Mit dem Handy-Bild Bauwerke statisch berechnen
Bei modernen Bauwerken gibt es Pläne, auf die man im Falle statischer Beurteilungen zurückgreifen kann. Bei antiken Bauwerken sind solche in der Regel nicht mehr vorhanden. Forscher der Technischen Universität München haben nun ein Verfahren entwickelt, statische Berechnungen anhand von Handy-Bildern zu ermöglichen.
Das Kollosseum in Rom, der Taj Mahal in Indien, die David-Statue von Michelangelo in der Galleria dell’Accademia in Florenz, die Ayatekla-Basilika in der Türkei – diese Bauwerke und Statuen haben bereits Jahrhunderte überdauert. Doch wie stabil stehen Sie tatsächlich? Wie sehr machen Risse oder andere Schäden ihnen zu schaffen? Um die Sicherheit oder Einsturzgefahr beurteilen zu können, müssen Forscher oftmals das Bauwerk weiter beschädigen. Genau das ist weder gern gesehen, noch eigentlich gewollt.
In den 1969er-Jahren brach in der Türkei an der Ayatekla-Basilika eine Säule zusammen. Sie wurde durch eine aus Beton ersetzt. Rein äußerlich scheinen auch die weiteren Säulen dieses antiken Bauwerks angegriffen zu sein. Um ihren Zustand genauer beurteilen zu können, muss man herausfinden, welche internen Kräfte in der Struktur wirken. „Um den Spannungszustand einer Struktur zu berechnen, wird in der Ingenieurpraxis sehr oft die Methode der Finiten Elemente verwendet“, erklärt Stefan Kollmannsberger vom Lehrstuhl für Computation in Engineering an der Technischen Universität München (TUM). „Bevor zum Beispiel eine Brücke gebaut wird, muss bekannt sein, ob sie den Belastungen des Verkehrs standhält. Es muss nachgewiesen werden, dass sowohl die zu erwartenden Verformungen als auch die Belastung des Materials unter vorgegebenen Grenzen liegen.“
Mit Punktewolken Bauwerke berechnen
Das physikalische Verhalten eines derart komplexen und verwinkelten Bauwerkes wie eine Basilika ist nicht ohne weiteres zu berechnen. Deshalb unterteilt man dafür das Modell in sogenannte finite Elemente. Sie besitzen einzeln eine eher einfache Geometrie. Mithilfe bestimmter Annahmen über Materialverhalten und eventueller Verformungen sind Ingenieure in der Lage, den Widerstand bei unterschiedlichen Kräfteeinwirkungen für jedes Element zu berechnen. „Werden die Elemente wieder zusammengefügt, kann das Verhalten der ganzen Struktur beurteilt werden“, sagt Kollmannsberger. An dieser Stelle greift die Problematik, fehlender Baupläne für antike Bauwerke. Deren Geometrie muss erst bestimmt werden, bevor man Widerstände berechnen kann. Eine Möglichkeit zur Bestimmung bietet der Laserscan. Er kann Punkte des Bauwerks im Raum lokalisieren. Daraus entsteht eine sogenannte Punktewolke. Diese lassen sich sogar mit Fotos eines Smartphones erstellen. Man benötigt dazu lediglich ausreichend Bilder aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Entscheidend ist, dass Position der Kamera sowie Brennweite des Objektivs bekannt sind. Dann ist es möglich, die Pixel in den unterschiedlichen Bildern miteinander in Beziehung zu setzen. Das Computermodell errechnet auf diese Art und Weise die Punkte auf der Oberfläche des Objektes im Raum.
Bislang folgte daraufhin ein sehr aufwendiges Verfahren, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Man bestimmte aus der Punktewolke das ungefähre Volumen des Bauwerks und wandte die Finite-Elemente-Methode an. Der Aufwand entstand, weil man vorab die Oberfläche auf Grundlage der Punktewolke rekonstruieren musste. Anschließend sei das Volumen in die Finiten Elemente zu zerlegen, wobei einerseits die Ränder der Elemente mit dem Rand der Struktur übereinstimmen, andererseits die Seiten der geometrischen Strukturen im bestimmten Verhältnis zueinanderstehen müssten. Erst dann gelange man zu einem aussagekräftigen Ergebnis.
Schnellere Berechnung dank des neuen Verfahrens
Die Forscher wollten stattdessen eine einfachere Methode entwickeln, und versuchten deshalb, direkt mit den Punktewolken zu rechnen. Dies gelang ihnen, indem sie die Finite-Elemente-Methode erweiterten. Dadurch reicht die punktweise Darstellung des Körpers zur Berechnung aus. Die Genauigkeit des ursprünglichen Verfahrens bleibt dabei trotzdem erhalten. „Point Cloud Finite Cell Method“ nannten die Forscher das neue Verfahren.
Damit ist es möglich, für jeden Punkt im Raum zu entscheiden, ob dieser sich inner- oder außerhalb der Struktur befindet. Die Umgebung eines Baukörpers kann trotzdem gleichförmig in Finite Elemente unterteilt werden. Dafür benötigt man nicht zwingend die genaue Geometrie. Mit diesen Daten lässt sich bestimmen, ob Punkte zum Baukörper gehören. Diesen kann man im Anschluss Materialeigenschaften des Bauwerks zuordnen. Das System weist Punkten, die nicht im Bauwerk liegen, automatisch die Eigenschaft „sehr weiches Material“ zu. „Es hat sich gezeigt, dass sich das mechanische Verhalten der Struktur mit diesem Verfahren genauso gut wie mit der klassischen Finite-Elemente-Methode bestimmen lässt“, erklärt Kollmannsberger. „Jedoch erlaubt das neue Verfahren eine automatisierbare und vor allem viel schnellere Berechnung. Damit ist eine strukturmechanische Vorhersage für massive und relativ homogene Bauwerke auch mithilfe von Drohnenbildern in Reichweite.“
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