Nasse Wände machen mutlos
Das Elbehochwasser war gerade abgeflossen, da tummelten sich schon die Geschäftemacher vor Ort. Mit teils dubiosen Trocknungsverfahren wollen zahlreiche Firmen abkassieren.
Nach dem Elbehochwasser begann der Kampf gegen den Schlamm. Nicht immer erfolgreich, wie manch betonharte Kruste zeigt. Vielerorts steht sogar noch das Wasser in den Kellern und darf nicht abgepumpt werden. „Wir haben hier viele Schäden, weil die Leute zu schnell ausgepumpt haben“, sagt Prof. Manfred Curbach von der Fakultät für Bauingenieurwesen der TU Dresden. Schuld ist der gestiegene Grundwasserspiegel. Sinkt der Pegel im Keller, während von außen Wasser auf die Kellerwände drückt, können diese im Extremfall eingedrückt werden. „Da kam teilweise der Kellerfußboden hoch und es taten sich Risse auf, durch die Sand nach innen gespült wurde“, sagt Curbach. Optimal sei es, wenn die Keller ausgepumpt werden, während gleichzeitig der Grundwasserspiegel sinkt.
Danach beginnt der Kampf gegen die Feuchtigkeit in den Wänden. Die ist nicht nur unangenehm, sondern auch ein idealer Nährboden für gesundheitsgefährdende Schimmelpilze. Das gilt ebenso für Mittel zur Pilzabtötung, sogenannte Fungizide. Das Umweltbundesamt (UBA) warnt deshalb vor ihrem Einsatz in Innenräumen und gibt auf seiner Webseite Tipps zur Bekämpfung von Schimmelpilzen.
Der Kampf gegen nasse Wände ist langwierig. Fachleute raten, zunächst Möbel und Tapeten aus feuchten Räumen zu entfernen. Danach ist Geduld gefragt, denn Wände trocknen nur langsam, wie Hans-Axel Kabrede vom Deutschen Holz- und Bautenschutzverband weiß: „Bei einer 36 cm dicken Ziegelwand dauert das etwa ein Jahr.“ Je dicker die Wände, desto schwieriger werde die Entfeuchtung.
Kabrede warnt vor Scharlatanen, die versprechen, Wände mit Hilfe von Erdstrahlen zu trocknen: „Zahlreiche Firmen wie Aquapol und Hydropol sind damit massiv am Markt. Doch diese Verfahren bewirken überhaupt nichts“, sagte er. Bis zu 5000 d kosten die von Fachleuten spöttisch als „Zauberkästchen“ titulierten Behälter. Sie sollen die Wände „mit den Kräften der Natur“ trocknen, geworben wird in Fachmagazinen, Zeitungen und im Internet. Um das Funktionsprinzip zu erläutern, verwenden die Anbieter Begriffe wie „drahtlose Elektroosmose“, „geoenergetisches Kraftfeld“, „gravomagnetische Bodenenergie“ oder „kosmische Urenergie“. „Die Erklärungen in den Begleitheften sind abenteuerlicher Unsinn“, sagt Prof. Helmuth Venzmer von der Hochschule Wismar. „Diese Geräte entsprechen nicht dem Stand der Technik.“ Außerdem seien sie bisher keinem Effizienztest unterzogen worden.
Das sieht Udo Wolfrum von Aquapol Sachsen/Brandenburg selbstverständlich anders: „Wir haben sehr zufriedene Kunden.“ Sein System nutze die gravomagnetische Komponente des Erdfeldes. Diese werde von einer Antenne aufgenommen und anschließend in rechtsdrehende Wellen umgewandelt. Dabei würden die Wassermoleküle umgepolt, so dass sie „zurück ins Erdreich wandern“. „Blanker Unsinn“, konstatiert Venzmer. Das Problem sei, dass das Sanierungsgewerbe überhaupt nicht geschützt ist: „Es gibt viele Bausanierer ohne jede Berufsausbildung.“ Am Markt tummelten sich zahlreiche Firmen, die es nur auf die Fördermittel für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe abgesehen hätten.
Zumindest bei öffentlichen Auftraggebern in Sachsen dürften sie damit nicht mehr landen: Nachdem dort einige „Zauberkästchen“ mit Steuergeldern angeschafft wurden, reagierte das Sächsische Staatsministerium der Finanzen: Es wies die Behörden an, bei künftigen Bauwerkstrockenlegungen ausschließlich anerkannte Verfahren einzusetzen. „Bei den Geräten war keine Wirkung erkennbar“, sagt Burkhard Beyer, Pressesprecher des Staatsministeriums, „deshalb haben wir sie aus dem Verkehr gezogen.“ Doch der Erlass ist für Privatleute nicht bindend.
Aquapol-Vertreter Wolfrum will den Hochwassergeschädigten „bei Bedarf 20 % Preisnachlass geben“. Normalerweise sei für die Trocknung von 100 m2 mit Kosten in Höhe von 3500 d bis 5000 d zu rechnen. Darin seien Nachmessungen durch „geschulte Techniker“ enthalten. „Unserer Erfahrung nach sind Wände mit Aquapol nach einem halben bis einem Jahr bereits trocken“, sagte Wolfrum. „So lange dauert es auch, wenn man gar nichts tut“, amüsiert sich Bauphysiker Venzmer.
Beschleunigen lässt sich die Trocknung mit speziellen Geräten, etwa Kondensattrocknern, die warme Luft in die abgedichteten Räume blasen und das Kondensat auffangen. Dabei wird die Luft durch einen Filter gesaugt, der die Feuchtigkeit aus der warmen Luft absondert und in einen Auffangbehälter führt. Außerdem gibt es noch unterschiedliche Entfeuchtungsgeräte, die beispielsweise mit Feuchtigkeit aufsaugenden Salzen arbeiten.
Doch die Geräte kosten um die 50 d pro Tag und müssen mehrere Wochen lang eingesetzt werden. Oft werden sie in den Hochwassergebieten überteuert vermietet. Schnelle Erfolge stellen sich damit ohnehin nur bei den ersten 5 cm der Wand ein. „Dahinter bewirke ich damit nicht mehr viel“, sagt Kabrede. Und es gibt weitere Einschränkungen: „Es nützt ja nichts, wenn die Wand trocken, das Erdreich dahinter aber nass ist. Dann wird die Feuchtigkeit wieder in die Wand gezogen“, erläutert der Sanierungsfachmann. Gefahr drohe auch von den Schadstoffen, die die Elbe in die Keller gespült hat. „Die können sich in Salze umwandeln und an der Wandoberfläche hygroskopisch Feuchtigkeit aufnehmen, so dass die Wand nie trocken wird.“
Bauphysiker Venzmer warnt vor der falsch eingesetzten Mikrowellentrocknung, die seit der Oderkatastrophe angeboten wird. Sie berge die Gefahr, dass das Mauerwerk zu heiß wird. Bei Temperaturen über 105 oC entschwinde das Kristallwasser, das die Festigkeit der Baustoffe garantiert. „Dann werden die Mauern mürbe“, so Venzmer. Am vernünftigsten sei es deshalb, den natürlichen Trocknungsprozess zu unterstützen.
Das sieht Klaus Sedlbauer vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen genauso. Er rät zu einer Kombination aus Heizen und Lüften. Da warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt als kalte, sei dies die einfachste und effektivste Möglichkeit, feuchte Wände zu trocknen. „Die Betroffenen sollten alle verfügbaren Heizgeräte, wie etwa elektrische Heizlüfter, im Keller aufstellen und – soweit vorhanden – auch die Heizungsanlage aufdrehen. Wenn es draußen 30 oC warm ist, dann muss ich den Keller auf 40 oC heizen“, sagte Sedlbauer. Ansonsten kondensiere zugeführte Frischluft an den kühlen Kellerwänden und die Räume würden noch nasser.
Natürlich muss die mit Feuchtigkeit vollgesogene Luft abgeführt werden. Mit dem Öffnen der Fenster sei es nicht getan, da dadurch nur ein Teil der Raumes belüftet wird. Damit die Frischluft auch in die Ecken kommt, sollte sie mit Ventilatoren verteilt werden. Den Erfolg der Maßnahmen kann man mit einem einfachen Hygrometer überprüfen, das es schon ab 10 d gibt.
GÜVEN PURTUL
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