Bröckelnde Bauwerke 11.06.2024, 15:40 Uhr

Mechanolumineszenz: Diese Material verändert die Bauwerksinspektion

Japanische Forschende haben ein Material entwickelt, mit dem sich die Belastungsgeschichte von Bauteilen ganz einfach aufzeichnen lässt. So lassen sich Schäden zum Beispiel an Brücken leichter erkennen und es können frühzeitig Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Die Identifizierung bröckelnder Infrastrukturen ist manchmal ebenso schwierig wie deren Beseitigung. Ein neues Material soll das nun vereinfachen. Foto: Tomoki Uchiyama, Chao-Nan Xu et al.

Die Identifizierung bröckelnder Infrastrukturen ist manchmal ebenso schwierig wie deren Beseitigung. Ein neues Material soll das nun vereinfachen.

Foto: Tomoki Uchiyama, Chao-Nan Xu et al.

Bröckelnde Infrastruktur zu erkennen und zu reparieren ist oft kompliziert. Forschende der Tohoku-Universität in Sendai, Japan, haben ein neues Material entwickelt, das diesen Prozess vereinfacht. Mechanolumineszenz ist hier das Stichwort. Das Material reagiert auf mechanische Reize und zeichnet die Belastungsgeschichte durch einen Leuchteffekt auf, das sogenannte Nachleuchten. Diese Information bleibt lange Zeit gespeichert. Wird das Material auf bestehende Brücken oder andere gefährdete Bauwerke aufgebracht, lassen sich anhand des Nachleuchtens die Belastungen beurteilen.

So funktioniert das Material in der Praxis

In der Praxis inspizieren Drohnen regelmäßig präparierte Bauwerke wie Brücken. Ausgestattet mit einem Blitzlichtgerät und einer Kamera, erfassen sie das Nachleuchten des vom japanischen Forschungsteam entwickelten Materials. Die Kamera dokumentiert diese Leuchtdaten, wodurch Behörden ein detailliertes Abnutzungsprofil über die Jahre erhalten. Dadurch können Reparaturen und Sanierungsmaßnahmen rechtzeitig geplant werden, um irreparable Schäden zu vermeiden.

„Was unser Material wirklich innovativ macht, ist die Tatsache, dass es ohne Stromversorgung, komplexe Ausrüstung oder Vor-Ort-Beobachtung funktioniert und leicht mit IoT-Technologie kombiniert werden kann“, betont Chao-Nan Xu, Professor an der Tohoku-Universität und korrespondierender Autor der Studie.

Jenaer Glaskeramik leuchtet bei Belastung

Mechanolumineszierende Materialien sind nicht neu. Vor drei Jahren stellten Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Glaskeramik vor, die bei mechanischer Belastung leuchtet. Diese Glaskeramiken entstehen aus einer Glasschmelze, der Kristalle zugesetzt werden, wodurch das Glas eine kristalline Struktur erhält. Die spezifischen Eigenschaften der Glaskeramik hängen von den verwendeten Kristallen ab. In diesem Fall erzeugt die Mechanolumineszenz unter mechanischer Einwirkung ein rötliches Leuchten.

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Für die mechanolumineszente Glaskeramik sehen die Jenaer Forscherinnen und Forscher zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Sie denken vor allem an Sensoren, die Belastungen messen können. Solche Sensoren könnten in Bauwerken wie Gebäuden oder Brücken eingesetzt werden, um vor gefährlichen Belastungen oder Brüchen zu warnen. Auch in der Medizin könnte das Material nützlich sein, etwa in künstlichen Gelenken, um die Belastung zu überwachen.

Allerdings kann das Jenaer Material nur aktuelle Belastungen registrieren, während das japanische Forscherteam auch in die Vergangenheit blicken und so herausfinden kann, ob das Bauwerk irgendwann einmal überlastet war. Wie haben sie das geschafft?

Einfache und umweltfreundliche Methode zur Belastungsaufzeichnung

Xu und sein Team von der Tohoku-Universität haben eine einfache und umweltfreundliche Methode entwickelt, um die Belastung von Bauwerken aufzuzeichnen. Das neue Material besteht aus Lithium, Natrium und Niobixid (LNNO). Diese Mischung wird zusätzlich mit Praesodym dotiert. Das so entstandene Material kann vergangene Spannungsereignisse speichern und wieder abrufen.

LNNO wird als Beschichtung auf die Oberfläche eines Gegenstandes aufgetragen und anschließend mit Blitzlicht bestrahlt. Das daraus resultierende Nachleuchten kann mit Kameras oder Lichtsensoren gemessen werden. Die Studie zeigte, dass das Nachleuchten quantitativ mit den Ergebnissen der Finite-Elemente-Methode übereinstimmt. Darüber hinaus bewies die Untersuchung, dass LNNO diese Spannungsinformation auch nach fünf Monaten noch speichert. „Unsere Ergebnisse könnten den Arbeitskräftemangel in der Strukturdiagnose lindern und die Kosten senken“, sagt Xu.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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