Stahlbetonskelettbau gilt als besonders erdbebensicher
VDI nachrichten, Düsseldorf, 23. 5. 08, rok – Bautechnische Regeln können Katastrophen wie jetzt in China verhindern. Da auch Regionen nördlich der Alpen – im 14. Jahrhundert fiel Basel einer verheerenden Verwüstung zum Opfer – von Erdbeben bedroht sind, führte Baden-Württemberg eine spezielle Baunorm ein. Eine jetzt überarbeitete Schrift gibt weitere wichtige Hinweise.
Erdbeben im Ausmaß wie jetzt in China gelten in Deutschland als unwahrscheinlich. Dennoch spielt erdbebensicheres Bauen nördlich der Alpen eine Rolle, schließlich ist auch hier der Boden in Bewegung. Der Auslöser: Die Platte des afrikanischen Kontinents drückt heftig in Richtung Europa. Das Problem im hochindustriellen Deutschland: Selbst kleinere Erdstöße beinhalten ein hohes Schadenspotenzial. Baden-Württemberg führte deshalb als erstes Bundesland Vorschriften für erdbebensicheres Bauen ein. Wichtigster Aspekt: Bei statischer Berechnung, Konstruktion und Ausführung von Gebäuden müssen Horizontalkräfte berücksichtigt werden, die im Erdbebenfall auf Bauten einwirken.
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gehören in Deutschland zu den am stärksten von größeren Beben bedrohten Regionen. Zuletzt gab es solche Ereignisse 1992 in der niederrheinischen Bucht bei Roermond und im Jahr 1978 im baden-württembergischen Albstadt. Am Niederrhein erreichte das Beben den Wert 5,9 auf der Richterskala, in Albstadt wurden 5,7 gemessen. In China erreichten die Erdstöße jetzt den Wert 7,9. Das bisher schwerste bekannte Erdbeben nördlich der Alpen ereignete sich im Jahr 1356 mit Epizentrum bei Basel. Bei dem katastrophalen Ereignis starben in der Stadt 300 Menschen.
Große Teile Basels zerfielen damals in Trümmer. Auch das Münster stürzte ein. Forscher schätzen heute im nachhinein die Stärke der Erdstöße auf größer als 6 auf der Richterskala, andere auf mehr als 7. Hans Holbeins (1498-1543) Holzschnittzyklen des Totentanzes entstanden unter dem Eindruck der Katastrophe am Oberrhein, die noch mehr als 100 Jahre danach die Menschen ängstigte. Aber auch Erdbebenforscher sind sich sicher, dass man in Deutschland am ehesten im Gebiet um Lörrach, also nahe Basel und im Zollernalbkreis mit starken Beben rechnen muss.
Die Sorge ist nicht unberechtigt: Mitteleuropa steht unter massivem Druck. Denn die afrikanische Kontinentalplatte rückt pro Jahr 2 cm nach Norden und treibt Italien wie einen Sporn in den europäischen Kontinent. Hierbei türmen sich als Knautschzone die Alpen hoch. Das Gebirge baut zwar den Großteil des Druckes ab, es bleibt jedoch noch ein beträchtlicher Rest von der Aufprallenergie, so dass die Kollision auch Regionen nördlich der Alpen unter Spannung setzt.
Kein Wunder, dass Seismologen im Bereich des Ober-, aber auch des Niederrheins im Boden immer wieder ruckelnde Bewegungen registrieren. Im Abstand von Jahrzehnten jedoch kommt es zu größeren Beben, so am 13. April 1992 in der niederrheinischen Bucht. Bei dem Beben gingen Fensterscheiben und Häuserwände zu Bruch. Ein Mensch erlitt einen Herzinfarkt und starb, 20 Personen wurden verletzt. Versicherungen zahlten rund 120 Millionen € für Schäden an mehr als 1300 Häusern.
Das Ereignis zeigte, aufgrund der dichten Besiedelung und der hohen Sachwerte ist im Erdbebenfall das Schadenspotenzial in Deutschlands groß, und zwar selbst bei kleineren Beben. Deshalb führte Baden-Württemberg als einziges Land in Deutschland die erste Fassung der DIN 4149 „Bauten in deutschen Erdbebengebieten“ baurechtlich ein. Begleitend zur baurechtlichen Einführung der zweiten Fassung von DIN 4149 gab das dortige Wirtschaftsministerium im Jahre 1987 die Informationsbroschüre „Erdbebensicher Bauen“ heraus, die jetzt in fortgeschriebener Fassung vorliegt.
Zu den Bauten, die besonders gut in der Lage sind, neben Winddruck und -sog auch größere horizontale Trägheitskräfte aufzunehmen, gehören Stahl-, Stahlbeton- und Holzkonstruktionen. Die meisten in Europa errichteten Wohnhäuser bestehen jedoch aus Mauerwerk, wobei sich diese Bauten – sachgemäße Ausführung vorausgesetzt – im Fall eines Bebens dennoch gutmütig verhalten. Bei solchen Bauten ist im Fall eines Bebens allerdings – so auch bei den Ereignissen in Roermond und Albstadt – mit „Zufallsschäden“ zu rechnen: herabfallende Schornsteinköpfe oder abstürzende Teile aus der Giebelwand.
Der Stahlbetonskelettbau gilt als besonders geeignet für das Bauen in erdbebengefährdeten Gebieten. Vielfach findet diese Bauweise Anwendung in Japan und in Kalifornien, aber auch in Europa. Allerdings komme es beim Stahlbetonskelettbau neben der richtigen Bewehrungsführung auch auf gute Betonqualität an, betonen in Deutschland Fachleute für Massivbau. Wichtig: Nach jedem Erdbeben müssten Stützen und Balken auf Risse untersucht werden.
Wie schon oft in Kalifornien zu beobachten, überstehen Stahlskelettbauten selbst schwerste Erdbeben. Von Nachteil aber sei ihr Verhalten im Brandfall, warnen vor allem deutsche Brandschutzexperten, da sich Stahlstützen und Träger bei großer Hitze schnell verformen. Erstaunlich sicher erweisen sich bei Erdbeben indes Holzhäuser, ob als Fachwerk- oder Skelettbauten ausgeführt. Entsprechend entschieden sich in früheren Jahrzehnten vor allem die Japaner für diese Bauweise.
„Beim Entwurf von Bauwerken in Erdbebengebieten bieten sich zwei grundsätzliche Strategien an,“ so ein Hinweis in der Broschüre „Erdbebensicher Bauen“. Entweder man konstruiere mit dem Ziel, dass im Erdbebenfall möglichst viel der unerwünscht auftretenden Bewegungsenergie im Gebäude vernichtet werde, oder der Konstrukteur wählt einen so hohen Tragwiderstand, dass die wesentlichen Tragglieder bei Erdstößen im elastischen Bereich verblieben. ELMAR WALLERANG
Nach jedem Beben müssen Bauwerke überprüft werden
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