Neue Wärmedämmung soll doppelt so gut isolieren
Ein Unternehmen aus der Schweiz arbeitet an Dämmstoffen aus Aerogelen, die doppelt so gut isolieren als herkömmliche Materialien. Insbesondere der Spritzputz klingt interessant. Wir blicken außerdem auf weitere Entwicklungen ins Sachen Aerogelen aus Deutschland.
Das ETH-Zürich Spin-off Aeroskin Tech hat eine Wärmedämmung entwickelt, die dank Aerogel-Technologie eine doppelt so gute Isolationsleistung wie herkömmliche Materialien bietet. Die Lösung spart Energie und Platz, da sie bei geringer Materialdicke maximale Effizienz erreicht. Spannend klingt insbesondere der neu entwickelte Spritzputz, der maschinell in einem Arbeitsschritt aufgetragen werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Was macht Aerogel so besonders?
Die steigenden Energiepreise und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit stellen die Bauindustrie vor neue Herausforderungen. Eine der vielversprechendsten Antworten darauf kommt aus der Schweiz: Aeroskin Tech, ein Spin-off der ETH Zürich, hat eine neue Generation von Wärmedämmungen entwickelt. Der Clou: Diese innovativen Materialien basieren auf Aerogelen, einem Werkstoff, der ursprünglich in der Luft- und Raumfahrt genutzt wurde. „Aerogele sind die besten Wärmedämmstoffe, die wir kennen“, erklärt Daniel Sanz Pont, Gründer von Aeroskin Tech.
Aerogele zeichnen sich durch eine nanoporöse Struktur aus, die den sogenannten Knudsen-Effekt ausnutzt. Hierbei stoßen die Luftmoleküle innerhalb des Materials häufiger an die Porenwände, wodurch der Wärmefluss drastisch reduziert wird. Das Ergebnis: Eine bisher unerreichte Wärmedämmleistung bei gleichzeitig minimaler Materialdicke.
Effizient und platzsparend
Die neu entwickelte Dämmung von Aeroskin Tech benötigt oft nur zehn Zentimeter Materialdicke, um dieselbe Isolationsleistung wie herkömmliche Produkte mit bis zu 30 Zentimetern zu erzielen. Das bietet klare Vorteile, vor allem bei Renovierungen oder in dicht bebauten Gebieten, wo Platz eine entscheidende Rolle spielt. „Unsere Produkte sind flexibel und können je nach Bedarf als Spritzputz oder vorgefertigte Dämmelemente eingesetzt werden“, sagt Sanz Pont.
Besonders der maschinell auftragbare Spritzputz sticht hervor. Durch automatisierte Verfahren können die Arbeitskosten signifikant reduziert werden. Dieser Ansatz unterscheidet sich von herkömmlichen Dämmsystemen, bei denen mehrere Arbeitsschritte notwendig sind, wie das Anbringen von Isolierplatten und darauffolgendem Putz.
Technologische Details
Die Leistungsfähigkeit des Aerogel-Dämmstoffs liegt in seiner extrem niedrigen Wärmeleitfähigkeit von nur 0,013 Watt pro Meter und Kelvin (W/m*K). Zum Vergleich: Mineralwolle, ein üblicher Dämmstoff, erreicht bestenfalls 0,032 W/m*K. Trotz dieser beeindruckenden Werte stellt die Verarbeitung von Aerogel-Materialien eine Herausforderung dar. Ein Schlüsselaspekt ist das richtige Verhältnis von Aerogel-Partikeln zu Bindemittel, da ein zu geringer Bindemittelanteil die Stabilität des Putzes beeinträchtigen kann.
Frühere Versuche mit Aerogel-Dämmputzen scheiterten an Rissbildung und chemischen Schrumpfungen. Doch Aeroskin Tech hat diese Probleme durch den Einsatz neuer, hochwertiger Bindemittel lösen können. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Technologie weiter zu optimieren und bald marktreif zu machen“, erklärt Sanz Pont. Langfristig sollen die Mehrkosten des Materials durch Einsparungen bei den Arbeitskosten kompensiert werden.
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Fokus
Neben der technischen Exzellenz bietet die neue Dämmung auch Vorteile in puncto Nachhaltigkeit. Eine bessere Isolierung reduziert den Energieverbrauch von Gebäuden erheblich. Das ist nicht nur gut für den Geldbeutel der Hausbesitzer, sondern auch für die Umwelt. „Unser Ziel ist es, die Bauindustrie nachhaltiger zu machen und gleichzeitig die Leistung zu steigern“, betont Sanz Pont.
Der Schweizer Standort bietet zudem ideale Bedingungen für die Markteinführung. In der Schweiz sind die gesetzlichen Anforderungen an die Wärmedämmung besonders hoch. Das bedeutet, dass hier potenziell mehr Material pro Quadratmeter verkauft werden kann als in anderen europäischen Ländern.
Vom Forschungslabor zur Marktreife
Die Entwicklung des Aerogel-Dämmstoffs ist das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit an der ETH Zürich. Sanz Pont, der an der Polytechnischen Universität von Madrid und an der ETH promovierte, verbindet wissenschaftliche Expertise mit unternehmerischem Weitblick. „Unternehmertum liegt in meiner Familie. Es war für mich der nächste logische Schritt, meine Forschung auf den Markt zu bringen“, sagt der Spanier.
Derzeit arbeitet Aeroskin Tech an der Errichtung einer Pilotanlage, um die industrielle Produktion der neuen Dämmstoffe zu starten. Ziel ist es, die ersten Produkte innerhalb der nächsten zwei Jahre auf den Markt zu bringen.
Auch andere Unternehmen entwickeln Aerogele
Aeroskin Tech ist nicht allein auf dem Gebiet der Superdämmstoffe aus Aerogelen tätig. Ein Beispiel ist das Osnabrücker Unternehmen aerogel-it, dessen Dämmstoff vollständig biologischen Ursprungs ist. Im Labor wurde für diesen Dämmstoff eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,017 W/(m*K) gemessen. Zum Vergleich: Übliche Dämmstoffe weisen Lambda-Werte zwischen 0,025 und 0,04 W/(m*K) auf. Mineralwolle und Kunststoffschäume wie EPS und XPS liegen typischerweise im Bereich von 0,030 bis 0,040 W/(m*K), während Naturdämmstoffe meist über 0,040 W/(m*K) liegen.
Der Lambda-Wert spielt eine wichtige Rolle bei der Berechnung des Wärmedurchgangswiderstands (R), aus dem sich wiederum der U-Wert ableitet – eine zentrale Kennzahl für den Wärmeverlust eines Gebäudes. Die Formel für den Wärmedurchgangswiderstand lautet: R = d/λ. Der Kehrwert von R ergibt den U-Wert. Daraus folgt: Je größer die Dicke (d) des Bauteils und je kleiner der Lambda-Wert, desto höher ist der Wärmedurchgangswiderstand und desto geringer der U-Wert.
Kostengünstige Herstellung von Aerogelen
Auch wenn die Dämmwerte von Aerogelen überragend gut sind, werden sie bislang in der Praxis nur selten verwendet, weil sie einfach zu teuer sind. Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT hat sich dieser Herausforderung angenommen und ein neuartiges und massenmarkttaugliches Produktionsverfahren entwickelt. Für diese Entwicklung bekamen die Forschenden Ende September 2024 den Innovationspreis NRW.
Innerhalb von sechs Jahren entwickelten die UMSICHT-Forschenden ein innovatives Verfahren zur Produktion von Aerogelen, das mehrere Prozessschritte mithilfe von überkritischem CO2 kombiniert und dadurch die Produktionskosten deutlich reduziert: Die Herstellungskosten sanken um 70 %, und die Produktionszeit wurde von über zehn auf lediglich vier Stunden verkürzt.
Zudem ist das Verfahren vollständig frei von umweltgefährdenden Chemikalien und somit besonders nachhaltig. Das Team hat das Verfahren bereits erfolgreich auf Technikumsmaßstab skaliert, und die Vorbereitung für die Überführung in den industriellen Maßstab ist im Gange.
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