Riesenprojekt Neom 11.03.2025, 13:38 Uhr

„The Line“ Saudi Arabien: Neues vom Märchen aus 1001 Nacht

Wird „The Line“ wirklich einmal 170 km lang wie ursprünglich geplant? Es darf gezweifelt werden. Aktuell laufen scheinbar die Kosten aus dem Ruder, da kommen sogar die Scheichs ins Schwitzen.

Neom The Line

170 Kilometer lang, 200 Meter breit und 500 Meter hoch soll The Line werden, nach außen komplett verspiegelt.

Foto: Neom

Mitten in der Wüste von Saudi-Arabien entsteht die Megacity „The Line“. Sie soll 170 Kilometer lang werden, aber nur wenige hundert Meter breit sein. In dem riesigen langen Schlauch sollen nach der Fertigstellung bis zu neun Millionen Menschen leben. Straßen und Autos gibt es keine, die CO2-Emissionen sollen bei null liegen.

Doch wird es wirklich etwas mit dem Märchen aus 1001 Nacht. Immer wieder kommen Zweifel auf. Im April 2o24 berichtete Bloomberg, dass bis 2030 nur 2,5 Kilometer der Stadt gebaut und die Einwohnerzahl auf 300.000 reduziert werden soll. Im März 2025 berichtet das Wall Street Journal, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Die Gesamtkosten könnten sich auf 8,8 Billionen Dollar belaufen. Neben „The Line“ sind da aber noch die anderen Neom-Teilprojekte wie Sindalah und Trojena mit enthalten.

Das gigantische Bauprojekt wurde bereits 2017 vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman angekündigt. 2023 wurde mit dem Bau begonnen werden, der von vielen als ein weiteres Märchen aus 1001 Nacht belächelt wurde. Möglicherweise haben die Kritiker Recht, denn ob es nach 2030 wirklich weitergeht, bleibt abzuwarten. Vorerst scheinen auch die Scheichs an ihre Grenzen zu stoßen, was die Finanzierbarkeit eines solchen Mammutprojekts angeht. Hinzu kommt: Neben den Arbeitsbedingungen wird auch der städtebauliche Sinn der Anlage in Frage gestellt.

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Update März 2025: Steigen die Kosten auf 8,8 Billionen Dollar?

Mit Neom will sich Saudi-Arabíen in das nächste Jahrtausend katapultieren. Doch inzwischen mehren sich Zweifel an der Machbarkeit des Vorhabens. Massive Verzögerungen, explodierende Kosten und unrealistische Planungen stellen das Megaprojekt vor große Herausforderungen.

Die Bauarbeiten an „The Line“ laufen nur schleppend. Ursprünglich sollten bis 2034 rund 16 Kilometer der Stadt fertiggestellt sein. Doch aktuellen Berichten zufolge wird es voraussichtlich nur ein 800 Meter langes Segment geben. Auch weitere Neom-Teilprojekte, wie die Luxusinsel Sindalah oder das Wintersportgebiet Trojena, kämpfen mit erheblichen Problemen. Immerhin wurde Sindalah im Oktober 2024 eröffnet – allerdings mit einer Verzögerung von drei Jahren und zu dreifachen Kosten.

„Vision 2030“ läuft aus dem Ruder

Der Kronprinz Mohammed bin Salman präsentierte das Projekt als Herzstück seiner „Vision 2030“ – einer Strategie zur wirtschaftlichen Diversifizierung Saudi-Arabiens, weg vom Öl. Besonders „The Line“ sollte die Welt beeindrucken. Doch die Realität sieht anders aus.

Ein interner Prüfbericht, über den das Wall Street Journal am 9. März berichtete, zeigt die dramatischen finanziellen Dimensionen des Vorhabens: Die Gesamtkosten könnten sich auf 8,8 Billionen Dollar belaufen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das 25-Fache des jährlichen saudischen Staatsbudgets. Bereits für die erste Bauphase bis 2035 sind 370 Milliarden Dollar vorgesehen. Doch selbst diese gewaltige Summe reicht offenbar nicht aus, um die ambitionierten Pläne umzusetzen.

Unterschätzte Herausforderungen

Ein zentrales Problem ist der Standort. Die extrem abgelegene Wüstenregion macht den Bau zu einer logistischen Herausforderung. Es fehlen Straßen, Arbeitskräfte und eine stabile Energieversorgung. Zudem stellt sich heraus, dass viele der geplanten futuristischen Konzepte technisch kaum umsetzbar sind. Kritiker werfen den Projektverantwortlichen vor, die Schwierigkeiten bewusst unterschätzt zu haben, um das Vorhaben nicht zu gefährden.

Ein interner Bericht geht sogar noch weiter: Laut den Unterlagen gibt es „Beweise für vorsätzliche Manipulation“ finanzieller Kennzahlen durch das Management. Das Ziel sei offenbar gewesen, den Kronprinzen mit geschönten Zahlen bei Laune zu halten.

Während das Projekt ins Stocken gerät, profitieren einige Akteure erheblich. Die Unternehmensberatung McKinsey & Company soll in nur einem Jahr über 130 Millionen Dollar für ihre Beratungsleistungen erhalten haben. Brisant: McKinsey war sowohl an der strategischen Planung als auch an der Überprüfung der finanziellen Prognosen beteiligt – ein potenzieller Interessenkonflikt, der für Kritik sorgt.

Zukunft ungewiss: Ein Generationenprojekt?

Die saudische Führung hat inzwischen begonnen, die Erwartungen an Neom herunterzuschrauben. Offiziell hält das Land zwar an den ambitionierten Plänen fest, doch realistisch betrachtet ist der Zeithorizont längst nach hinten verschoben. Man spricht nun von einer „generationenübergreifenden Investition“, die erst in vielen Jahrzehnten Früchte tragen werde.

Während Saudi-Arabien ursprünglich angekündigt hatte, bis 2030 ein 5 Kilometer langes Kernstück von „The Line“ fertigzustellen, sind die Erwartungen inzwischen deutlich gesunken. Berichten zufolge soll bis dahin lediglich ein 2,4 Kilometer langer Abschnitt mit Platz für weniger als 300.000 Menschen entstehen – ein Bruchteil der ursprünglich geplanten Megastadt.

Update Februar 2025: Mit einem „versteckten Hafen“ soll es losgehen

Allen Unkenrufen zum Trotz wird an „The Line“ fleißig gebaut. Zahlreiche Fotos, die von den Verantwortlichen des NEOM-Projekts veröffentlicht wurden, belegen dies. Auf den Bildern sind unzählige Baumaschinen zu sehen, die mit der Vorbereitung des Fundaments für die futuristische Metropole beschäftigt sind.

Nach ihrer Fertigstellung soll „The Line“ eine Länge von 170 Kilometern erreichen – vorausgesetzt, die finanziellen Mittel reichen aus. Das erste Teilstück soll bereits bis 2030 fertiggestellt werden. In der Anfangsphase ist der Bau des „Hidden Marina“ genannten Hafens geplant. Wie die Saudi Gazette berichtet, enthüllte Denis Hickey, Entwicklungsleiter von „The Line“, auf einer Veranstaltung des saudischen Public Investment Fund (PIF) neue Details zu diesem Vorhaben.

The Line Hidden Marina

So stellen sich die Macher von „The Line“ die „Hidden Marina“ vor.

Foto: Neom

Der „versteckte Hafen“ wird sich über eine Länge von 2,5 Kilometern erstrecken und sowohl für Yachten als auch für Kreuzfahrtschiffe als Anlaufpunkt dienen. Er wird aus drei Teilbereichen bestehen und insgesamt eine Fläche von 21 Quadratkilometern einnehmen – zum Vergleich: Der erste Wiener Gemeindebezirk umfasst etwa 3 Quadratkilometer.

Seinen Namen verdankt der Hafen den 500 Meter hohen, vollständig verspiegelten Gebäuden von „The Line“, die ihn vor Blicken verbergen. Im ersten Bauabschnitt sollen mehr als 200.000 Menschen leben. Geplant sind über 8.000 Wohneinheiten sowie rund 9.000 Hotelzimmer.

Update November 2024: Führungswechsel bei Saudi-Arabiens Megaprojekt Neom

Das 500-Milliarden-Dollar-Projekt Neom in Saudi-Arabien steht vor bedeutenden Veränderungen. Der bisherige CEO, Nadhmi al-Nasr, hat seinen Posten niedergelegt. Am 12. November teilte das Unternehmen in einer Pressemitteilung mit, dass Aiman al-Mudaifer, bisher Leiter der Immobilienabteilung des staatlichen Investmentfonds PIF, interimistisch die Führung übernehmen wird.

Laut Reuters könnte der Rücktritt von al-Nasr auf nicht erreichte Leistungsziele zurückzuführen sein. Offiziell wurden die Gründe für sein Ausscheiden jedoch nicht bekannt gegeben. Das Projektteam erklärte in einer Pressemitteilung: „Da Neom in eine neue Umsetzungsphase eintritt, wird die neue Führung die betriebliche Kontinuität, Agilität und Effizienz sicherstellen, um der Gesamtvision und den Zielen des Projekts gerecht zu werden.“

Neom steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Steigende Kosten und Verzögerungen haben bereits dazu geführt, dass einige Teilprojekte zurückgefahren wurden. Bereits im Frühjahr hat Bloomberg spekuliert, dass erst einmal nur ein Teilstück von „The Line“ gebaut wird. Vor einigen Wochen dann der Dokumentarfilm, der von rund 20.000 toten Bauarbeitern rund um das Projekt „Neom“ spricht.

Bereits 21.000 Todesopfer beim Bau von Neom?

„The Line“ ist Teil des Megaprojekts Neom, das wir später noch näher vorstellen. Der britische Sender ITV veröffentlichte im Oktober 2024 die Dokumentation „Kingdom Uncovered: Inside Saudi Arabia“. Darin wird berichtet, dass seit dem Start von Neom im Jahr 2017 über 21.000 Arbeiter gestorben seien, viele von ihnen aus Indien, Bangladesch und Nepal.

Ein Arbeiter schildert in der Doku, dass er regelmäßig 16 Stunden pro Tag, 14 Tage am Stück, an dem Bauvorhaben „The Line“ arbeitet – weit über das saudi-arabische Arbeitsrecht hinaus, das maximal 60 Arbeitsstunden pro Woche erlaubt, einschließlich Überstunden. „Saudi-Arabien kümmert sich wenig um ausländische Arbeitskräfte. Wir werden wie Bettler behandelt“, äußert er.

Ein weiterer Arbeiter berichtet aus einem Bagger heraus: „Wir bekommen nicht genug Ruhe und arbeiten ununterbrochen.“ Dieser Schlafmangel führe zu zahlreichen Unfällen: „Allein im letzten Monat gab es vier oder fünf Vorfälle.“

Die Neom-Organisation entgegnet, dass von allen Auftragnehmern und Subunternehmern die Einhaltung des Verhaltenskodexes von Neom gefordert werde. Dieser basiere auf saudi-arabischen Gesetzen und den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation und werde durch regelmäßige Inspektionen der Lebens- und Arbeitsbedingungen überwacht.

FIFA WM 2034: Neom Stadium soll Teil von „The Line“ werden

Die Diskussionen um die Verzögerungen bei The Line sind noch nicht ganz verstummt, da kündigt sich bereits das nächste Großprojekt in Saudi-Arabien an. Noch in diesem Jahr soll entschieden werden, ob das Königreich die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 ausrichten wird. Glaubt man Medienberichten, gibt es kaum Zweifel, dass die FIFA Saudi-Arabien als seinen Favoriten sieht. Eines der elf Stadien für das Turnier soll im Rahmen von „The Line“ entstehen.

Im Juli 2024 hat Saudi-Arabien seine Bewerbungsunterlagen an die FIFA geschickt. Das „Neom Stadium“, das Teil der Bewerbung der Ölmultis ist, wirkt wie ein Bauwerk aus einem Science-Fiction-Film. Es soll in 350 Metern Höhe quasi auf dem Dach des ursprünglich 170 Kilometer langen Bauwerks errichtet werden. Das Fassungsvermögen liegt bei 45.000 Zuschauern.

Im Innenraum befinden sich zahlreiche verspiegelte Polygone an der Decke, die zwar optisch beeindrucken, aber auch ablenkend wirken könnten. Es ist daher fraglich, ob es sich überhaupt für Fußballspiele eignet. Die saudi-arabischen Planer betonen, dass das Stadion vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll, vor allem mit Wind- und Solarenergie. Die Fertigstellung des neuen Stadions ist für 2032 geplant. Experten bezweifeln, dass sich das überhaupt realisieren lässt, zumal es mit „The Line“ generell nicht so vorwärts geht, wie es sich die Macher wünschen.

Stadion The Line

Viel mehr als eine grobe Skizze gibt es vom „Neom Stadium“ bislang noch nicht.

Foto: Saudi Arabia FIFA World Cup-2034-Bid Book

Das Neom-Projekt

Das Neom-Projekt umfasst neben der 170 Kilometer langen Bandstadt noch Neom Bay mit dem bereits 2019 eröffneten Flughafen und die Stadt Trojena. Diese soll etwa 50 Kilometer von der Küste des Golf von Akaba entstehen. Bis 2026 soll die Stadt in einer Höhe von 1.500 bis 2.600 Metern über dem Meeresspiegel entstehen. Im Oktober 2022 hat die Retortenstadt den Zuschlag für die Winter-Asienspiele 2029 erhalten. In Neom Bay entsteht zudem Sindalah, eine Luxusinsel Yacht-Club und mit zahlreichen Hotelzimmern im Premiumsektor. Sie soll den Tourismus in Saudi-Arabien ankurbeln.

Prunkstück des Neom-Projekts soll hingegen „The Line“ werden. Beginnend am Roten Meer, soll die Stadt 170 Kilometer ins Landesinnere führen – einmal quer durch die Wüste und wie am Lineal gezogen. Die Megacity soll lediglich 200 Meter breit werden und aus 1.000 Hochhäusern und gigantischen verspiegelten Glaswänden bestehen. Die 500 Meter hohen Wohntower werden wiederum auf 800 mal 200 Meter großen Modulen stehen. Motorisierten Individualverkehr soll es nicht mehr geben; alle Wege werden zu Fuß, mit Aufzügen oder mit der U-Bahn im Fuß des Gebäudes erledigt.

Mit den Gründungsarbeiten für die gewaltigen Gebäude wurde bereits begonnen. Die bayerische Bauer Gruppe ist hierbei für die Gründungen zuständig. In einem ersten Bauabschnitt treibt das Unternehmen Großbohrpfähle mit einem Durchmesser von 2,5 Metern 70 Meter tief in den Wüstensand. Kurz vor Weihnachten 2022 wurde Bauer mit zwei weiteren Bauabschnitten für die Gründung von The Line beauftragt. „Die Megacity Neom ist derzeit in aller Munde und eines der weltweit beeindruckendsten Bauprojekte“, sagt Michael Stomberg, Vorstandsvorsitzender der Bauer AG. „Kurz vor Abschluss der erfolgreichen Abwicklung des ersten Auftrags, freuen wir uns über das Vertrauen des Auftraggebers weitere Projektabschnitte ausführen zu können.“

Insgesamt soll das Neom-Projekt ein 26.000 Quadratkilometer großes Gebiet am Nordufer des Roten Meeres umfassen. Zum Vergleich: Belgien hat eine Fläche von etwas mehr als 30.000 Quadratkilometern. „The Line“ soll hingegen auf 34 Quadratkilometern entstehen, 170 Kilometer lang und 200 Meter breit.  Ist „The Line“ fertiggestellt können dort einmal neun Millionen Menschen leben. Was sehr ambitioniert ist. Saudi-Arabien hat derzeit rund 36 Millionen Einwohner, hinzu kommen knapp 11 Millionen Gastarbeiter – hauptsächlich aus dem asiatischen Raum. Der kalkulierte Investitionsumfang beträgt bislang 500 Milliarden US-Dollar.

Video über den Fortschritt beim Projekt Neom

Wer steckt hinter Neom?

Initiator des Megaprojekts Neom ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Der Kronprinz hat das Projekt bereits 2017 angekündigt und möchte sein Land mit Neom in die Moderne führen. Ob das funktioniert, wird bezweifelt, denn nach wie vor gehören Hinrichtungen zum Alltag. Und in Sachen Arbeitsbedingungen soll es in Saudi-Arabien noch schlechter bestellt sein als in Katar. Im Zuge der Fußballweltmeisterschaft 2022 ist bekannt geworden, dass es beim Bau der Stadien zu hunderten Todesfällen unter den Arbeitern gekommen sein soll.

„The Line wird alle Herausforderungen des Stadtlebens bewältigen und alternative Lebensweisen beleuchten“, erklärte Kronprinz Mohammed bin Salman, genannt MBS, zugleich Vorstandsvorsitzender der Neom Company. „Neom vereint ein Team mit den hellsten Köpfen in den Bereichen Architektur, Engineering und Bauwesen, die Visionen und Ideen Wirklichkeit werden lassen.“

Das Geld für das milliardenschwere Projekt stammt nicht allein aus der Tasche der Herrscherfamilie, vielmehr beteiligen zahlreiche Unternehmen an Neom. Mit ihm Boot sind zudem namhafte Top-Manager aus der Wirtschaft. Der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld war zum Beispiel zunächst CEO von Neom, inzwischen ist er Berater des Kronprinzen. Zudem ist Alexander Rieck, Chef des internationalen Architekturbüros Lava als Planungsexperte für die Errichtung der Stadt zuständig.

Neben der Bauer AG möchten weitere deutsche Unternehmen bei dem Riesenprojekt in der saudischen Wüste mitwirken. Siemens hofft zum Beispiel darauf, Aufträge für das unterirdische Metrosystem und einen Hochgeschwindigkeitszug zu erhalten. Weiter ist bereits Thyssenkrupp, das Unternehmen ist über ein Tochterunternehmen am Bau der größten Wasserstofffabrik der Welt beteiligt, dass eine Leistung von 2.000 Megawatt haben soll. Der Lufttaxihersteller Volocopter aus Bruchsal darf außerdem Lufttaxis für The Line liefern. Im November 2022 wurde zudem bekannt, dass Neom mit 175 Millionen Dollar bei dem Start-up einsteigt.

Dokumentation über The Line

Discovery UK hat auf Youtube eine 45-minütige Dokumentation über „The Line“ veröffentlicht. Wer etwas tiefer in die Materie einsteigen möchte, kann dies mit Klick auf nachfolgenden Button tun:

Wie klimaneutral ist Neom wirklich?

Der Kronprinz Mohammed bin Salman kündigte bei der Vorstellung des Projekts an, dass Neom klimaneutral sein wird. Das wird in der Fachwelt jedoch bezweifelt, zumal bei der Herstellung von The Line Unmengen an Beton benötigt wird, und die Herstellung von Zement ist nun mal alles andere als klimaneutral. Der CO2-Abdruck wird bis zur Fertigstellung von Neom riesig werden. Zumal geplant ist, in 500 Metern Höhe bis 2027 eine Formel-1-Strecke zu errichten, auf der auch Motorrad-Rennen ausgetragen werden können.

In der Stadt selbst wird es allerdings keine Autos geben. Die Bewohner sollen alle wichtigen Einrichtungen zu Fuß innerhalb von fünf Minuten erreichen können. Außerdem wird ein unterirdischer Hochgeschwindigkeitszug verkehren, der die 170 Kilometer in 20 Minuten durchqueren wird. Außerdem soll es Lufttaxis und selbstfahrende Autos geben. Zu den Infrastruktur-Einrichtungen von Neom gehören allerdings auch ein Flughafen und Yachthäfen. In wieweit diese bis zum Ende der Bauzeit von The Line zur Klimaneutralität betragen können, bleibt abzuwarten.

Bleiben noch die gigantischen Energiemengen, die benötigt werden, um Neom vom Wüstenklima auf angenehme Temperaturen runter zu kühlen. Peter Terium (früherer Vorstandsvorsitzender von Innogy SE, einem Tochterunternehmen von RWE) ist CEO von Enowa, dem Wasser- und Energieunternehmen von Neom. Er sagt zu diesem Thema: „Die Schaffung von Neom wird mit 100 Prozent erneuerbarer Energie betrieben. Unser Unternehmen vertritt Neom auch als Hauptanteilseigner der weltweit größten Anlage von grünem Wasserstoff. Der grüne Wasserstoff wird exportiert und in Neom für eine Vielzahl von Lösungen verwendet werden, unter anderem zur Versorgung autonomer Elektrofahrzeuge. Unser künftig vollständig erneuerbares Stromnetz wird das Ziel haben, die Solar-Photovoltaik- und Windenergie von der Quelle zu den Verbrauchsstellen zu übertragen“.

Kritik an dem Megaprojekt

Die Kritikpunkte an dem Megaprojekt Neom sind zahlreich. Offiziell möchte sich Saudi-Arabien der westlichen Welt annähern und moderner werden. Viele fragen sich, wie das in so kurzer Zeit möglich sein soll. Noch im März 2021 wurden an einem Tag 81 Menschen hingerichtet. Immerhin dürfen Frauen seit 2018 Auto fahren und dürfen jetzt in Sportstadien, Kinos oder Konzerthallen gehen. Das war ihnen lange verboten. Nach wie vor benötigen sie jedoch die Zustimmung eines männlichen Vormundes, wenn sie heiraten wollen. Ihre eigene Meinung dürfen sie nach wie vor nicht äußern und sie dürfen nicht gemeinsam mit Männern studieren. Der Unterricht findet getrennt voneinander statt.

Ein großes Thema ist auch die Zwangsumsiedlung von etwa 20.000 alteingesessenen Beduinen, die für Neom weichen müssen. Die allgemeine Sprachregelung spricht hingegen von einem Niemandsland. Wer sich weigert, sein Haus zu verlassen, wird zu langen Haftstrafen verurteilt oder im schlimmsten Fall hingerichtet. So ist es zum Beispiel mit Abdulrahim al-Howeiti geschehen, der sich mit einer Videobotschaft an seine Landsleute wandte, um gegen die Umsiedelung zu protestieren. Kurz darauf wurde er von Regierungskräften getötet.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit. Wir haben an anderer Stelle bereits geschrieben, dass Neom klimaneutral werden soll. Bei den Abermillionen Tonnen an Beton und Glas, die verbaut werden soll, könne das überhaupt nicht funktionieren, so die Meinung zahlreicher Experten. Zumal zu Neom auch Projekte wie der Wintersportort in der Wüste gehören. Schnee fällt in Saudi-Arabien bekanntlich selbst in höheren Lagen eher selten, wobei es dort im Januar 2022 tatsächlich wieder einmal geschneit hat – und das nach vielen Jahren.

Die Arbeitsbedingungen in Saudi-Arabien werden ebenfalls kritisch beäugt. Kritiker schätzen sie schlimmer als in Katar ein. Darüber gibt es jedoch unterschiedliche Aussagen. Bei den Camps für die Arbeitskräfte soll es vier Kategorien geben. In der höchsten Kategorie werden Manager und andere Führungskräfte untergebracht, die niedrigste Kategorie ist den Arbeitern vorbehalten. Diese sollen zu viert in einem Raum untergebracht sein – mit Bett, Schrank, Dusche und Toilette. Andere Berichte von Menschenrechtsorganisationen sprechen hingegen von sechs Arbeitern aus Indien und Pakistan, die auf engsten Raum eingepfercht werden.

Wiener Forschende sehen aus städtebaulicher Sicht keinen Sinn in „The Line“

Im Juli 2023 haben Wiener Forschende vom Complexity Science Hub (CSH) gegenüber der Austrian Presse Agentur (APA) Kritik an „The Line“ geübt. Sie sehen die Stadt eher als Werbegag an. Inbesondere der linienförmige Aufbau wird kritisiert, würde er die Wege doch unnötig verlängern. Nicht umsonst hätten die allermeisten Städte einen mehr oder weniger runden Grundriss. Wer von dem einem zum anderen Ende der Stadt fahren möchte, müsse 170 Kilometer fahren, bei einem üblichen Aufbau wären die Wege wesentlich kürzer.

Durchschnittlich würden die Bewohner von „The Line“ 57 Kilometer voneinander entfernt wohnen. In Johannesburg, das flächenmäßig etwa 50-mal so groß ist, wären die durchschnittlichen Strecken hingegen nur 33 Kilometer. Weiterhin würden nur etwa 1,2 Prozent der künftigen Stadtbewohner fußläufig voneinander entfernt wohnen. Als fußläufig wurde angenommen, dass sie maximal einen Kilometer voneinander getrennt sind.

Da es keinen Individualverkehr in „The Line“ geben soll, sind alle auf  die Hochgeschwindigkeitsbahn angewiesen. Damit die Bewohner alle zu Fuß zu einer Haltestelle gelangen können, bräuchte es 86 Stationen. Es lässt sich erahnen, dass ein Zug niemals Hochgeschwindigkeit erreichen kann, wenn er an jedem dieser Bahnhöfe halten muss. Die Forschenden errechneten, dass jede Fahrt dann im Schnitt 60 Minuten dauern würde. Das ist mehr als der Durchschnitts-Fahrgast in vielen anderen Großstädten unterwegs ist.

Bei einer runden Stadtform würde ein Radius von 3,3 Kilometer (bei gleicher Bevölkerungsdichte) ausreichen, um ebenfalls neun Millionen Einwohner unterbringen zu können. Statt 57 Kilometer, würden zwei Bewohner dann nur noch im Schnitt 2,9 Kilometer auseinander wohnen. Ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem wäre dann überflüssig, da die meisten Orte zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sind. Rafael Prieto-Curiel vom CSH kommt daher zu dem Schluss:  „Insgesamt gesehen liegt die Vermutung nahe, dass andere Erwägungen bei der Wahl dieser einzigartigen Form eine Rolle gespielt haben könnten, wie zum Beispiel das Branding oder die Erstellung ansprechender Videos in den sozialen Medien“.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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