Stephansdom in Wien: Warum Steffl ein idealer Blitzableiter ist
2019 schlug ein Blitz in den Wiener Stephansdom ein – doch nichts passierte, die berühmte Kirche blieb unversehrt. Das ist den technischen Maßnahmen am Dom zu verdanken. Warum Steffl der ideale Blitzableiter ist.
Der Wiener Stephansdom gilt als das Herz der Stadt. Wer schon einmal vor dem imposanten Gebäude gestanden hat, weiß warum. Von den Wienern wird der römisch-katholische Dom nur liebevoll “Steffl” genannt. Auf dem Platz tummeln sich Touristen und Einheimische. Rund um die Kirche stehen die berühmten Fiaker und warten darauf, Passanten eine Runde durch die Stadt zu fahren. Doch den wenigsten werden die technischen Daten und die Baugeschichte bekannt sein. Wir stellen “Steffl” und seine technischen Raffinessen vor.
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Der geschichtsträchtige Stephansdom
Die Kirche wurde 1137, also im frühen 12. Jahrhundert erbaut. Die Baugeschichte begann mit der Errichtung der Basilika. Diese ist dem Heiligen Stephan gewidmet. 1260 ließ König Ottokar II. von Böhmen an der Stelle der Basilika eine romanische Kirche als Erweiterung bauen. Die Reste dieses Kirchenbaus bilden den heutigen Haupteingang des Domes, das Tor und die Westfassade. Eine Generation später ließ Herzog Albrecht II. den Hallenchor, das Langhaus und den Südturm bauen. Der Stephansdom jener Zeit blieb lange unversehrt. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs erlitt der Dom aber schwere Schäden durch einen Brand. Für den Wiederaufbau spendeten Menschen in ganz Österreich. Alte Rechnungen belegen nun, dass bereits im Mittelalter Brandschutzmaßnahmen getroffen wurden.
Der Stephansdom in Zahlen
Dom | Maße |
Länge: | 107,2 m |
Breite: | 34,2 m |
Südturm: | 136,44 m |
Nordturm: | 68,3 m |
Höhe der drei Chorhallen: | 22,4 m |
Sandstein: | 20.000 m³ |
Dach | Maße |
Länge: | 110 m |
Höhe: | 37,85 m |
Spannweite: | 35 m |
Heidentürme | Maße |
Rechter Turm: | 65,3 m |
Linker Turm: | 66,3 m |
Wie gut ist der Stephansdom gegen Brandfälle geschützt?
Im April brannte die Pariser Kathedrale Notre Dame. Die verheerenden Ausmaße haben die Frage aufgeworfen, wie gut historische Gebäude vor einem Brand geschützt sind. Auch ingenieur.de befasste sich mit dieser Fragestellung.
Die Verantwortlichen des Wiener Stephansdoms hatten im Mittelalter schon Maßnahmen zum Brandschutz getroffen. Zu dieser Erkenntnis gelangte die Kunsthistorikerin Barbara Schedl in ihrer Forschungsarbeit 2019. In der frühen Baugeschichte des Doms ereigneten sich mehrere Brände. Besonders schwerwiegend war das Feuer im Jahr 1258. Der Holzdachstuhl wurde stark beschädigt. Weitere Brände sind für die Jahre 1262, 1276, 1326 und 1327 überliefert. 1149 traf ein Blitz den Südturm des Doms und brannte ihn aus. Das kann heute nicht mehr passieren, aber dazu später mehr.
Schedl fand in den Kirchmeisterrechnungen Hinweise auf Brandschutzmaßnahmen. Diese beziehen sich auf den Einsatz von Wasserbottichen. Die Bottiche wurden dauerhaft positioniert und in Stand gehalten, um sie bei einem Brand schnell einsetzen zu können. Die Forschungsgeschichte des Wiener Stephansdoms ist 200 Jahre alt. Schedl hat sich als erste Kunsthistorikerin die Kirchmeisterrechnungen als Quelle vorgenommen und diese zusammen mit Urkunden analysiert. Eine weitere Erkenntnis ist, dass sehr sparsam mit Ressourcen umgegangen wurde. Vom Vorgängerbau sei alles wieder verwertet, denn es ließen sich keine Kosten vom Abtransport des Baumaterials finden.
Steffl wurde einst als Feuerwache genutzt
Der Stephansdom war jahrhundertelang das höchste Gebäude der Stadt und diente, nein das ist kein Fun Fact, als Feuerwache Wiens. 1534 wurde die Funktion eines Türmers eingerichtet. Der Türmer saß in einer Höhe von 72 Metern und verrichtete seinen Dienst. Brach ein Brand in Wien aus, musste er eine rote Fahne schwenken. In der Nacht nahm der Wächter eine rote Laterne zur Hand, die er in Richtung des Feuers schwenkte. Mit einem Sprachrohr warnte der Türmer die Bevölkerung.
Die historischen Eckdaten zum Blitzschutz am Stephansdom muten witzig an. 8 Hirschgeweihe sollten den Dom in der Zeit um 1551 vor Einschlägen schützen. Die Leute hätten damals fest daran geglaubt, dass Hirsche nicht vom Blitz getroffen werden, so Zehetner. Schließlich wurde nie ein Hirsch gesehen, der vom Blitz erschlagen wurde. Nicht umsonst gehört die Frage, was Hirschgeweihe mit dem Stephansdom zu tun haben, zu den meistgesuchten Eingaben bei Google.
Was bedeuten die Hirschgeweihe am Stephansdom?
Benjamin Franklin hat den Blitzableiter erst im 18. Jahrhundert erfunden. Auf diese bahnbrechende Erfindung wollten die Wiener nicht warten und bauten sich ihre eigenen aus Hirschgeweihen. Der Stephansdom war das höchste Gebäude der Stadt und somit einschlaggefährdet. 1551 ließ Wien 8 Geweihe an den höchsten Stellen der Kirche anbringen. Diese sollten den nötigen Schutz bringen. Für die Hirschgeweihe wurde der Oberste Jägermeister Niederösterreichs mit Most belohnt. Am Turm des Wiener Wahrzeichens finden sich noch heute die Geweihe als Abbildung.
Wie sieht es heute mit den Brandschutzmaßnahmen aus?
Im August hat bei einem schweren Gewitter in Wien ein Blitz in den Stephansdom eingeschlagen. Doch das blieb ohne Folgen, ein Brand entstand nicht. Der Dom verfügt über einen Blitzableiter, so der Dombaumeister Wolfgang Zehetner. „Der Blitz hat in den Blitzableiter am Südturm eingeschlagen, der in ein Erdungssystem geht. Es sind einige Sicherungen gefallen. Aber es ist uns kein Bauschaden aufgefallen“, sagte der Dombaumeister gegenüber wien.ORF.at. 20 Meter oberhalb der Türmerstube sind extra Sensoren angebracht, die bei einem Blitzeinschlag Parameter aufzeichnen und auswerten.
Das Dach der Kirche besteht aus einer feuerfesten Stahlkonstruktion. Das wurde bereits nach dem Brand im Zweiten Weltkrieg eingerichtet, als die berühmte Glocke aus dem Jahr 1711 im Südturm abstürzte. Dennoch sind die Brandschutzmaßnahmen nicht auf dem neuesten Stand. Zum Beispiel gibt es kein automatisches Alarmsystem. 2019 sollen aber noch moderne Rauchgassensoren eingebaut werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
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In dem Buch „St. Stephan in Wien. Der Bau der gotischen Kirche“ von Barbara Schedl können Sie die gesamte Bauhistorie zwischen 1200 und 1500 nachlesen. Das Werk ist im Böhlau Verlag erschienen.
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