Nachhaltig bauen mit Beton – ein Blick in die Zukunft
Beton ist der Baustoff des Jahrhunderts, damit es in den nächsten 100 Jahren so bleibt, muss er nachhaltiger werden. Dafür gibt es verschiedene Lösungsansätze. Wir haben uns umgeschaut und zusammengefasst, welche Möglichkeiten es gibt und woran die Wissenschaft gerade forscht.
Beton ist der Jahrhundertbaustoff – ob für den Bau von Straßen oder Brücken, Tunneln oder Hochhäusern – der Betonbau ist aus unserer modernen Bauwelt nicht wegzudenken. Das Material hat nur einen großen Nachteil, es ist nicht besonders umweltfreundlich. Insbesondere der darin enthaltene Zement ist ein echter Klimakiller. Dazu braucht es bei Stahlbeton große Betonüberdeckungen, damit der Stahl nicht korrodiert. Das treibt den Materialverbrauch nach oben. Stahlbeton ist zudem sehr schadensanfällig, was die Lebensdauer verkürzt. Sie sehen, in Sachen Nachhaltigkeit ist bei Beton noch einige Luft nach oben. Doch es tut sich was. Wir wagen einen Blick in die Zukunft und schauen, was es heute bereits gibt.
Grundsätzliches über Beton
Vorläufer des modernen Betons gab es bereits bei den alten Römern. Sie fügten damit Mauern, Brücken oder Theater zusammen. Manche von ihnen, man denke an das Kolosseum oder das Pantheon in Rom, stehen noch heute. Insbesondere das Pantheon mit seinen 43 Metern Kuppelspannweite zeugt von der hohen Baukunst der römischen Baumeister.
Der heute verwendete Beton besteht aus Zement, Gesteinskörnung und gegebenenfalls Betonzusätzen, um die Eigenschaften des flüssigen Zementleims oder des ausgehärteten Zementsteins zu verändern. Schauen wir uns die einzelnen Bestandteile genauer an:
Zement dient hier als Bindemittel, das die Betonbestandteile zusammenhält. Auch wenn die Fertigungsprozesse (seit 1990 wurden die Emissionen um rund 22 Prozent gesenkt) immer besser werden, so wird bei der Herstellung von Zement immer noch jede Menge Kohlendioxid freigesetzt. Bei der Herstellung von einer Tonne Zement sind es in Deutschland rund 600 Kilogramm CO2.. Pro Jahr werden mindestens drei Milliarden Tonnen in die Luft gepumpt, das sind um die sieben Prozent des jährlichen Gesamtausstoßes an Kohlendioxid.
„Den Beton neu denken, das fängt beim Zement an“, Nicolas Schnabel, Pressesprecher beim Baustoffproduzenten Holcim Deutschland
Ausgehärteter Festbeton besitzt eine hohe Druckfestigkeit und eine mäßige Zugfestigkeit. Um diese zu verbessern, wird in der Regel Stahl in den Beton eingebettet. Das führt immer wieder zu Problemen, da Stahl bekanntlich korrodiert, wenn er mit Wasser und Luft in Kontakt kommt. Eine entsprechend dicke Betonüberdeckung soll das verhindern, was jedoch den Materialverbrauch nach oben treibt und somit nicht besonders nachhaltig ist.
Dennoch kommt es immer wieder zu Korrosionsschäden. Insbesondere die Brücken in Deutschland sind hier zu nennen, die für ganz andere Belastungen ausgelegt wurden, so dass es entsprechend schnell zu Rissen und somit Schäden am Betonstahl kommt. Auch Streusalz setzt Stahlbetonbauwerken ziemlich zu. Das alles wirkt sich nicht positiv auf die Nachhaltigkeit von Beton aus. Es braucht daher andere Lösungen, die besser funktionieren.
Was kann für mehr Nachhaltigkeit getan werden?
Ausgehend von dem, was Sie im vorherigen Abschnitt gelesen haben, lassen sich mehrere Maßnahmen ableiten, um die Nachhaltigkeit von Beton zu verbessern:
- Materialeinsparung bei der Betonherstellung
- Klimaneutrale Herstellungsverfahren bei Zement
- Alternativen zu Zement als Bindemittel
- Alternativen zu Stahl als Bewehrung
- Lebensdauer von Betonbauwerken erhöhen
- Verbessertes Betonrecycling
In den folgenden Kapiteln möchten wir die einzelnen Punkte einmal genauer betrachten. Was ist bereits erprobt? Woran wird gerade geforscht?
# 1: Materialeinsparung bei der Betonherstellung
Eine der spannendsten Forschungen im Bereich Materialeinsparung bei Beton findet in Stuttgart statt. Unter Leitung von Professor Werner Sobek erforscht die Universität Stuttgart den sogenannten Gradientenbeton. Dieser arbeitet mit unterschiedlichen Dichten, ähnlich wie der menschliche Knochen. Vereinfacht gesagt, befinden sich über den Betonquerschnitt verteilt mal kleinere, mal größere Hohlräume.
Damit trägt das Material dem Umstand Rechnung, dass Betonbauteile stets sehr inhomogen belastet werden. Teilweise sind manche Bereiche sogar wenig bis gar nicht beansprucht, hier ist Beton eigentlich überflüssig. Prinzipiell lasse sich Gradientenbeton für nahezu alle Betonbauteile verwenden, schreibt der Erfinder Professor Sobek auf seiner Website. Besonders gut geeignet sei er für Flachdecken, Wände und bestimmten Bodenplatten. Je nach Anwendungsfall könne bis zu 40 Prozent und mehr an Gewicht eingespart werden.
Mit vorgespannten Flach- oder Hohldecken gibt es bereits heute eine weitere Möglichkeit für ressourceneffizientes Bauen. Spannbeton-Fertigdecken benötigen bis zu 50 Prozent weniger Beton und bis zu 75 Prozent weniger Stahl als vergleichbare andere Betondeckensysteme. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesverband Spannbeton-Fertigdecken in einer Studie.
Materialeinsparungen sind zudem mit Verdrängungskörpern möglich. Diese Hohlkörper werden beim Betonieren dort eingebaut, wo keine hohen Druckkräfte zu erwarten sind. Insbesondere bei Betondecken lässt sich auf diese Weise bis zu 35 Prozent Beton einsparen. Die leichtere Bauweise ermöglicht zugleich größere Spannweiten.
Weitere Möglichkeiten der Materialeinsparung ergeben sich durch die Verwendung von nichtmetallischen Bewehrungen. Wieso das so ist, dazu gleich mehr.
# 2: Klimaneutrale Herstellungsverfahren bei Zement
Wie bereits geschrieben, ist die Zementherstellung ein Schwachpunkt in Sachen Nachhaltigkeit. Zumindest ist das noch so, auch wenn sich hier bereits einiges getan hat. Noch wird jedoch geschätzt, dass die Beton- und Zementindustrie weltweit für einen Anteil von etwa sechs Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich ist. Ziel der deutschen Zementindustrie ist es, bis 2050 klimaneutral unterwegs zu sein. Dekarbonisierung von Beton und Zement ist hier das Stichwort.
- Das Problem: Derzeit besteht Zement maßgeblich aus Kalkstein. Beim Brennen wird das Rohmaterial auf 1450 Grad Celsius erhitzt, dabei wird jede Menge klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt.
- Die Lösung: Den Zement oder zumindest Teile davon durch andere Bestandteile ersetzen, die bautechnisch ähnlich gut funktionieren, aber bei der Verarbeitung weniger klimaschädlich sind.
An der Lösung wird gerade fleißig geforscht und getestet, und zwar auf Seiten der Industrie sowie in Hochschulen. Zum Beispiel in einem Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Trier, Luxemburg, Lothringen und Lüttich. Die Forschenden ersetzen hierbei den Zement durch mineralische Abfallprodukte wie Kieswäscheschlämme oder Stäube aus der Quarzgewinnung. Hier berichten wir ausführlich darüber.
Ebenfalls eine klimafreundliche Alternative zu herkömmlichem Zement haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der brasilianischen Universität Pará entwickelt. Mit einem bislang ungenutzten Abraumprodukt der Bauxitförderung als Rohstoff lässt sich der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) während der Produktion um bis zu zwei Drittel senken. Gleichzeitig ist der alternative Zement genauso stabil wie der bisherige Portlandzement.
# 3: Alternativen zu Zement als Bindemittel
An einem Beton ohne Zement wird ebenfalls eifrig gebastelt. Auf der Weltleitmesse IFAT 2022 wurde er vorgestellt, next.beton lautet sein Name. Geopolymere ersetzen hierbei den Zement. Die drei Beton-Spezialisten Berding Beton, Finger Baustoffe und die Röser Unternehmensgruppe stellen daraus Kanalsysteme her.
Bei der Herstellung sollen bis zu 70 Prozent weniger CO2-Emissionen zu verzeichnen sein, außerdem soll next.beton resistenter gegen chemische Angriffe sein, da er kein Kalk enthält. Eine bauaufsichtliche Zulassung wird noch für dieses Jahr erwartet. Inwieweit das Material auch für andere Anwendungen geeignet ist, wird sich zeigen.
Eine weitere spannende Entwicklung kommt aus den USA. Chelsea Heveran von der University of Colorado in Boulder und ihre Kollegen haben eine Art „lebenden“ Beton entwickelt. Statt Zement verwenden Sie eine Mischung aus Sand, Gelatine und Bakterien. Diese Bakterien erzeugen unter bestimmten Bedingungen Calciumcarbonat und stoßen einen Mineralisierungsprozess an. Anders als bei der herkömmlichen Beton- und Zementproduktion wird bei der Herstellung kaum Kohlendioxid freigesetzt. Ganz im Gegenteil wird bei der Bildung der Kristalle sogar CO2 gebunden.
#4: Alternativen zu Stahl für die Bewehrung
Wie bereits erläutert, gibt es bei Stahlbewehrungen immer wieder Probleme mit Korrosion, was die Lebensdauer der Bauwerke absenkt oder zumindest einen hohen Sanierungsaufwand bedeutet. Außerdem braucht es viel Beton, um die erforderliche Betonüberdeckung des Stahls zu gewährleisten. Beides trägt nicht zur Nachhaltigkeit des Materials bei, weshalb nach Alternativen zu Stahl als Bewehrung gesucht wird. Mitunter sind die Forschungen bereits so weit fortgeschritten, dass die ersten Bauwerke errichtet werden.
Carbonbeton
Ganz neu ist Carbonbeton nicht mehr, das Material wurde zwischen 1999 und 2011 in Aachen und Dresden unter der Leitung der Professoren Manfred Curbach, Peter Offermann, Chokri Cherif und Josef Hegger gründlich erforscht und für gut befunden. Derzeit wird an einem technischen Regelwerk gearbeitet. Gleichwohl werden und wurden bereits die ersten Gebäude mit Carbonbeton gebaut oder errichtet. Das geschah jeweils mit einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE).
Carbonbeton ist ein Verbundwerkstoff aus Feinbeton (Größtkorn 1,0 bis 4,0 mm) und einer Bewehrung aus textilen Gelegen und Stäben aus Carbonfasern. Carbon hat mehrere Vorteile gegenüber Stahl, es ist korrosionsbeständig, besitzt eine geringere Dichte und hat eine höhere Tragfähigkeit. Dadurch sind Bauteile aus Carbonbeton nicht nur wesentlich langlebiger, es sind zudem deutliche schlankere Bauweisen möglich.
Das hört sich alles super an? Allerdings sind die Ausgangsstoffe wie Carbon und Feinbeton im Vergleich zu konventionellem Stahlbeton teurer. Was sich jedoch zumindest teilweise dadurch ausgleicht, dass weniger Material benötigt wird, dünnere Querschnittsabmessungen möglich und die Transportkosten geringer sind. Von der höheren Nachhaltigkeit ganz abgesehen.
Hier geht es zu einem Beitrag über das weltweit erste Carbonbetongebäude
Lesen Sie hier über eine einzigartige Modellfabrik für Carbonbeton
Glasfaserbeton
Glasfaserbeton gibt es bereits seit den 1980er-Jahren, er ist somit keine ganz neue Erfindung. Hier werden dem Beton Glasfasern beigemischt, um seine Zugkrafttragfähigkeit zu erhöhen. Damit lassen sich zum Beispiel Fensterbänke, Hohlstürze oder Verkleidungen herstellen. Es gibt aber auch Bewehrungsstäbe aus glasfaserverstärktem Kunststoff vom süddeutschen Hersteller Schöck. Die Stäbe mit dem Namen Combar haben die bauaufsichtliche Zulassung und können somit als Alternative zu Bewehrungsstahl verwendet werden.
Schöck Combar hat eine höhere Zugfestigkeit als Betonstahl, ist chemisch beständig und rostet nicht. Da es nichtleitend und magnetisierbar ist, kann es im Bereich von hochsensiblen Mess- und Steuereinrichtungen verwendet werden. In Längsrichtung der Fasern ist das Material hochfest, in Querrichtung lässt es sich jedoch sehr gut schneiden. Darüber hinaus verfügt die Bewehrung aus Glasfasern über eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit, weshalb es sich gut für den Einbau in Dämmschichten eignet.
Basaltbeton
Ähnlich wie bei Carbonbeton eine Carbonbewehrung, ersetzt bei Basaltbeton eine Basaltbewehrung die Bewehrung mit Stahl. Insbesondere bei stahlbewehrten, vorgehängten Sichtbetonfassaden lässt sich mit Basaltbeton verhindern, dass beschädigte Betonteile komplett ersetzt werden müssen. Das haben Forschende der Fakultät für Bauingenieurwesen an der Hochschule München gezeigt. Dabei erfüllt das Material alle Anforderungen an Tragfähigkeit, Haltbarkeit und Ästhetik.
Basalt rostet nicht, besitzt eine hohe Zugfestigkeit und ist relativ leicht. Außerdem ist es in der Natur reichlich vorhanden, weshalb es nicht teuer ist. Die Hochschule München rund um die Professoren Andrea Kustermann, Christoph Dauberschmidt und Christian Schuler sieht mögliche Anwendungen für Basaltbeton neben den Fassaden noch für Bahnschwellen, oder die bereits erwähnten maroden Brücken.
Hier geht es zu einem Beitrag über den Einsatz von Basaltfasern
Textilbeton
Textilbeton ist der Oberbegriff für einen Verbundwerkstoff, bestehend aus Beton und einer textilen, mattenartigen Bewehrung. Die Bewehrungsmatten können zum Beispiel aus Carbon oder Glasfasern gefertigt sein. Das Material zeichnet sich durch seine Leichtigkeit bei gleichzeitig hoher Tragfähigkeit aus. Darüber hinaus lässt sich – anders als bei Stahlbeton – nahezu jede Form realisieren.
Mit Textilbeton lassen sich bestehende Betonteile verstärken, das Material eignet sich aber auch gut für neue Bauteile. Ein Anwendungsfall sind zum Beispiel sehr leichte Brücken. Die weltweit erste Brücke dieser Art entstand 2005 für die Landesgartenschau in Oschatz. Von Vorteil ist zudem, dass sich das Material am Ende der Nutzungszeit vollständig recyclen lässt.
# 5: Lebensdauer von Bauwerken erhöhen
Dazu brauchen wir an dieser Stelle gar nicht mehr viel schreiben, das haben wir bereits ausführlich in den vorigen Abschnitten beschrieben. Durch den Einsatz von nichtmetallischer Bewehrung lässt sich die Lebensdauer von Betonbauwerken deutlich erhöhen. Da sie nicht rosten und auch nicht von Salzen angegriffen werden, kommt es beim Einsatz von Carbon oder Glasfasern für die Bewehrung seltener zu Schäden. Zudem lässt sich mit Textilbeton die Lebensdauer von bestehenden Stahlbetonteilen erhöhen.
# 6: Recycling von Beton
Zur Nachhaltigkeit von Beton gehört auch das Leben danach – was geschieht mit den einzelnen Bestandteilen nach Ende der Nutzungszeit. Ziel sollte ein vollständiges Recyceln sein, wie es bei Textilbeton bereits möglich ist. Aber auch bereits bei der Herstellung von Frischbeton fallen bereits Abfallprodukte an, die recycelt werden können.
Frischbeton- und Restwasserrecycling ist nach Einschätzung des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) bereits in nahezu allen deutschen Betonwerken gängige Praxis. So lassen sich zum Beispiel nicht erhärtete Beton- und Mörtelreste auswaschen und sowohl die Gesteinskörnung als auch das anfallende Restwasser erneut als Betonausgangsstoffe wiederverwenden.
Beim Festbetonrecycling wird der Beton zunächst zerkleinert und in einzelne Kornfraktionen getrennt. Grobe Anteile des zerkleinerten Altbetons können zum Beispiel als Gesteinskörnung bei der Herstellung von frischem Beton verwendet werden. Die feineren Anteile ließen sich als Ersatz für Natursand im Beton verwenden. Gemahlener Brechsand könnte als alternativer Rohstoff in der Zementherstellung verwendet werden, wie Untersuchungen ergeben haben.
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