„Mit dem Sonnenhaus Energie intelligent verschwenden“
Das energieautarke Haus in Lehrte kombiniert Warmwasserkollektoren mit Solarkollektoren und ist aufgrund eines Speichers für elektrische Energie vollkommen unabhängig von externen Energieversorgern. Und die Kosten für das Haus sind, gemessen an vergleichbaren Baukonzepten, mit 363 000 € gering. Einziges Manko des Konzepts: die Verwendung von Bleiakkumulatoren.
„Bewohner eines Sonnenhauses können Energie intelligent verschwenden, ohne die Umwelt und das Portemonnaie dabei zu belasten“, sagt Prof. Timo Leukefeld, Leiter der Projektgruppe „Energieautarkes Haus“ von der Firma Timo Leukefeld aus Freiberg und Mitglied sowie Vorstand des Sonnenhaus-Instituts in Straubing. An der Konzeption des ersten energieautarken und bezahlbaren Hauses Europas, das durch die Firma Helma Eigenheimbau AG zwischen November 2010 und Mai 2011 errichtet wurde und kürzlich im Musterhauspark für nachhaltiges Bauen des Unternehmens in Lehrte/Niedersachsen feierlich eingeweiht wurde, waren außerdem die SunStrom GmbH aus Dresden (Konzept der Solarstromerzeugung inklusive -speicherung) und das Lichtensteiner Unternehmen ACX GmbH (innovatives Mess-, Steuer- und Regelsystem) beteiligt.
Das energieautarke Haus in Lehrte zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl die Wärme- als auch die Stromversorgung auf Sonnenenergie basiert und das Haus keinen Netzanschluss benötigt, die Bewohner also völlig unabhängig von Energieversorgungsunternehmen sind. Es verfügt über 46 m² Sonnenkollektoren, die mit 45 Grad Neigung in die Dachfläche integriert und idealerweise nach Süden ausgerichtet sind.
Die Wärme wird zentral von einem 9,3 m³ großen Langzeit-Warmwasserspeicher aufgenommen. 65 % des jährlichen Wärmebedarfs werden mit Sonnenenergie gedeckt. Für den restlichen Wärmebedarf kommt Holz in Form von Stückholz zum Einsatz. „Über eine eingebaute Wassertasche gibt der Stückholzofen etwa 90 % der Heizenergie an den Pufferspeicher.
Die restliche Abwärme sorgt zusätzlich für angenehme Temperaturen auf den 162 m² Wohnfläche des Hauses“, erläutert Leukefeld.
Zusätzlich zu den Kollektoren ist eine Fotovoltaikanlage in das Dach des Hauses integriert. Auf 58 m² erzeugt sie den für die Eigenversorgung der Hausbewohner benötigten Strom. Der Überschussstrom wird in einem 48-kWh-Speicher, der aus einzelnen Bleiakkus besteht und über eine Lebensdauer von 10 bis 15 Jahren verfügt, gespeichert. Er ist außerhalb des Hauses platziert, was, nach Aussage der SunStrom GmbH, den Vorteil hat, dass eine natürliche Kühlung und Belüftung erfolgt. Für die Wahl von Bleiakkus führt die Firma drei Gründe an. „Bleiakkumulatoren sind technisch erprobt, kostengünstig und außerdem mit 98 % gut recyclebar“, sagt Stephan Riedel von der SunStrom GmbH. Durch die Speicherung kann der Überschussstrom jeder Zeit für die Aufladung von Elektrofahrzeugen genutzt werden.
Für einen intelligenten und effizienten Einsatz der gewonnenen Energie innerhalb des Hauses sorgt das von der Firma ACX entwickelte Mess- Steuer- und Regelsystem ViciOne. Dabei handelt es sich um ein virtualisiertes Gesamtsystem, welches in der Lage ist, alle Geräte eines Haushalts miteinander zu verbinden und zu überwachen. In jedem Raum des Hauses ist ein Multifunktionssensor angebracht, der 10 verschiedene Werte, wie Temperatur, Feuchtigkeit, Helligkeit, Bewegung, Luftqualität und Brandalarm automatisch misst. Die Bedienung der Anlage ist u. a. per Smartphone, Tablet-PC oder Touchscreen möglich.
Die Kosten für das gesamte Haus erscheinen gemessen an dessen Ausstattung mit 363 000 € relativ gering. Zum Vergleich : Die Kosten für das erste energieautarke Haus, das das Fraunhofer ISE (Institut für solare Energiesysteme) 1992 in Freiburg errichtete betrugen noch 1 700 000 € und für das Plusenergiehaus, das 2012 in Berlin entstehen soll, werden Baukosten von 2 500 000 € veranschlagt.
Das Novum des Hauses besteht darin, dass es vollständig unabhängig von Energieversorgern ist und im Unterschied zu vergleichbaren Hauskonzepten, wie dem Passivhaus oder dem Plusenergiehaus, zum Heizen in puncto Sonnenenergie ausschließlich auf Solarthermie und nicht auf Strom setzt. „Konzepte, die Strom zum Heizen verwenden, beispielsweise mit einer Wärmepumpe, benötigen im Schnitt deutlich mehr als 6000 kWh pro Jahr Heiz- und Haushaltsstrom,“ erläutert Prof. Leukefeld.
Die Energieeffizienz des Helma-Hauses lässt sich mithilfe des Begriffs des Primärenergiebedarfs gut veranschaulichen. Um die unterschiedlichen Baukonzepte bewerten zu können, wurde dieser Begriff in die Energieeinsparverordnung (EnEV) aufgenommen. Er umfasst zusätzlich zum eigentlichen Energiebedarf für Raumheizung und Warmwasserbereitung auch die Energiemenge, die durch vorgelagerte Prozessketten bei Gewinnung, Umwandlung und Verteilung des Energieträgers benötigt wird. Der Primärenergiebedarf des energieautarken Hauses von Helma liegt bei nur 1500 kWh/a. Auf den Quadratmeter umgerechnet ergibt dies einen Wert von 9 kWh/a und bleibt damit 88 % unter der EnEV-Neubau-Anforderung. Zum Vergleich: Ein typisches Passivhaus weist einen Primärenergiebedarf von 35 kWh pro m²/a bis 40 kWh pro m²/a auf.
Fazit: Die Kosten des Hauses sind zwar gemessen an dessen diffiziler technologischer Ausstattung gering. Problematisch erscheint jedoch die Verwendung von Bleiakkumulatoren. In Bezug auf die Entsorgung ist die Blei-Säure-Batterie zwar weniger schädlich als Nickel-Cadmium, aber der hohe Bleianteil und der Elektrolyt gelten nach wie vor zu Recht als umweltunfreundlich. „Beim Recycling der Batterie gelangt in vielen Fällen Blei in die Luft und in das Wasser von dicht besiedelten Gebieten“, sagt Richard Fuller vom New Yorker Blacksmith Institute. ANETTE WEINGÄRTNER
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