Kohlendioxid aus der Luft durch chemische Reaktionen im Stein.
- Als Isolation zwischen den Steinplatten wird Biokohle verwendet, ein weiteres dauerhaftes und kohlenstoffreiches Material, gewonnen aus Pflanzenteilen.
Hauswandelement realisiert
In Zusammenarbeit mit der Firma TechnoCarbon Technologies ist das Projekt inzwischen weit fortgeschritten – ein erster Demonstrator in Form eines Hauswandelements wurde realisiert. Er besteht aus den drei zuvor beschriebenen Elementen Carbonfasern, Hartgestein und Biokohle. Zwei Natursteinplatten bilden hierbei die Sichtwände des Wandelements.
Die Carbonfasern verstärken in Form von technischen Geweben die Seitenwände der Wandelemente. Sie nehmen die Zugkräfte auf und funktionieren so ähnlich wie Bewehrungsstahl bei Stahlbeton. Die Biokohle fungiert hingegen als Füllstoff und wirkt als effektives Dämmmaterial.
Biobasierte Carbonfasern
Die an den DITF Denkendorf entwickelten Carbonfasern bestehen aus biobasiertem Lignin, das aus Biomasse gewonnen wird. Diese Fasern zeichnen sich durch ihre Wirtschaftlichkeit, bedingt durch niedrige Rohstoffkosten, sowie durch ihre hohe Effizienz bei der Kohlenstoffbindung aus. Gegenüber herkömmlichem Betonstahl haben sie den Vorteil, dass sie nicht oxidieren, was ihre Lebensdauer deutlich verlängert.
Obwohl die Herstellung dieser Carbonfasern mehr Energie erfordert als die Herstellung von Stahl für Stahlbeton, ist die benötigte Menge im Bauwesen so gering, dass die Gesamtbilanz von Energie und CO2-Emissionen deutlich positiver ausfällt als bei Stahlbeton, erläutert das Forschungsteam. Der Einsatz von Solarenergie und Biomasse bei der Herstellung sowie die natürliche Verwitterung des verwendeten Steinmehls tragen dazu bei, dass die CO2-Bilanz des neuen Baustoffs sogar negativ ist. Damit können Gebäude errichtet werden, die aktiv zur CO2-Reduktion beitragen.
CO2-Bilanz der neuen Hauswand
Wie die Forschenden aus Denkendorf berichten, zeigt der entwickelte Demonstrator, das Wandelement für den Hochbau, bereits gute technische Eigenschaften. Zum Einsatz kommt Gabbro, ein Naturstein aus Indien, der sich durch hochwertige Optik und hohe Belastbarkeit auszeichnet, was durch Belastungstests bestätigt wurde. Biobasierte Carbonfasern bilden die Deckschicht der Steinplatten. Die Biokohle stammt von der Convoris GmbH, die für ihre hervorragenden Wärmedämmwerte bekannt ist.
Die CO2-Bilanz des neuen Materials wurde ermittelt und mit herkömmlichem Stahlbeton verglichen. Das Ergebnis zeigt eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen um 157 CO2-Äquivalente pro Quadratmeter Wandfläche, was einer signifikanten Einsparung entspricht.
Pflanzenkohle als Dämmstoff
Der neue Verbundwerkstoff nutzt Biokohle als Dämmstoff, um einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Dämmstoffindustrie zu leisten. Forschungsinstitute wie die Schweizer Empa arbeiten intensiv an dieser Entwicklung. Doch wie entsteht Biokohle? Das Verfahren basiert auf der Pyrolyse, bei der pflanzliche Reststoffe, etwa aus Gärten oder der Holzverarbeitung, in einem sauerstofffreien Ofen mehrere Stunden lang auf bis zu 800 Grad Celsius erhitzt werden. Statt zu verbrennen, verkohlt die Biomasse, wobei der Kohlenstoff gebunden und nicht wie bei der Verbrennung oder Verrottung freigesetzt wird.
Die Umweltverträglichkeit dieser Methode hängt davon ab, ob die Pyrolysegase aufgefangen und genutzt werden. Die bei der Pyrolyse entstehende Wärmeenergie kann zur Beheizung der Pyrolysekammer oder in Wärmenetze eingespeist werden, während das entstehende Synthesegas zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Das Endprodukt ist Biokohle, ein hochporöses Material mit einer großen Oberfläche. Diese luftporenreiche Struktur macht Biokohle zu einem hervorragenden Dämmstoff, da Luft ein guter Isolator ist.
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