Neues Sonnenschutzsystem ist stufenlos verstellbar
Wissenschaftler der TU Darmstadt haben die Gelenke von Blütenblättern zum Vorbild genommen, um ein Sonnenschutzsystem aus Stoff zu entwickeln, das die Vorteile von Jalousien und Rollos vereinen soll.
Sonnenschutz hat für Gesundheit und Komfort eine große Bedeutung. Das gilt durchaus im privaten Umfeld, aber vor allem für die Nutzung in gewerblichen Gebäuden. Denn Sonnenschutz trägt nicht nur dazu bei, an heißen Tagen die Raumtemperatur zu regulieren – laut Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, für eine angemessene Raumtemperatur zu sorgen. Ansonsten gibt es hitzefrei im Büro. Gleichzeitig ist Sonnenschutz natürlich wesentlich für eine geeignete Ausleuchtung der Büros auf der einen Seite und Blendschutz auf der anderen Seite. Die TU Darmstadt hat nun ein neues System entwickelt, das den Anforderungen besser gerecht werden soll.
Jalousien und Rollos erzeugen keine optimale Beleuchtung
Sonnenschutzsysteme in Gebäuden müssen verschiedenen Ansprüchen gerecht werden. An erster Stelle steht das Tageslicht. Seine Wirkung auf die Gesundheit ist bekannt. Beispielsweise fördert es die Produktion von Vitamin D, das der Körper unter anderem benötigt, um Kalzium in die Knochen transportieren zu können. Außerdem regt Sonnenlicht die Ausschüttung des Hormons Serotonin an – ein unausgeglichener Serotonin-Haushalt wird mit Depressionen in Verbindung gebracht. Deswegen zählt Tageslichteinfall zu den Voraussetzungen für einen ergonomisch gestalteten Arbeitsplatz. Außerdem muss ein Büro ausreichend ausgeleuchtet sein. Gleichzeitig können Sonnenstrahlen blenden, falls sie direkt in die Augen scheinen oder so auf den Bildschirm fallen, dass die Schrift schlecht erkennbar ist. Sonnenschutz ist in gewerblichen Räumen also unverzichtbar.
Üblich sind für gewerblich genutzte Gebäude zwei Varianten:
- Jalousien: Lamellensysteme lassen sich zwar in einem gewissen Rahmen individuell einstellen, leuchten den Raum in der Regel jedoch nicht so aus, dass es den Anforderungen genügt. Wenn sie im Außenbereich installiert werden, sind sie zudem sehr wartungsanfällig.
- Rollos: Sonnenschutzsysteme auf Textilbasis bringen das Problem mit sich, dass sie im Wesentlichen nur über zwei Einstellungsmöglichkeiten verfügen: runter oder hoch. Der Lichteinfall lässt sich daher nicht optimal steuern.
Löcher in Stoffbahnen verändern ihre Form durch Zugkraft
Das neue Sonnenschutzsystem der TU Darmstadt funktioniert hingegen nach einem ganz neuen Prinzip. Ausgangspunkt waren Orchideenblüten. Marvin Kehl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Konstruktives Gestalten und Baukonstruktion am Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der TU, bemerkte die leichtgängigen und rückfedernden Gelenke der Blütenblätter. Schnell entstand die Idee, dieses Prinzip auf Stoff zu übertragen.
Herausgekommen ist eine Stofffläche, die im Lasercutting-Verfahren so zugeschnitten und perforiert wird, dass ein Muster aus kleinen, zueinander versetzten Kurven entsteht. In ihrer Form erinnern sie an Zungen. Diese Stoffzungen wölben sich dreidimensional zu einer Seite hin auf, wenn an der Stoffbahn gezogen wird. Auf diese Weise bilden sich Öffnungen, die umso größer sind, je stärker der Zug ist. Im Ergebnis lässt das neue Sonnenschutzrollo selbst im geschlossenen Zustand genug Licht ins Zimmer, verhindert aber, dass die Arbeitnehmer geblendet werden.
Verschiedene Schnittmuster verändern die Merkmale des Sonnenschutzsystems
Die beteiligten Wissenschaftler sehen zudem die Flexibilität des Systems als einen großen Vorteil an. Da die Größe der Löcher allein durch die Zugkraft bestimmt wird, kann der Nutzer das Rollo stufenlos verstellen und den Lichteinfall regulieren. Außerdem lassen sich nach diesem Konzept verschiedene Modelle herstellen, die besondere Funktionen bieten. Das erreichen die Forscher durch unterschiedliche Schnittmuster. Zum Beispiel ist es möglich, die Perforierung im oberen Teil des Rollos um 180 Grad zu drehen. Dadurch entstehen, vereinfacht gesagt, kleine Stoffkelche, sobald der Nutzer am Rollo zieht. Sie leiten das Tageslicht gezielt in den Raum, sodass auch dunklere Räume mit natürlichem Licht versorgt werden. Gleichzeitig bleibt der Blendschutz in Fensternähe bestehen.
Ein weiteres Argument für das neue Sonnenschutzsystem könnte sein einfaches Prinzip sein. Es werden wenig Bauteile benötigt, weswegen nur ein geringer mechanischer Verschleiß zu erwarten ist. Die TU hat ihren Sonnenschutz zum internationalen Patent angemeldet. Nun sucht sie nach Industriepartnern für die Umsetzung.
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