Neue Technik macht Risse im Tragwerk durch Licht sichtbar
Mit einer neuen Technik können Stahlbauwerke wie Brücken künftig schneller und einfacher auf Risse untersucht werden. Dabei setzen Materialforscher auf Schwarzlicht, mit dem Risse mit großer Sicherheit schon früh erkannt werden.
Wer auf der A1 unterwegs ist und die Rheinbrücke bei Leverkusen passieren muss, sollte Nerven wie Stahlseile haben. Allerdings bessere Stahlseile, als die Trägerkonstruktion dieser Rheinquerung. Denn die Stahlseile sind von Rissen durchzogen, die Sicherung der maroden Brücke führt derzeit beinahe täglich zu überlangen Staus. Am Beispiel der Leverkusener Rheinbrücke bekommt man eine Ahnung davon, wie wichtig es ist, die Rissbildung im Stahl unter Kontrolle zu haben.
„Während ein Riss am Anfang ganz klein ist und nur wenig wächst, zum Beispiel einen Millimeter im Jahr, können es zum Lebensdauerende hin mehr als ein Millimeter pro Monat sein“, sagt der Materialwissenschaftler Dr. Ing. Milad Mehdianpour aus der Abteilung Bauwerksicherheit von der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung in Berlin (BAM). Ein großes Problem ist der große Abstand der Hauptprüfung für zum Beispiel eine Brücke, die dieser Prozedur nur alle sechs Jahre unterzogen wird. „Wird dabei ein Riss übersehen, hat der Riss sechs Jahre Zeit, weiter zu wachsen“, gibt Mehdianpour zu bedenken. Er hat ein Verfahren entwickelt, wie diese Risse ziemlich sicher entdeckt werden können.
Risslumineszenz nennt sich das neue Verfahren
Der Materialwissenschaftler setzt auf Risslumineszenz: Dabei werden mögliche Schwachstellen, an denen Risse entstehen können, beispielsweise Schweißnähte, mit einer dünnen fluoreszierenden Beschichtung eingestrichen und mit einer dünnen Abdeckschicht versehen. Solange diese Abdeckung in Ordnung ist, ist auch keine Fluoreszenz zu sehen. Reißt allerdings der Untergrund, so werden die beiden Beschichtungen ebenfalls aufgerissen. Und dann gibt sich der Riss unter Schwarzlichtbestrahlung zu erkennen.
Die Risslumineszenz ist ein einfaches und kostengünstiges Verfahren. Milad Mehdianpour hat auf handelsübliche Materialien gesetzt, was den Preis drückt. Der Kleber wird seit Jahren zum Anbringen von Dehnungsmessstreifen verwendet. Das Pulver des Klebers erinnert ein wenig an Mehl. In dieses Pulver mischt der Materialforscher ein wenig Fluoreszenzpulver hinein, das auch für den Druck von Geldscheinen eingesetzt wird. Hinzu kommt noch eine Härterflüssigkeit.
Erste Experimente mit Stahl erfolgreich
Diese Lösung trägt Mehdianpour einfach mit Rolle oder Pinsel auf die zu überwachenden Stellen wie Schweißnähte auf. Mit einem dicken schwarzen Filzstift deckt er dann die Stelle ab. Der Wissenschaftler betont aber, dass das Verfahren so nicht in Stein gemeißelt ist. Es ist auch eine Deckschicht mit Graphit denkbar, ein Projektpartner des BAM experimentiert bereits damit. Auch ein Klebeband, das die Leuchtschicht und die Abdeckschicht vereint, ist denkbar: „Die Klebschicht hat keinen Einfluss auf den zu untersuchenden Körper, betont der Wissenschaftler und weiß: „Wichtig ist der Haftverbund zwischen den beiden Schichten und dem Untergrund und dass die Schichten möglichst dünn sind.“
Denn nur dann lassen sich mit diesem einfachen Verfahren schon frühzeitig kleine Risse erkennen, weil ja die Abdeckschicht reißen muss um die Leuchtschicht freizulegen. Der Materialforscher hat seine Risslumineszenz an Stahl als Material entwickelt, ist aber auch auf andere Metalle übertragbar. Das Verfahren muss sich aber noch in der Praxis bewähren.
120 000 Straßenbrücken in Deutschland
Das Ministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen schätzt, dass in Deutschland rund 120 000 Straßenbrücken stehen. Anders gesehen kommt auf 5,4 Kilometer oder auf 690 Einwohner Deutschlands eine Brücke. Und viele dieser Brücken sind alt, manche sind sogar uralt. Beispiel Eisenbahn: Von den über 8000 Stahlbrücken im Schienennetz der Deutschen Bahn ist die Hälfte heute über 80 Jahre, 40 Prozent sind gar über 100 Jahre alt.
Ein prominentes Beispiel ist die Müngstener Brücke in der Nähe von Solingen. Sie schwebt in 107 Metern als stählerne Bogenbrücke und Teil der Bahnstrecke Wuppertal-Oberbarmen-Solingen über dem Tal der Wupper. Vor 120 Jahren begannen die Vorarbeiten am Bauplatz, vier Jahre später, 1897, war der Stahlkoloss fertig. 5.000 Tonnen Stahlprofile wurden verbaut und 950.000 Nieten geschlagen. Genug Ansatzpunkte für Rost und Risse. Und so war es auch kein Wunder, dass diese uralte Stahlkonstruktion im November 2010 vom Eisenbahnbundesamt vollständig gesperrt wurde. Inzwischen ist klar: Die Deutsche Bahn saniert das historische Bauwerk bis zum Jahre 2015 oder 2016 und trägt die Kosten von rund 30 Millionen Euro.
Und es gibt viele solcher Altlasten im Stahl-Brückenbau: Nimmt man das Straßennetz hinzu, ist davon auszugehen, dass allein rund 6000 Stahlbrücken in Deutschland älter als 80 Jahre sind. Das betagte Brückennetz auf Deutschlands Straßen ist heute überwiegend aus Stahlbeton. 53 Prozent der rund 35 300 Brücken im Netz der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen sind aus dem Verbund von Stahl und Beton erbaut.
53,8 Prozent der Brücken im Fernstraßennetz sind aus Stahlbeton gefertigt. Dicht gefolgt vom Spannbeton, aus dem 37,8 Prozent aller Hochquerungen bestehen. Weit abgeschlagen rangieren dann auf Platz 3 der reine Stahl mit 6,1 Prozent und danach als Schlusslicht mit 2,3 Prozent der Stahlverbund.
Die möglichst frühe Erkennung von Rissen im Tragwerk ist von entscheidender Bedeutung, um die Bauwerke lange und vor allem sicher betreiben zu können. Vollsperrungen für die Bahn wie auf der Müngstener Brücke kosten eine Menge Geld. Und die Sperrung für Lkw ab 3,5 Tonnen ab November 2012 auf der Rheinbrücke bei Leverkusen ist für die großen Industriebetriebe in Köln und Leverkusen und ihre Zulieferer eine enorme Belastung. Dort sitzen Unternehmen wie Bayer und Lanxess, der Autohersteller Ford und große Speditionen, für die eine rasche Querung des Rheins von enormer Bedeutung ist.
Abriss der Leverkusener Autobahnbrücke nach 50 Jahren
Der Leverkusener Autobahnbrücke hilft das interessante Prüfkonzept nicht mehr. Sie wird in wenigen Jahren abgerissen und durch eine neue Rheinquerung ersetzt. Wie viel dieser Brücken-Neubau den Steuerzahler kostet, ist derzeit noch nicht wirklich abzuschätzen. Das Projekt ist mit sehr vielen Fragen behaftet. So steht das derzeitige Brückenfundament auf Leverkusener Seite des Rheins mitten in einer Deponie für giftige chemische Stoffe. Dieses wenig standfeste Fundament und das extrem gestiegene Verkehrsaufkommen dürften mitverantwortlich dafür sein, dass das Bauwerk aus dem Jahre 1965 nach nur 50 Jahren abgerissen werden muss.
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